"Ethnische Säuberung" Vorwürfe gegen Moskau
28.08.2008, 13:52 UhrGeorgien hat Russland eine "ethnische Säuberung" der abtrünnigen Provinz Südossetien vorgeworfen. Nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte sei das "Territorium, das in der Sowjetzeit als Südossetien bekannt war, komplett von Georgiern gereinigt worden". Dies erklärte die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili vor dem Ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien. In der von Russland eingerichteten Pufferzone gehe der Prozess der Säuberung jetzt unvermindert weiter, klagte die Politikerin. Tkeschelaschwili warnte vor einem "Domino-Effekt" in der ganzen Region. So könne die Ukraine als nächstes die "gefährliche Quittung" von Moskau erhalten.
Vor Journalisten beschrieb die georgische Ministerin die von ihr erwähnten "ethnischen Säuberungen" (ethnic cleansing): "Dies war eine gemeinschaftliche Aktion der russischen Truppen mit paramilitärischen Kräften." Die Russen hätten Dörfer umzingelt, "Milizen drangen dort ein, töteten junge Männer. Frauen wurden vergewaltigt und zur Flucht gezwungen", sagte sie nach der Sitzung des OSZE-Rates.
Effiziente Antwort überlegen
Tkeschelaschwili forderte den UN-Sicherheitsrat und die OSZE in dem Konflikt zum Handeln auf. "Wir müssen sehr rasch und effizient überlegen, wie die geeignete Antwort aussehen könnte." Das Verhalten Russlands sei "nicht nur eine Bedrohung der internationalen Sicherheit, sondern ein Verstoß dagegen". Die Ministerin nannte die Beschränkung der Zahl der OSZE-Beobachter in Georgien "inakzeptabel".
Die US-Botschafterin bei der OSZE, Julie Finchley, forderte Moskau erneut dazu auf, die Waffenstillstandsvereinbarungen "vollständig einzuhalten". Die Haltung Russlands verletze fundamentale Prinzipien der OSZE und widerspreche zahlreichen Resolutionen des UN- Sicherheitsrats. Russlands Botschafter kündigte erneut die diplomatische Anerkennung der beiden abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien an.
Doch keine EU-Sanktionen
Derweil muss Moskau nun doch nicht mit Sanktionen der Europäischen Union rechnen. Das stellte der französische Außenminister Bernard Kouchner klar. Kouchner dementierte zugleich Presseberichte, denen zufolge er sich für EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Kaukasuskrise ausgesprochen haben soll. Er habe erklärt, dass Frankreich als EU-Ratspräsident eine gemeinsame Position anstrebe, auch wenn manch andere EU-Mitglieder Sanktionen in Betracht ziehen würden.
Russland droht "Verurteilung"
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten wollen bei ihrem Sonder-Gipfeltreffen am kommenden Montag Russland wegen seines Verhaltens in Georgien "klar verurteilen". Sie befürworten aber keine Isolation Moskaus. Darauf einigten sich die EU-Botschafter am Donnerstag bei einem Vorbereitungstreffen in Brüssel. Nach Angaben von Diplomaten wird der Sondergipfel unter Vorsitz des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy Russland auffordern, alle sechs Punkte der von Frankreich vermittelten Waffenstillstandsvereinbarung mit Georgien umzusetzen.
Moskau muss sich entscheiden
Die EU wolle mit Russland "eine stabile und positive Beziehung", sagte Sarkozy. Es sei dringend geboten, "die Spannungen zu vermindern". Nach zwei Weltkriegen hätten die Völker Europas verstanden, dass "Frieden und Wohlstand mit Nachbarn geschaffen werden, deren Interessen geachtet und in Rechnung gestellt" würden. Russland müsse sich jetzt entscheiden, hatte Sarkozy hinzugefügt.
China distanziert sich
China und mehrere Staaten Zentralasiens verweigerten Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew eine demonstrative Unterstützung für den Kreml-Kurs der Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien. Sie forderten bei einem Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation in Tadschikistan eine stärkere Einbindung der UN. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Quelle: ntv.de