Versöhnung oder Rache Was will Hillary Clinton?
20.08.2008, 08:51 UhrWie eine Verliererin sieht Hillary Clinton nicht aus. Im Gegenteil: Je näher der Parteitag der Demokraten rückt, desto selbstbewusster gibt sie sich. Noch vor ein paar Wochen war das Gesicht der einstigen First Lady von den Enttäuschungen und Strapazen des Vorwahlkampfes gezeichnet, heute strahlt sie wieder. Selbst ihr Lachen klingt hell und triumphierend wie einst. Es ist das Lachen einer Frau, die ihre Macht genau kennt: Senkt sie den Daumen, hat Barack Obama bei der Präsidentenwahl am 4. November keine Chance. Beim Parteitag in Denver im US-Bundesstaat Colorado kommt ihr - und Ehemann Bill - eine Schlüsselrolle zu. Ganz Amerika rätselt: Was will Hillary Clinton wirklich: echte Versöhnung oder späte Rache?
Nach außen hin versucht die 60-Jährige jeden Zweifel an ihrer Loyalität zum Kandidaten Obama zu zerstreuen: "Wir sind auf getrennten Wegen gestartet, doch jetzt sind wir auf einer Spur." Das klingt ganz nach getreuer Helferin und braver Parteisoldatin. So übernimmt Hillary Clinton sogar vereinzelt Wahlkampfeinsätze für Obama. "Ich tue alles, was ich tun kann", sagt sie.
Schadenfreude der Clintons
Doch Insider unter US-Journalisten berichten immer wieder, dass das Ehepaar Clinton Zweifel an Obama streut. "Yes, She Can", titelte die "New York Times" jüngst in Anlehnung an den Obama-Slogan, was so viel bedeuten sollte wie: Ja, sie kann Obama die Tour vermasseln. "Was immer die Clintons für unehrliche Worte der Unterstützung aufbringen, ihr eigentlicher Schrei wird immer lauter: Er kann nicht gewinnen! Wir haben es Euch gleich gesagt." Die Gefühlslage der Clintons beschreibt das Blatt mit einem Wort, das es im Englischen gar nicht gibt - mit dem deutschen Wort Schadenfreude.
Tatsächlich ist Hillary Clinton tief gefallen: Zunächst schien ihr die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin so gut wie sicher, in Umfragen lag sie um Meilen vorn. Schon einmal hatte das Ehepaar acht Jahre lang im Weißen Haus gelebt, mit der Rückkehr wäre ein Traum in Erfüllung gegangen, eine neue Dynastie in den USA wäre geboren, die "Clinton-Dynastie". Doch dann wurde der Traum zerstört - von einem schwarzen Senator, auf den zuvor niemand gesetzt hatte.
Doch die "Eiserne Lady" weiß um ihre Macht. Immer wieder bringt sie die "18 Millionen Wähler und Wählerinnen" ins Spiel, die ihr bei den Primaries die Stimme gegeben haben. Erstmals in der Geschichte der USA habe eine Frau echte Chancen auf das Präsidentenamt gehabt, sagt sie. Zehntausende begeisterte Anhänger hätten ihr dabei geholfen. "Das lässt sich nicht so einfach abstellen", meint die Geschlagene.
Clinton-Fans frustriert
Bereits während des Vorwahlkampfes gab es Umfragen, wonach 20 Prozent der Clinton-Anhänger damit drohten, nicht für Obama stimmen zu wollen. Einige meinten sogar, lieber für den Republikaner John McCain zu stimmen. Das sind die Stimmen, die Obama den Sieg kosten können, in der demokratischen Partei läuten die Alarmglocken. Die Frustration im Heer der weiblichen Clinton-Anhänger ist derart groß, dass viele verlangten, ihr Name müsse bei der Nominierung in Denver mit zur Wahl stehen - die Zerrissenheit der Demokraten könnte so geradezu ins Rampenlicht gestellt werden.
Statt den Wunsch ihrer Fans abzublocken, goss Clinton Öl ins Feuer. Ihre Anhänger müssten "das Gefühl haben, dass ihre Stimmen gehört und ihre Ansichten respektiert werden". Um die Gemüter zu beruhigen, räumt die Parteiführung Clinton einen großen Auftritt am zweiten Tag des Parteikonvents ein, einen Abend später hat Ehemann Bill seine große Stunde - ob die Lage damit tatsächlich entschärft werden kann, ist fraglich. Manche fürchten Proteste frustrierter Clinton-Fans.
"Hillary will den Demokraten zeigen, dass sie den falschen Retter erwählt haben", kommentierte die "New York Times" bissig. Sie fühle keinerlei Schuld, wenn sie Obama in Denver zumindest zeitweise die Show stehle - und damit die Chancen McCains erhöhe. Ohnehin habe sie die Ex-First-Lady schon ganz andere Ziele im Auge - sie denke bereits an die Präsidentenwahl 2012.
Quelle: ntv.de, Peer Meinert, dpa