Politik

NSU-Prozess gerät ins Stocken Was schlägt Zschäpe auf den Magen?

Ohne Angeklagte kein Prozess: Zschäpes Ausfall legt die Verhandlung lahm.

Ohne Angeklagte kein Prozess: Zschäpes Ausfall legt die Verhandlung lahm.

(Foto: dpa)

Zwei Tage lang beherrscht nun schon eine rätselhafte Übelkeit der Hauptangeklagten Zschäpe den NSU-Prozess. Noch immer ist unklar, was Zschäpe derart schockiert. Geht es um Briefe an Gesinnungsgenossen, die jetzt öffentlich werden?

Der Vorsitzende Richter kommt allein, ohne Robe. Und Manfred Götzl überbringt nur diese eine, kurze Nachricht: dass der NSU-Prozess an diesem Tag komplett ausfällt - wegen einer Erkrankung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Ein Schreiben der Ärztin der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim werde gleich verteilt. Und Schluss.

Die anderen vier Angeklagten, die Bundesanwaltschaft, die Verteidiger und Nebenklagevertreter, Medien und Besucher - sie alle verlassen den Gerichtssaal diesmal gänzlich unverrichteter Dinge. Nach dem Dienstag fällt damit bereits der zweite Verhandlungstag in Folge ins Wasser.

Am Dienstag, exakt ein Jahr nach Prozessbeginn, hatte Zschäpe nach gut einer halben Stunde über Übelkeit geklagt und den Gerichtssaal verlassen. Seither wurde sie dort nicht mehr gesehen.

Briefe gingen an Robin S.

Nun ist das Rätselraten groß: Warum wurde Zschäpe am Dienstag so übel? Welche Nachricht schockierte sie derart, dass sie auch am Mittwoch noch nicht wieder am Prozess teilnehmen konnte? Denn Zschäpe hatte im Gespräch mit dem Gerichtsarzt selbst gesagt, dass der Grund für die Übelkeit eine Nachricht gewesen sei, die sie am Dienstag vor Sitzungsbeginn erhalten habe. Details nannte sie nicht.

Der Arzt sah jedenfalls keine Anhaltspunkte für einen Infekt. Ist es ein Todesfall, der Zschäpe derart aus der Bahn geworfen hat? Nein, das nicht - das zumindest macht im Münchner Oberlandesgericht die Runde. Stattdessen spekulieren Prozessbeteiligte, ob ein Beschluss des Senats, der erst am Dienstagabend bekannt, aber schon am Montag verschickt wurde, Zschäpe schockiert hat: dass nämlich das Gericht möglicherweise drei ihrer Briefe an ihren inhaftierten Gesinnungsgenossen Robin S. in Nordrhein-Westfalen beschlagnahmen will.

Darunter ist auch ein neues, bisher unbekanntes Schreiben von Mitte April. Hintergrund ist, dass das Gericht eventuell ein vergleichendes Sprachgutachten erstellen lassen möchte, um eine mögliche Co-Autorenschaft Zschäpes an einem NSU-Manifest zu klären. Ob es zwischen dem Gerichtsbeschluss und der Übelkeit Zschäpes einen Zusammenhang gibt, ist unklar.

Plauderte Zschäpe Belastendes aus?

Fakt aber ist: Erfreut dürfte die 39-Jährige über die angedrohte Beschlagnahme sicherlich nicht sein. Und das aus zwei Gründen: Zum einen würde es sie im Prozess belasten, falls ein Sprachgutachter sie als Co-Autorin des NSU-Dokuments ausmacht - das Papier zeugt von der rassistischen Ideologie des NSU.

Zum anderen hatte sie in einem der Briefe, die schon zu den Akten genommen sind, einmal geschrieben, sie bekomme "eine Gänsehaut" bei der Vorstellung, dass die Schreiben öffentlich ausgebreitet werden. Genau das ist einmal bereits passiert: Ein Dutzende Seiten langes Schreiben mit teils sehr intimen Zeilen wurde bereits im vergangenen Jahr bekannt.

Zschäpe hat deshalb sicher nicht das geringste Interesse, dass dies auch mit weiteren Briefen geschieht. Zudem: Wer wisse schon, was in dem neuen Brief vom 12. April stehe, den das Gericht möglicherweise ebenfalls einkassieren will, so wird am Rande des Gerichtssaals gemunkelt. Für Zschäpe Belastendes? Andererseits weiß sie ja genau, dass ihre Briefe allesamt genau kontrolliert werden.

Bisher hat Zschäpe nicht simuliert

Also hat sie doch Angst vor dem Sprachgutachten? Ein Vermerk einer Expertin des Bundeskriminalamts, den das Gericht vorab erbeten hatte und der vorliegt, müsste sie da eigentlich beruhigen. Darin heißt es, es sei nicht grundsätzlich auszuschließen, dass mit einem Textvergleich Aussagen über eine mögliche Co-Autorenschaft Zschäpes an dem NSU-Manifest getroffen werden könnten. Andererseits listet die Expertin in dem Vermerk zahlreiche Probleme auf, die einen solchen Vergleich erheblich erschwerten.

Ist Zschäpe also schlicht bei dem Gedanken übel geworden, weitere Schreiben an ihren Brieffreund könnten öffentlich werden? Oder ist sie wirklich und nachweislich erkrankt? Die Stadelheimer JVA-Ärztin berichtet von einem "Verdacht auf beginnenden Infekt mit unklarer Kreislaufreaktion". Einige Testergebnisse stünden zwar noch aus - Zschäpe sei aber jedenfalls verhandlungsunfähig.

Und das halten selbst Nebenklage-Anwälte Zschäpe zugute: dass sie in den vergangenen 110 Verhandlungstagen noch nie den Eindruck erweckte, als würde sie tricksen oder eine Krankheit vorschützen. Am Dienstag hatte eine Anwältin vor Gericht sogar ausdrücklich darum gebeten, Zschäpe Zeit zur Erholung zu geben: "Dann ist es jetzt, wie es ist."

Quelle: ntv.de, Christoph Trost, dpa

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