Wer wird Chef der EU-Kommission? Warum Cameron gegen Juncker ist
12.06.2014, 21:41 Uhr
Cameron beim Gipfel in Schweden - bei seinem Nein zu Juncker bleibt er.
(Foto: AP)
Seit Wochen debattieren Europas Spitzenpolitiker um eine wichtige Personalie: Wer soll Chef der EU-Kommission werden? Eigentlich Jean-Claude Juncker, dachten viele. Doch der britische Premier Cameron ist dagegen. Nun erklärt er in einem Zeitungsartikel, warum.
Der Streit um Jean-Claude Juncker irritiert. Die einen wollen ihn als Präsidenten der EU-Kommission, andere lehnen ihn strikt ab. Es stellt sich die Frage, warum erst jetzt über die Personalie diskutiert wird und nicht schon vor den Wahlen.
Eine Schlüsselrolle kommt bei diesem Machtpoker dem britischen Premierminister David Cameron zu. Der prominenteste Juncker-Gegner ließ sich bislang nicht umstimmen - auch nicht auf dem Krisengipfel bei Stockholm. Zwar schlug er dort einen gemäßigten Ton an, bei seinem Nein blieb er jedoch. In einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" erklärt er nun, warum.
Schwachstellen des Lissabon-Vertrags
Cameron holt weit aus und macht sich zum Fürsprecher der Bürger. "Sie wollen, dass die EU ihnen dient, statt sie zu bevormunden", schreibt er da. Das schließt er auch aus dem Wahlerfolg der eurokritischen Parteien. Die richtige Antwort darauf scheint er auch zu kennen: weniger Europa. Der Kommissionspräsident müsse akzeptieren "dass die Dinge in Europa manchmal am besten auf nationaler Ebene geregelt werden." Juncker ist ihm daher ein Dorn im Auge, denn dieser steht laut Cameron für immer mehr Europa. Er sieht ihn als "Gesicht der 80er Jahre".
Für seine Argumentation beruft sich Cameron auf die Schwachstellen des Vertrages von Lissabon. Denn darin ist das Recht des Europäischen Rates verbrieft, den Präsidenten der EU-Kommission zu wählen. Das Wahlergebnis der Europawahl ist für ihn zweitrangig - denn wie es im Vertrag von Lissabon heißt, müssen die Staats- und Regierungschefs dieses lediglich berücksichtigen, nicht aber zwangsläufig den zuvor von den Parteien ausgerufenen Spitzenkandidaten wählen.
"Griff nach der Macht durch die Hintertür"
Genau diese Forderung stört den britischen Premier: "Das Konzept ist im Europäischen Rat nie beschlossen worden. Es wurde weder zwischen europäischen Institutionen ausgehandelt noch von den nationalen Parlamenten ratifiziert." Vielmehr hätten die Parlamentarier dies in Hinterzimmern ausgekungelt. Er spricht gar von einem "Griff nach der Macht durch die Hintertür"
"Die meisten Europäer sind nicht zur Europawahl gegangen", hält er all jenen entgegen, die Juncker für einen demokratisch legitimierten Kandidaten halten. Juncker habe auf keinem Wahlzettel gestanden, viele hätten gar nicht gewusst, dass er der Spitzenkandidat war, argumentiert Cameron. Genau darin sieht er eine Gefahr für Europa: "Es würde ohne Zustimmung der Wähler die Macht von den nationalen Regierungen zum Europäischen Parlament hin verlagern."
Denn wenn dies letztlich den Kommissionspräsidenten bestimmt, fällt ihm de facto deutlich mehr Macht zu als bisher. Ein Regierungschef wie etwa Jose Manuel Barroso aus Portugal, könnte dann kaum noch Kommissionspräsident werden. So würde "der Pool von Talenten künstlich verkleinert", klagt Cameron. Nachgeben will er in dieser Frage nicht: "Sonst wird ein gefährlicher Präzendenzfall geschaffen."
Quelle: ntv.de, vpe