Politik

43 Prozent der Algerier stimmten ab Wahl bringt keine Veränderung

Die Wahlbeteiligung war mit 43 Prozent niedrig, aber trotzdem viel höher als gedacht.

Die Wahlbeteiligung war mit 43 Prozent niedrig, aber trotzdem viel höher als gedacht.

(Foto: dpa)

Die Algerier bestimmen erstmals seit Aufhebung des Ausnahmezustandes vor 15 Monaten ein neues Parlament. Es ist auch ein Test für die Politik der vorsichtigen Öffnung von Präsident Bouteflika. Dem ist die explosive Stimmung vor allem unter Jugendlichen bewusst. Doch das Parlament hat ohnehin kaum politisches Gewicht.

Algerien feiert eine Premiere: Eine weitgehend störungsfreie demokratische Abstimmung mit internationalen Wahlbeobachtern. "Mit dieser außergewöhnlichen Beteiligung hat das algerische Volk eine große Herausforderung gemeistert", freute sich Innenminister Dahou Ould Kablia öffentlich über die Wahlbeteiligung. Aus europäischer Sicht war sie mit rund 43 Prozent zwar kläglich gering. Doch angesichts des allgemeinen Desinteresses in der Wahlkampfphase lag sie deutlich höher als erwartet und galt damit schon als Erfolg.

Die Macht bleibt weiter bei ihm: Präsident Abdelaziz Bouteflika versucht sich an schrittweiser Öffnungspolitik.

Die Macht bleibt weiter bei ihm: Präsident Abdelaziz Bouteflika versucht sich an schrittweiser Öffnungspolitik.

(Foto: dpa)

Die Unzufriedenheit und Frustration im Lande angesichts der Unzulänglichkeiten der öffentlichen Verwaltung und der Willkür der politischen Führung artikulierten sich auch in Algerien immer wieder in Gewaltausbrüchen. Vor allem die Jugend gilt in hohem Maße als desillusioniert, das Unbehagen äußerte sich auch im Wahlkampf mit spontanen Protestaktionen. Doch allen lokalen Revolten zum Trotz ist der Erdöl-Staat von einem landesweiten Aufstand wie in den Nachbarländern Tunesien oder Libyen bisher verschont geblieben.

Kleine Zugeständnisse ans Volk

Das Trauma des jahrelangen Bürgerkrieges in den 1990er Jahren gegen islamistische Untergrundkämpfer wirkt weiter nach - große Teile der Bevölkerung ersehnen Stabilität. Immer wieder aufflackernde Terrorattacken überschatteten selbst diese Parlamentswahl. Der seit 1999 amtierende Staatschef Abdelaziz Bouteflika hat es bis jetzt aber verstanden, einen nationalen Aufstand durch Reform-Versprechen, Lohnerhöhungen oder Wohnungsbauprojekte zu verhindern.

Seine Öffnungspolitik begann mit der Aufhebung des Ausnahmezustands, der dem Staat knapp zwei Jahrzehnte lang weitgehende Eingriffe in politische Rechte erlaubt hatte. Die Abschaffung des Ausnahmezustands war eine der Hauptforderungen der Regierungsgegner, die unter dem Eindruck der politischen Umwälzungen in der Region gegen Algeriens herrschendes System und die sozialen Missstände protestiert hatten. Die Öffnung war letztlich eine präventive Maßnahme gegen die drohende landesweite Revolte. Kritiker dagegen sprechen von einer Politik, die der alten Machtelite eher die eigene Autorität sichern dürfte.

Machtverhältnisse bleiben gleich

Die Präsenz internationaler Wahlbeobachter - die trotz Einladung von der Regierung zunächst noch etwas skeptisch beäugt wurden - war eine Premiere bei dieser Wahl. Favorit war die mächtige, langjährige Regierungspartei Nationale Befreiungsfront (FLN), die bereits seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren die Macht in Händen hält. Erwartet wurde, dass der Urnengang trotz eines Klimas aus allgemeiner Politikverdrossenheit und Resignation diesmal die Präsenz der gemäßigten Islamisten im Parlament stärken würde. Die drei wichtigsten Islamisten-Parteien hatten sich im Wahlbündnis Grünes Algerien zusammengeschlossen - sie dürften nach ersten Trends Fraktionsstatus im Parlament erreichen.

An den Machtverhältnissen jedoch wird die Abstimmung angesichts der sehr begrenzten Einflussnahme des Parlaments kaum etwas ändern. Es galt bisher als eine Art komplizenhafter Durchlauferhitzer für die von Bouteflikas Regierung beschlossenen Gesetze. Echte Gewaltenteilung war bislang nicht vorgesehen: die Machtfülle des Präsidenten bleibt auch nach der Wahl unangetastet. Der seit 13 Jahren autoritär regierende Bouteflika hatte in öffentlichen Äußerungen zuletzt jedoch mehrfach einer Übergabe der Macht an die junge Garde das Wort geredet. Die Ära der alten Männer an der Macht gehe nun ihrem Ende zu, meinte er.

Keine französische Entschuldigung zum Unabhängigkeitstag

Die Wahl seines Nachfolgers dürfte die große Probe werden in einem Land, das ähnlich wie die frühere Kolonialmacht Frankreich in der Hand des Staatschefs weitreichende Kompetenzen gebündelt hat. Im 50. Jahr der Unabhängigkeit hatten sich beide Seiten nach französischen Medienberichten mit Blick auf den Wahlkampf auf ein Minimalprogramm für die Gedenkfeiern geeinigt. Denn in Paris wie in Algier ist die gemeinsame Geschichte noch von vielen bösen Erinnerungen geprägt. Die Beziehungen sind noch weit von der Normalität entfernt - Algerien wartet bis heute vergeblich auf eine Entschuldigung für damals erlittenes Unrecht.

Quelle: ntv.de, Ralf E. Krüger, dpa

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