Politik

Autobahngebühr sorgt für Diskussionen Wenn Maut, dann für alle

In anderen europäischen Ländern ist die Maut längst üblich.

In anderen europäischen Ländern ist die Maut längst üblich.

(Foto: dpa)

Die Pkw-Maut sorgt für Stimmung im Wahlkampf. Horst Seehofer möchte sie nur für Ausländer einführen, doch das wird mit der EU kaum zu machen sein. Doch viele Experten sind für die Autobahngebühr. Und nicht nur wegen der sprudelnden Einnahmen.

Mit seinem Vorstoß zur Pkw-Maut nur für Ausländer hat sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Aufmerksamkeit mitten im Sommerloch gesichert. Seit Jahren wird die Maut diskutiert, zumal sie im europäischen Ausland längst üblich ist. Doch die Maut ist ein heikles Thema in der Autonation Deutschland. Viele Deutsche wollen, dass die Autobahn kostenlos bleibt, zumal die Autofahrer ja schon an anderer Stelle reichlich zur Kasse gebeten werden, siehe Mineralölsteuer.

Dass der Seehofer-Vorschlag eher der Kategorie "Wahlkampfgetöse" zuzuordnen ist, dafür sprechen massive rechtliche Bedenken, wie eine EU-Sprecherin betont. "Die Nichtdiskriminierung wegen der Nationalität ist ein grundlegendes Prinzip des EU-Rechts. Man darf weder bei Mautgebühren noch irgendwo sonst diskriminieren", sagte sie.

Zum anderen wäre der Ertrag eher gering. Wie der Verkehrsexperte Bernhard Wieland von der Technischen Universität Dresden im Gespräch mit n-tv.de sagte, sei nach einer gerade durchgeführten Schätzung mit etwa 700 Millionen Euro Ertrag zu rechnen, wenn nur ausländische Autofahrer zur Kasse gebeten würden. Der ADAC schätzt den Ertrag deutlich geringer ein. Der Automobilklub geht von gerade einmal 225 Millionen Euro aus. Zum Vergleich: Der Etat des Bundesverkehrsministeriums sieht für die Jahre 2011 bis 2015 rund 44 Milliarden Euro vor.

Ein Viertel Betriebskosten

Doch mit seinem Vorschlag bringt Seehofer unweigerlich auch die "normale" Pkw-Maut für alle Autofahrer auf deutschen Autobahnen wieder ins Gespräch. Wie viel eine Maut für alle Autofahrer einbringen würde, lässt sich nur schwer schätzen. Legt man eine Gebühr von 100 Euro für ein Jahr zugrunde, könnten angesichts 43,4 Millionen in Deutschland zugelassener Autos etwa 4,3 Milliarden Euro in die Kasse kommen – sofern alle Autos auch auf Autobahnen fahren werden. Laut Wieland muss man davon allerdings die Betriebskosten wieder abziehen. Eine Vignettenlösung würde nur geringe Kosten verursachen - wenn die Maut wie bei derzeit schon bei den Lkw elektronisch eingezogen wird, lägen diese bei 25 Prozent der Einnahmen.

Übrig blieben also gut 3,2 Milliarden Euro. Aber auch diese Summe dürfte weiter schrumpfen, da die Autofahrer an anderer Stelle entlastet würden. "Man könnte die Mineralölsteuer senken", sagt Wieland. Wie groß die Entlastung wäre, kann aber letztlich nur ein klar formulierter Gesetzentwurf zeigen.

Dennoch hätte es Vorteile, wenn das Geld für den Straßenbau nicht aus Steuermitteln, sondern aus einer Maut käme. Die Autos verbrauchen immer weniger Benzin und das geht langfristig zu Lasten der Einnahmen aus der Steuer – Einnahmen aus der Maut wären hingegen stabil. Daher fordert auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Pkw-Maut. "Wenn man diese Einnahmelücke schließen will, sollte man über die Pkw-Maut nachdenken", wird die Expertin Dominika Kalinowska in einer Mitteilung des Instituts zitiert. Das DIW spricht sich gar für eine Maut auf allen Straßen aus – ähnlich wie der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD). Andernfalls käme es zwangsläufig zur "Mautflucht" auf Bundes- und andere Straßen, schreibt der VCD in einem Positionspapier.

Für Wieland hätte die Maut noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Die Mittel könnten zweckgebunden für den Bau von Straßen und deren Instandhaltung eingesetzt werden. Steuern dürfen hingegen gar nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gekoppelt werden. Dass ein Teil der Einnahmen aus der Mineralölsteuer tatsächlich im Straßenbau landet, ist also nicht garantiert.

Verkehrsströme über den Preis beeinflussen

So wie jetzt Seehofer (l.) hat auch schon Ramsauer im Juli eine Pkw-Maut nur für Ausländer gefordert.

