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Noch viele Fragen offen Was wir über den Angriff in Moskau wissen

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Die Rettungskräfte vermuten weitere Opfer unter den Trümmern.

Die Rettungskräfte vermuten weitere Opfer unter den Trümmern.

(Foto: picture alliance/dpa/Investigative Committee of Russia/AP)

In einer Konzerthalle nahe Moskau eröffnen mehrere Angreifer das Feuer. Es gibt viele Tote und Verletzte. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben elf Verdächtige festgenommen. Ermittelt wird wegen Terrors. Doch es sind noch viele Fragen weiter offen.

Was wir wissen:

Tatort und Zeitpunkt:

Der Anschlag ereignete sich in Krasnogorsk im Nordwesten von Moskau in dem beliebten Veranstaltungszentrum Crocus City Hall. Dort gibt es auch eine Konzerthalle mit mehr als 6000 Plätzen, wo am Freitagabend die russische Band Piknik auftreten sollte - vor ausverkauftem Haus. Kurz vor 20 Uhr Ortszeit (18 Uhr MEZ) fuhr dort laut Augenzeugen ein weißes Auto vor, aus dem bewaffnete Männer ausstiegen und das Feuer auf Wachpersonal und Besucher eröffneten. Nach Angaben eines Journalisten der Nachrichtenagentur Ria Nowosti kamen die Angreifer in Tarnkleidung ins Parkett des Konzertsaals, eröffneten dann das Feuer und warfen "eine Granate oder eine Brandbombe, wodurch ein Brand entstand". Die Anwesenden seien "während 15 bis 20 Minuten" auf dem Boden liegen geblieben, um sich vor den Schüssen zu schützen, und seien dann aus dem Saal gekrochen.

Die mutmaßlichen Täter:

Die vier direkt beteiligten mutmaßlichen Schützen sollen sich keine halbe Stunde in der Crocus City Hall aufgehalten haben. In der Konzerthalle schossen sie laut Augenzeugen wahllos auf Konzertbesucher und legten dort Feuer mit Benzin, das sie im Rucksack hatten. Danach konnten die Täter in dem Auto, mit dem sie den Augenzeugen zufolge gekommen waren, fliehen. Das Auto wurde dann nach offiziellen Angaben gestoppt, in dem Wagen lagen demnach Waffen und tadschikische Pässe. Insgesamt spricht der russische Inlandsgeheimdienst von elf Festgenommenen.

Behörden und Sicherheitsmaßnahmen:

Einsatzkräfte sperrten die Crocus City Hall wegen der Spurensicherung ab. In der russischen Hauptstadt und im Moskauer Umland wurden alle Großveranstaltungen abgesagt. Theater, Kinos und Museen blieben über das Wochenende geschlossen. Auch der Rote Platz in Moskau war abgesperrt. In der ganzen Stadt gab es ein verstärktes Aufgebot von Uniformierten. Zu Hunderten folgten Menschen Behördenaufrufen, für die vielen Verletzten Blut zu spenden.

Reaktion von Putin:

Präsident Wladimir Putin meldete sich erst am heutigen Samstagnachmittag mit einer Videoansprache zu Wort. Er verurteilte den Terroranschlag und setzte für Sonntag einen nationalen Trauertag in Russland an. Putin hatte in dieser Woche bei einer Rede vor dem FSB jüngste Warnungen der USA und anderer Staaten vor einem bevorstehenden Terroranschlag in den Wind geschlagen. Solche Provokationen nutze der Westen, um die Lage in Russland zu destabilisieren, behauptete er. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, wenn die USA Fakten hätten, sollten sie diese präsentieren.

Das Bekennerschreiben:

Bekannt hat sich zu dem Anschlag die Terrormiliz Islamischer Staat, den Russland in Syrien bekämpft. Experten halten eine entsprechende Mitteilung auch für echt. Am heutigen Samstag veröffentlichte der IS zudem ein verpixeltes Foto der angeblichen Attentäter. Die Kämpfer hätten bewaffnet mit Sturmgewehren, Pistolen und Bomben Russland einen "schweren Schlag" versetzt, hieß es in der Mitteilung. Der Angriff habe "Tausenden Christen in einer Musikhalle" gegolten.

Was wir nicht wissen

Tote und Verletzte:

Unklar ist, wie viele Tote und Verletzte es genau gibt, weil die Beseitigung der Trümmer nach einem Großbrand in der Konzerthalle andauert. Zudem gibt es so viele Schwerverletzte, dass die Behörden davon ausgehen, nicht alle Leben retten zu können. Gefunden wurden etwa auch die Leichen von Frauen, die sich auf einer Toilette vor den Schüssen zunächst in Sicherheit gebracht hatten. Sie starben wohl an einer Rauchvergiftung.

Bis zum Samstagmittag stieg die Zahl der Todesopfer nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees auf 133. Es wurde aber weiter in den Trümmern nach möglichen Opfern gesucht. Die Feuerwehr habe etwa 100 Menschen in Sicherheit bringen können, die sich im Untergeschoss des Konzertsaals befunden hatten, berichtete die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das russische Notfallministerium. Demnach konnten auch die Mitglieder der Rockband Piknik sowie Menschen vom Dach des Gebäudes evakuiert werden.

Die Schützen:

In den Staatsmedien und sozialen Netzwerken gibt es mehrere Videos und Fotos, auf denen die mutmaßlichen Täter zu sehen sein sollen - und auch befragt werden zu ihrer Person. Die Echtheit der Videos konnte jedoch zunächst nicht überprüft werden. Nicht gesichert sind auch Berichte, wonach es sich um Staatsbürger der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan handeln soll. Die Pässe könnten gefälscht sein. Tadschikistan, das an Afghanistan grenzt, ist bekannt als ein Rückzugsort islamistischer Terroristen.

Russische Zweifel an Bekennerschreiben:

Die russischen Ermittler äußerten sich zunächst nicht zu dem Bekennerschreiben des IS, in russischen Medien war auch teils von einem angeblichen "Fake" die Rede. Russische Propagandisten behaupteten hingegeben, dass hinter dem Anschlag die Ukraine stecken soll. Auch Putin behauptete, dass es eine ukrainische Spur geben soll. Beweise dafür legten sie nicht vor. Die Ukraine, gegen die Russland seit mehr als zwei Jahren einen brutalen Angriffskrieg führt, wies die Gerüchte über eine Beteiligung deutlich zurück.

Die Folgen:

Es dürfte sich um einen der schwersten Terroranschläge handeln seit dem Schulmassaker von Beslan 2004. Zu erwarten ist, dass - wie immer nach solchen Angriffen - die ohnehin massiven Sicherheitsvorkehrungen in Russland noch einmal drastisch verschärft werden. Die Behörden werden sich Fragen gefallen lassen müssen, warum sie trotz immer wieder behaupteter Erfolge bei der Fahndung nach Terroristen diesmal so breit versagt haben.

Quelle: ntv.de, jki/dpa/AFP

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