Es geht um Milliarden Wen und Merkel auf Schmusekurs
27.06.2011, 22:22 Uhr
Wen mit Merkel: "strategische Partnerschaft"?
(Foto: dapd)
Noch nie ist ein chinesischer Ministerpräsident mit einer so großen Regierungsdelegation nach Deutschland gekommen wie Wen. Erstmals treffen sich die Kabinette der beiden Länder. Der deutschen Wirtschaft winken Milliardenaufträge. Die Frage der Menschenrechte schwingt leise mit.
Deutschland und China schlagen ein neues Kapitel in ihren diplomatischen Beziehungen auf: Mit einer großen Wirtschaftsdelegation traf der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao zu den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin ein. Bei den zweitägigen Gesprächen soll es nach dem Willen der Bundesregierung auch um das Thema Menschenrechte gehen. In welcher Form, ist offen.
Zum Auftakt des Treffens gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Abendessen in kleinem Kreis für Wen. Dabei gab es nach Angaben aus Regierungskreisen bereits ein informelles Gespräch zu internationalen Themen, darunter zur Lage in Nordkorea, Afghanistan, Pakistan, Nordafrika und im Iran. Am Dienstag wollen die Regierungschefs dann über Wirtschaftsthemen und die wirtschaftlichen Beziehungen der EU zu China beraten. Aus gut unterrichteten Kreisen heißt es, dass Deutschland in Kürze Milliardenaufträge aus dem boomenden Riesenreich winken. Darunter sind angeblich Großprojekte von Airbus, Daimler, Volkswagen und BASF.
China wird allerdings zunächst noch mehr als 300 Millionen Euro deutsche Entwicklungshilfe erhalten. Dabei handelt es sich nach Angaben des Entwicklungsministeriums um Restzahlungen für 51 Projekte. Neue Zusagen an China gibt es seit 2010 nicht mehr. Union und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen Stopp der Mittel für die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt geeinigt.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte an, auch die Menschenrechte ansprechen zu wollen. Die Beziehungen zwischen Peking und Berlin seien mittlerweile "so tief und so tragfähig", dass auch Meinungsunterschiede ausgetragen werden könnten, sagte er. Erst am Sonntag hatte Peking den bekannten Bürgerrechtler Hu Jia freigelassen. Wenige Tage zuvor war der renommierte Künstler Ai Weiwei unter Auflagen freigekommen.
Wohl eng verbunden
"Wir suchen einen kritischen Austausch mit China", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Deutschland wolle die Volksrepublik auf dem Weg zu einer offenen pluralistischen Gesellschaft begleiten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte, die Regierungskonsultationen müssten sich vorrangig mit den Menschenrechten befassen. Die Freilassung Ais zeige, dass "politischer Druck auf die chinesische Regierung wirkt".
Zu den Wirtschaftsbeziehungen mit China sagte Westerwelle, er sehe im Handel mit China eine "enorme Chance auch für die deutsche Wirtschaft". Wichtig sei dabei, dass geistiges Eigentum geschützt werde. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erklärte, er sehe im Wachstum des chinesischen Markts "enorme Chancen" für deutsche Unternehmen.
Peking veröffentlichte indes mit einem Weißbuch über die Beziehungen zu Deutschland erstmals eine Regierungsbilanz über ein einzelnes europäisches Land. Es lobt darin den Austausch mit der Bundesrepublik als umfangreicher als mit jedem anderen Land, wie "Die Welt" berichtete. Seit dem Besuch von Kanzlerin Merkel im Juli 2010 sieht sich China demnach in einer "strategischen Partnerschaft" mit Deutschland verbunden.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP