"Euro Hawk"-Affäre wird zum Fall de Maizière "Was ist das für ein Ministerium?"
05.06.2013, 16:05 Uhr
Viele Fragen an de Maizière. Für die Opposition sind noch nicht alle beantwortet.
(Foto: dpa)
Ein Befreiungsschlag war das nicht: Die Opposition wirft Verteidigungsminister de Maizière vor, die Verantwortung für die "Euro Hawk"-Affäre auf sein Ministerium abzuwälzen. SPD-Verteidigungspolitiker Arnold ist sauer: Er hat den Eindruck, dass de Maizière "überhaupt nichts einsieht". Doch es gebe einen Gewinner: EADS.

Rainer Arnold ist der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion.
(Foto: picture alliance / dpa)
n-tv.de: Sie haben Thomas de Maizière heute im Verteidigungsausschuss zur "Euro Hawk"-Affäre befragt. Sind Sie zufrieden mit dem, was der Minister Ihnen gesagt hat?
Rainer Arnold: Nein, wir hatten seine Vorlage nur wenige Minuten vor Beginn der Sitzung bekommen. So kann man nicht seriös diskutieren. Der Ausschuss hat daher beschlossen, am Montag eine Sondersitzung einzuberufen, zu der er wiederum kommen muss. Dort werden wir die offenen Fragen abarbeiten.
Wie hat de Maizière sich heute präsentiert?
Er schiebt die gesamte Verantwortung auf andere. Er wurde nicht informiert, er ist für nichts verantwortlich. Da muss man fragen: Was ist das für ein Ministerium, wo der Minister nicht informiert wird? Warum wird über solche Großprojekte in der Leitungsrunde des Ministeriums nicht gesprochen?
Für Sie sind die Vorwürfe nach der heutigen Sitzung stärker geworden, nicht schwächer?
Nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses sieht die Unionsfraktion den Verteidigungsminister entlastet. "Thomas de Maizière hat die Hintergründe zum Projekt Euro Hawk gründlich untersucht und das Parlament voll umfänglich und überzeugend informiert", sagte der CDU-Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck. "De Maizière ist heute keine Antwort schuldig geblieben und hat deutlich Führungsstärke gezeigt." Die Grünen äußerten sich ähnlich wie SPD-Verteidigungsexperte Arnold hier im Interview: "Zwar hat der Minister heute Fehler eingeräumt, aber nur die Fehler der anderen, seiner Mitarbeiter", so das grüne Ausschussmitglied Omid Nouripour. Inge Höger von der Linkspartei sagte, es werde nicht reichen, "ein Bauernopfer zu bringen".
Die Vorwürfe sind in der Tat stärker geworden, weil er überhaupt nichts einsieht. Er ist der Meinung, das Verbraten von 662 Millionen sei ein normaler Vorgang, und es sei auch normal, dass das Parlament bei Schwierigkeiten nicht informiert wird. Das ist absolut falsch. Bei allen anderen Großvorhaben, die ins Stocken geraten sind, war das anders: Hubschrauber, Eurofighter, A 400 M, Korvette, Fregatte - wir wurden immer informiert. Nur beim "Euro Hawk" nicht, im Gegenteil: Wir wurden sogar hinters Licht geführt. Dringende Fragen der Opposition hat er nicht beantwortet.
Nehmen Sie de Maizière denn ab, dass er erst im Mai über die Probleme informiert wurde?
Das hat er so nicht behauptet. Er hat gesagt, er sei zu Beginn des Jahres 2012 schriftlich von Staatssekretär Beemelmans informiert worden. Aber wenn er damals informiert wurde, warum reist er dann ein paar Wochen später zum Nato-Gipfel nach Chicago und verspricht dem Bündnis für die Anschaffung des "Global Hawk", der amerikanischen Vorlage für den "Euro Hawk", weitere 82 Millionen Euro? Warum forderte er monatelang den Kauf einer Kampfdrohne von amerikanischen Firmen, wo er doch wusste, dass die nicht zulassungsfähig sind?
De Maizière hat gesagt, eine Entscheidungsfindung auf der Ebene der Staatssekretäre entspricht "einer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten". Das sei zwar nicht in Ordnung, aber das sei eben so.
Ich beobachte Verteidigungsminister schon seit 15 Jahren. Bei Problemen sind alle zum Staatssekretär oder zum Generalinspekteur gegangen und haben nachgehakt. Man muss sich das mal vorstellen: Der Minister trifft sich mit EADS-Chef Tom Enders, um über Rüstungsvorhaben zu sprechen, und hat keinen Sprechzettel dabei? Das ist doch nicht glaubhaft. Es gibt nur drei Möglichkeiten: Es stimmt nicht, dass er nichts gewusst hat, er wollte ganz bewusst nichts wissen oder er hat sein Ministerium nicht im Griff.
Die Beschreibung des Verteidigungsministeriums als Ressort, dass von keinem Minister erfolgreich kontrolliert werden kann, würden Sie aber nicht teilen?
Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein Vertrag abgeschlossen und dem Parlament vorgelegt wird und dann in den Folgejahren elf Änderungsverträge gemacht werden, die zusammen 120 Millionen Euro kosten. Nur von einem einzigen Änderungsvertrag im Volumen von 40 Millionen hat der Bundestag erfahren. Die anderen Mittel wurden ausgegeben, ohne den Bundestag damit zu befassen. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidungen bewusst so kleingliedrig getroffen wurden, damit der Bundestag nicht informiert werden muss. Ob das rechtens ist, werden wir prüfen.
Was könnte das Motiv sein? EADS zu fördern?
Das wissen wir noch nicht. Richtig ist: EADS ist der lachende Gewinner. Sie haben das Geld für ihr System erhalten, sie müssen Konkurrenz aus den USA nicht mehr fürchten. Sie rechnen mit Geldern für einen eigenen einen Entwicklungsauftrag. Die haben gewonnen.
Wie kann ein Minister noch mit einem Ministerium zusammenarbeiten, das er als Sündenbock benutzt hat?
Ich bin der Auffassung, dass de Mazière keine Führungsqualität gezeigt hat, die ein Vorbild für die Soldaten ist. Wie will man so eine Bundeswehrreform umsetzen, die bei der Truppe für größte Unzufriedenheit sorgt?
Den Rücktritt des Ministers fordern Sie aber nicht. Sehen Sie eine Perspektive, dass das noch passiert?
Ja.
Mit Rainer Arnold sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de