Politik

Volksabstimmungen über Europa Wagt Merkel mehr Demokratie?

Nur populistisches Gerede oder Ernst: Wie geht Merkel mit den Äußerungen von Brüderle und Seehofer um?

Nur populistisches Gerede oder Ernst: Wie geht Merkel mit den Äußerungen von Brüderle und Seehofer um?

(Foto: picture alliance / dpa)

Sommerpause, drei Wochen ist Bundeskanzlerin Angela Merkel weg aus Berlin. Aber auch nach dem Urlaub geht es wieder um das alte Thema: den Euro. Dabei gewinnt in der Koalition die Debatte über eine Volksabstimmung zu Europafragen immer mehr an Fahrt.

Wegen der komplizierten Euro-Rettung wird in der Koalition immer intensiver über eine Volksabstimmung zur politischen Zukunft Europas nachgedacht. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der Zeitung "Die Welt", er sehe drei Felder, bei denen das Volk befragt werden müsste: "Erstens: bei der Übertragung von wesentlichen Kompetenzen nach Brüssel. Zweitens: vor der Aufnahme weiterer Staaten in die Europäische Union. Und drittens: über finanzielle deutsche Hilfen für andere EU-Staaten." Als Beispiele nannte der bayerische Ministerpräsident Entscheidungen über Euro-Bonds oder einen Schuldentilgungsfonds.

In anderen europäischen Staaten stimmt die Bevölkerung bereits ab über Europafragen.

In anderen europäischen Staaten stimmt die Bevölkerung bereits ab über Europafragen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seehofer unterstrich, die von ihm geforderten Formen des Plebiszits sollten in das Grundgesetz aufgenommen werden: "Wir müssen die Bevölkerung stärker beteiligen." Europa dürfe kein Projekt der Eliten bleiben. "Nur mit mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung können wir die Legitimations- und Vertrauenskrise gegenüber den europäischen Institutionen überwinden." Niemand werde es durchhalten, "zu Fragen der Volksabstimmung immer nur Nein zu sagen". Die Bevölkerung für unfähig zu erklären, sei "pure Arroganz".

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Wir können an einen Punkt kommen, an dem eine Volksabstimmung über Europa notwendig wird." Die Entwicklung werde zeigen, wie viel Souveränität die EU-Länder nach Brüssel abgeben müssten und ob dabei die Grenzen des Grundgesetzes erreicht würden.

Auch Parteikollege und Bundesaußenminister Guido Westerwelle befürwortet eine Volksabstimmung in Deutschland über die künftige Ausgestaltung der Europäischen Union. "Ich hoffe, wir haben eines Tages eine richtige europäische Verfassung, über die es dann auch eine Volksabstimmung gibt", sagte Westerwelle der "Bild am Sonntag".

Die Euro-Krise hat weiter höchste Priorität, wenn Kanzlerin Angela Merkel an diesem Montag wieder an den Schreibtisch zurückkehrt. Sie hatte über Telefon aber auch während ihres knapp dreiwöchigen Sommerurlaubs Krisen-Diplomatie betrieben. Für ein solches Referendum müsste jedoch in Deutschland zunächst das Grundgesetz geändert werden. In anderen europäischen Staaten wurde schon mehrfach über Europa abgestimmt.

Mehr Demokratie wagen?

Die Diskussion um Volksabstimmungen zu Eurofragen geht damit in die nächste Runde. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte schon vor der Sommerpause eine Volksabstimmung nicht ausgeschlossen, falls bei weiterer Abgabe nationaler Entscheidungsrechte an Brüssel eine neue Verfassung nötig würde. SPD-Chef Sigmar Gabriel schlug später eine Grundgesetzänderung mit anschließender Volksabstimmung vor, um eine gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten bei strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle zu ermöglichen.

Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, hatte bereits Ende Juni angekündigt, seine Partei werde nach der Sommerpause einen Gesetzesentwurf vorlegen, um Volksabstimmungen im Grundgesetz zu verankern. "Wir wollen die repräsentative Demokratie modernisieren und um Plebiszite ergänzen. Die Zeit ist reif", sagte Oppermann gegenüber n-tv.de. Trotzdem dämpfte er gleichzeitig die Erwartungen. "In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten helfen uns Volksabstimmungen nicht weiter. In diesem und im nächsten Jahr wird es sie sicherlich noch nicht geben."

Nach dem ersten Aufkommen der Debatte Ende Juni äußerte sich Merkel noch zurückhaltend. Nun bringen Seehofer, Brüderle und Gabriel das Thema zurück auf die Agenda. Und Merkel? In ihrer ersten Arbeitswoche am Mittwoch wird sie wieder eine Kabinettssitzung leiten. Dann fliegt sie zu einem zweitägigen Besuch nach Kanada. Beim alljährlichen Tag der Offenen Tür am kommenden Sonntag begrüßt sie dann Bürger im Kanzleramt.

Neben der Euro-Krise sind in der parlamentarischen Sommerpause, die noch bis September dauert, weitere Konfliktthemen aufgekommen. Nach einem Vorstoß von 13 CDU-Abgeordneten diskutiert die Koalition, ob auch Homosexuelle in eingetragenen Lebenspartnerschaften vom Ehegatten-Splitting bei der Einkommenssteuer profitieren sollten. Das von der CSU forcierte Betreuungsgeld soll verabschiedet werden. Auch bei Energiewende, Rente und Wahlrecht stehen Weichenstellungen an.

Quelle: ntv.de, cro/dpa/rts/AFP

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