Gysis Abschieds-Worte "Was weiß ich?"
02.08.2002, 01:11 UhrGregor Gysi (PDS) hat zwei Tage nach seinem Rücktritt von allen politischen Ämtern ausführlich Stellung zu seinen Beweggründen genommen. Ausschlag gebend dafür, sowohl sein Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus als auch sein Amt als Wirtschaftssenator der Hauptstadt aufzugeben, sei ausschließlich seine Verwicklung in die Freiflug-Affäre gewesen, erklärte Gysi.
"Diesen Fehler konnte ich mir nicht erlauben", sagte der PDS-Politiker. Dabei müsse er sich den Fehler ganz allein und nicht etwa der "Bild"-Zeitung anlasten. Gleichwohl sei offensichtlich, dass das Blatt mit seiner Berichterstattung eine "gezielte Kampagne" gegen bestimmte Politiker betreibe.
Spekulationen, eigentlicher Grund für seinen Rückzug seien neue Stasi-Vorwürfe oder Amtsmüdigkeit gewesen, wies er kategorisch zurück. Der Rücktritt auf Grund der Freiflug-Affäre sei sicherlich nicht seine "Traumvariante" eines politischen Ausscheidens gewesen, erklärte Gysi.
Endgültiger Rückzug?
"Da gab es eine entscheidende Imageverletzung, die mich innerlich beeinträchtigt hat", führte Gysi aus. Er kündigte an, seine mit Bonusmeilen privat gebuchten Flüge zu Preisen von heute an die Staatskasse zu zahlen. Eine Rückkehr in die Politik schloss er nicht defintiv aus. "Ich denke, es ist vorbei", sagte Gysi, fügte jedoch hinzu, "aber was weiß ich, was in drei Jahren ist?"
Trotz seines Rücktritts halte er die Chancen für den Wiedereinzug der PDS in den Bundestag für gut, sagte Gysi. Er werde die vereinbarten Termine im Wahlkampf wahrnehmen. Seine Beteiligung solle jedoch "angemessen" und nicht übermäßig ausfallen.
Der PDS-Politiker hatte einräumen müssen, bei der Lufthansa dienstlich erworbene Bonusmeilen privat genutzt zu haben. Daraufhin hatte Gysi am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt erklärt.
Gysi-Nachfolger gesucht
Die Berliner PDS sucht unterdessen nach einem Nachfolger für Gysi. Ihre Fraktion setzte dafür am Donnerstagabend eine Findungskommission ein. Ihr gehören Fraktionschef Harald Wolf, seine Stellvertreterin Carola Freundl, PDS-Landeschef Stefan Liebich und seine Stellvertreterin Annegret Gabelin an.
Einen Zeitrahmen bis wann der Nachfolger benannt wird, gab Liebich vor der Presse nicht an. Namen wurden in der Sitzung noch nicht genannt oder beraten, sagte Wolf. Die PDS werde jedoch beweisen, dass sie das Wirtschaftsressort schnell und kompetent wiederbesetzen könne.
Sowohl die PDS als auch der Berliner Senat sehen nach Gysis Rücktritt keine Gefahr für die rot-rote Koalition in der Hauptstadt. Durch eine individuelle Entscheidung werde die Koalition nicht in die Krise gestürzt, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit am Donnerstag nach einer Sondersitzung des Senats.
Quelle: ntv.de