Politik

Dresden hat Zeit bis Oktober Welterbe-Titel bleibt - vorerst

Die UNESCO hat für den Erhalt des Dresdner Elbtals als Weltkulturerbe eine befristete letzte Chance gegeben. Das Welterbe-Komitee beschloss am Montag in Christchurch in Neuseeland, den Titel abzuerkennen, falls Deutschland die dort geplante vierspurige Brücke nicht aufgibt. Bis zum 1. Oktober muss ein Alternativplan vorgelegt werden. Vorerst bleibt das Elbtal auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbe-Stätten. Mit scharfer Kritik reagierte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) auf das Votum: "Die Nachricht aus Neuseeland kommt einer Erpressung nahe." Er forderte das Komitee auf, sein "Ultimatum" aufzuheben. Dagegen verlangte der Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestages, Hans-Joachim Otto (FDP), von Sachsen Kompromissbereitschaft.

Die UN-Organisation für Erziehung und Kultur (UNESCO) hatte die 20 Kilometer lange Flusslandschaft 2004 auf die Liste der Welterbe- Stätten aufgenommen. Wegen des geplanten Brückenbaus, der das Panorama verschandeln würde, kam das Elbtal auf die Rote Liste. Eine Aberkennung des Status wäre ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der UNESCO.

"Das Welterbe-Komitee (...) akzeptiert, dass die Landschaft auf der Welterbe-Liste bleibt, wenn die derzeitigen Pläne für eine Brücke durch eine Lösung ersetzt werden, die den außergewöhnlichen und universellen Wert der Kulturlandschaft respektiert. Andernfalls wird Dresden von der Liste gestrichen", teilte das Komitee mit. Deutschland muss der Expertengruppe ECOMOS, die das Komitee berät, eine alternative Verkehrsplanung vorlegen. Die Experten formulieren dann eine Empfehlung, über die das Komitee bei seiner Sitzung im nächsten Sommer in Kanada entscheidet.

Milbradt warf dem Gremium vor, es habe "die demokratische Willensbildung, ein in den Statuten der Organisation besonders hoch gewichtetes Kriterium, komplett außer Acht gelassen". Damit bezog er sich auf den Bürgerentscheid von 2005, bei der sich eine Mehrheit der Dresdner für den Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke ausgesprochen hatte. Er forderte das Komitee auf, die Sache zu vertagen und den Brückenbau abzuwarten. "Wenn die Brücke fertig ist, mögen die Mitglieder des Komitees nach Dresden kommen, um sich hier ihr eigenes Bild zu machen", sagte Milbradt der Staatskanzlei zufolge. Die Arbeiten für das 160-Millionen-Euro-Projekt sollen frühestens Ende Juli beginnen.

Der Bundeskulturpolitiker Otto ging auf Gegenkurs. "Sollte die Landesregierung ... weiterhin blockieren, muss die Bundesregierung tätig werden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa in Dresden. Die Bundesregierung sei verpflichtet, Sachsen an die völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands zu erinnern. "Diese Geisterfahrt der sächsischen Landesregierung muss beendet werden", sagte Otto. Sachsen sei das einzige Bundesland, das sich mit Ratifizierung der Welterbe- Konvention durch Deutschland dieser nicht verpflichtet fühle. Vielleicht müsse sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Milbradt daran erinnern, dass der Freistaat Teil der Bundesrepublik sei.

Auch die SPD-Vertreter in der großen Koalition in Sachsen plädierten für Kompromissbereitschaft. Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) erklärten, es müsse gelingen, den Bürgerwillen zu erfüllen und den Welterbetitel zu erhalten. Jetzt gehe es darum, statt blindem Aktionismus beim übereilten Baustart vor allem politische Klugheit zu beweisen, sagte Stange, künftige Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz.

Die 21 Ländervertreter in dem Welterbe-Komitee waren offenbar von der Möglichkeit eines Tunnels angetan. Dresdens amtierender Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) hält eine Tunnellösung wegen des Planfeststellungsbeschlusses und des Bürgerentscheids nicht für realisierbar. Er sieht in dem Beschluss der UNESCO aber eine Chance zur Neubewertung der Situation. Es sollte gemeinsam mit Stadtrat und Freistaat überlegt werden, ob man diese nutzen wolle oder nicht, sagte Vogel dem Radiosender MDR Figaro.

Der Deutsche Kulturrat begrüßte den Zeitaufschub und kritisierte zugleich den Bundestag. Der Streit mit der UNESCO um die Welterbe- Liste hätte vermieden werden können, wenn das Parlament rechtzeitig ein Ausführungs- und Begleitgesetz zum UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kulturerbes beschlossen hätte, meinte der Spitzenverband der Bundeskulturverbände in Berlin.

Quelle: ntv.de

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