Gauck macht die CDU nervös Wahlkampf mit Nelson Mandela
12.06.2010, 17:22 UhrIm Parteienstreit um die Wahl des Bundespräsidenten werden die Töne schärfer. CDU-Generalsekretär Gröhe nennt es eine "Schande", dass die SPD Niedersachsens Ministerpräsidenten Wulff zum sofortigen Rücktritt von seinem Regierungsamt in Hannover auffordert.
Die Kandidaten um das Amt des Bundespräsidenten, Christian Wulff und Joachim Gauck, geben sich schon ganz präsidial. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der von Union und FDP ins Rennen geschickt wird, kritisiert den Politikstil in Deutschland: "Nicht nur die Inhalte sind wichtig, sondern auch die Form. Da sehe ich einen bedrohlichen Verlust der politischen Kultur", sagte er dem "Focus".
Gauck, der Kandidat von SPD und Grünen, stellt die Freiheit als Leitgedanken seiner Bewerbung heraus - "aber in der Form, wie ich sie definiere", wie er in einem ARD-Interview sagte. "Ich propagiere nicht die Freiheit die den Leitsatz hat 'Ich darf alles' und nach mir kommen die anderen."
Wulff nannte als Vorbild Südafrikas Ex-Präsidenten Nelson Mandela: "Mandelas Leitbild war eine politische Führung, bei der der Hirte die Herde von hinten führt und aufpasst, dass ihm kein Schaf verloren geht, aber trotzdem die Richtung bestimmt."
Der scheidende hessische CDU-Vorsitzende Roland Koch rief das Regierungslager zur Geschlossenheit auf: Die gemeinsame Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten müsse gelingen, sagte Koch auf dem Landesparteitag der hessischen Union. "Sonst wird es uns verdammt viel schlechter gehen."
Schäuble gegen Gauck, Gauck mag Schäuble

Wulff polarisiert: Wird er nicht gewählt, "wird es uns verdammt viel schlechter gehen", sagt Noch-Kollege Roland Koch.
(Foto: dpa)
Wolfgang Schäuble (CDU), der als möglicher Bewerber im Gespräch war, nannte Wulff im Vergleich zu Gauck den "besseren Kandidaten". Es sei kein Nachteil, "wenn sich der Bundespräsident im politischen Gefüge der Republik auskennt", sagte der Bundesfinanzminister dem "Spiegel".
Gauck dagegen zeigte sich froh über Wulff als seinen Mitbewerber. "Mein erster Impetus war: Nicht gegen Ursula von der Leyen. Gegen sie zu kandidieren wäre für mich sehr schwer gewesen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er habe hohen Respekt vor der Leistung der Arbeitsministerin. Auch mit dem Bundesfinanzminister als Gegner hätte er sich schwergetan: "Ich bin froh, dass ich mir nicht überlegen musste, ob ich gegen Wolfgang Schäuble antrete", sagte Gauck.
"Schande", "verrohte Umgangsformen"
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte es eine "Schande", dass die SPD Wulff zum sofortigen Rücktritt von seinem Regierungsamt in Hannover auffordert. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte von einem "unwürdigen Schauspiel" gesprochen: "Christian Wulff sollte zumindest soviel Schneid haben, sich zu entscheiden: entweder Ministerpräsident oder Präsidentschaftskandidat. Deshalb sollte er unverzüglich von seinem Amt in Hannover zurücktreten", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Gröhe konterte: "Die Attacken der SPD sind vollkommen scheinheilig. Sie hat nach ihren Attacken auf Horst Köhler nichts dazu gelernt." Johannes Rau habe 1994 als amtierender SPD-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert.
Wulffs designierter Nachfolger in Hannover, David McAllister, sprach von "verrohten Umgangsformen" der Sozialdemokraten. "Die Sach- und Rechtslage ist eindeutig. Und dennoch tritt die SPD in Berlin das höchste deutsche Staatsamt mit Füßen", sagte der CDU-Landes- und Fraktionschef.
"Keine Vertrauensabstimmung über Frau Merkel"
Steinmeier richtete gemeinsam mit dem Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir an alle Mitglieder der Bundesversammlung den Appell "nicht die Kategorien von Sieg und Niederlage und von politischer Lagerlogik zur Grundlage ihrer Wahlentscheidung zu machen". Es gehe nicht darum, einen Sieg von Joachim Gauck in eine Niederlage von Schwarz-Gelb zu verwandeln, schrieben sie in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". Der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde wäre aber "ein Bundespräsident jenseits der politischen Lager".
"Wir inszenieren das nicht als Vertrauensabstimmung über Frau Merkel - das macht Schwarz-Gelb", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
"Schau'n wir mal"
Gauck selbst bezeichnete seine Chancen als "überschaubar" und "eher begrenzt". Er sei Realist genug, das so zu sehen. Gleichzeitig wisse auch "die politische Klasse" derzeit nicht genau, wie die Wahl ausgehen werde. Gauck erlebt nach eigener Aussage eine Welle der Ermutigung. Auch Union und FDP, "die die Mehrheiten verwalten", seien ins Nachdenken geraten: "Also, da schau'n wir mal".
Der zurückgetretene Bundespräsident Horst Köhler wird am Dienstag mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Am 30. Juni wählt die Bundesversammlung den Bundespräsidenten.
Quelle: ntv.de, dpa