So wie jetzt Seehofer (l.) hat auch schon Ramsauer im Juli eine Pkw-Maut nur für Ausländer gefordert.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Einnahmen sind allerdings nicht das einzige Argument für die Maut. Wieland führt außerdem die Lenkungsfunktion ins Feld. Denn über den Preis der Straßennutzung lässt sich beeinflussen, wie viele Autos wann und wo unterwegs sind. Wer die Fahrzeuge auf den Straßen besser verteilt, kann möglicherweise auf den aufwändigen Ausbau ganzer Autobahnabschnitte verzichten – auch so schont man das Budget. Dafür dürften die Tarife jedoch nicht starr sein. Wenn viele Autofahrer auf der Straße sind, würde der Preis demnach steigen, andererseits wäre es nachts – wenn weniger Autos fahren – günstiger. Daher hält Wieland wenig von einer Maut mit Pauschalpreis. "Eine Vignette hat so gut wie keine Lenkungsfunktion." Sie könne höchstens als Einstiegsmaßnahme sinnvoll sein.

Die Abrechnung solcher flexiblen Tarife wäre allerdings ungleich aufwendiger als der einfache Vignettenverkauf. "Man könnte auf das Lkw-Maut-System zurückgreifen", schlägt Wieland vor. Per "Toll Collect" wird seit 2005 die Autobahngebühr eingesammelt. Das System wäre also bereits vorhanden, wenn es auch "erheblich aufgerüstet" werden müsste. Uwe Kunert vom DIW äußert im Gespräch mit n-tv.de Bedenken: "Wir haben in Deutschland einige hunderttausend Lkw und über 40 Millionen Autos", sagt er. Dementsprechend bewege sich die Pkw-Maut in ganz anderen Dimensionen. Man könne allenfalls konstatieren, dass die Industrie bereits Erfahrungen in dem Bereich gesammelt habe.

Lkw-Gewerbe rüstete um

Das Lkw-Mautsystem "Toll Collect" ist nur bedingt auf Autos übertragbar.

Das Lkw-Mautsystem "Toll Collect" ist nur bedingt auf Autos übertragbar.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Die Lenkungsfunktion ließe sich allerdings noch ausbauen. So erzählt Wieland von einem Highway im US-Bundesstaat Kalifornien, auf dem die Autofahrer die Wahl zwischen einer kostenpflichtigen und einer kostenlosen Fahrspur haben. Auf der Schnellstraße SR 91 bei Los Angeles kann der eilige und solvente Fahrer dann im besten Fall einfach am Stau über die kostenpflichtige Strecke vorbeifahren, während die Gratis-Nutzer nur im Schneckentempo vorankommen. Ein solches Modell zeigt, was möglich ist, lässt sich aber nur mit großem baulichen Aufwand auf deutsche Autobahnen übertragen. Etwaige kostenpflichtige Fahrbahnen müssten klar abgetrennt sein oder gar neu gebaut werden. Dies wäre allerdings nur erforderlich, wenn die Autofahrer eine Wahlmöglichkeit zwischen bemauteten und nicht-bemauteten Strecken haben sollen. Ansonsten sei eine differenzierte Maut natürlich auch ohne solche Kapazitätserweiterung machbar.

Wie DIW-Experte Kunert sagt, gibt es zudem eine umweltpolitische Lenkungsfunktion. So orientieren sich die Mautsätze bei den Lkw an deren Schadstoffausstoß. "Dort hat das funktioniert", sagt Kunert. Das Speditionsgewerbe habe auf modernere Abgastechnik umgerüstet, um Kosten zu sparen.

Die Frage ist auch, inwiefern verschiedene nationale Regelungen innerhalb der EU Sinn haben. "Die EU will ein einheitliches System", sagt Wieland. Doch er ist skeptisch. "Wenn es ein Monopol gibt, besteht immer die Gefahr, dass der Kunde benachteiligt wird." Er spricht sich für einen Wettbewerb der Systeme in Europa aus – so wie es ihn derzeit bereits gibt. So könne man am besten herausfinden, welches System am besten funktioniert.

Wer zahlt wieviel?

Wenn die Bürger in die eigene Tasche greifen sollen, stellt sich immer die Frage nach der Gerechtigkeit. Diejenigen, die wenig haben, wären besonders betroffen. "Der Gefahr, dass einkommensschwache Schichten von der Maut nachteilig betroffen werden, müßte durch korrigierende steuerliche Maßnahmen ausgeglichen werden.", sagt er. Das DIW schlägt daher einen Ausgleich über die Einkommenssteuer vor – ähnlich wie bei der Pendlerpauschale. "Die Zweckgebundenheit der Mittel würde die Akzeptanz beim Bürger vermutlich fördern", glaubt Wieland.

Die Frage "Maut oder nicht?" trifft die Emotionen der Autonation Deutschland. Politiker müssen fürchten, vom Wähler abgestraft zu werden, wenn sie dieses heiße Eisen anpacken. So lehnt auch der ADAC die Pkw-Maut entschieden ab, wie der Automobilklub im vergangenen Jahr noch einmal bekräftigte. Doch ohne Maut würde der Verkehr unkontrolliert anwachsen, es gäbe immer mehr Staus, der Etat des Verkehrsministeriums würde immer stärker belastet.

Wieland kann sich vorstellen, dass es in der nächsten Legislaturperiode zumindest eine Vignette geben wird. Im vergangenen Jahr hatte Verkehrsminister Ramsauer für die Gebühr geworben, die Pläne dann aber auf nach der Wahl verschoben. Die Maut ist für ihn sogar nur eine "Frage der Zeit". Insofern stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Tage der gebührenfreien Autobahn in Deutschland gezählt sind - und an Seehofers Vorstoß doch ein wenig mehr dran ist, als pures Wahlkampfgetöse.

Quelle: ntv.de

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