Politik

Montag droht der Lieferstopp Wenn Moskau den Gashahn abdreht

Die Hälfte der russischen Gasexporte in die EU fließt durch die Ukraine.

Die Hälfte der russischen Gasexporte in die EU fließt durch die Ukraine.

(Foto: REUTERS)

Vordergründig ist es ein Zwist zwischen Russland und der Ukraine um einen angemessenen Gaspreis. Wenn Moskau wirklich die Lieferungen an Kiew einstellt, betrifft das aber auch den Rest Europas - Deutschland inklusive. Gibt es Grund zur Sorge?

Viel Zeit bleibt nicht. Russland und die Ukraine streiten sich um unbezahlte Gasrechnungen und einen angemessenen Preis für künfige Lieferungen. Wenn sie sich nicht bis zu diesem Freitag einigen, will Moskau auf Vorauszahlungen pochen. Das kommt einem Lieferstopp an das größte Transitland Europas gleich. Was bedeutet das für die Menschen in Deutschland? Müssen sie nächste Woche kalt duschen? Oder ihr Essen auf dem Elektrokocher aufwärmen?

Oettinger soll's richten: Der EU-Energiekommissar versucht Kiew und Moskau zu einem Kompromiss zu drängen.

Oettinger soll's richten: Der EU-Energiekommissar versucht Kiew und Moskau zu einem Kompromiss zu drängen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Europa ist in höchstem Maß von russischem Gas abhängig. Daran gibt es keinen Zweifel. Die EU-Staaten beziehen einen Viertel ihrer Lieferungen vom russischen Gasmonopolisten Gazprom. Und davon fließt wiederum jeder zweite Kubikmeter durch die Ukraine. Als Moskau 2009 wegen eines Handelsstreits schon einmal die Lieferungen an Kiew drosselte, bekamen das einige EU-Staaten mit besonders großer Abhängigkeit von Russland durchaus zu spüren. In Deutschland machte sich der Lieferstopp allerdings nicht bemerkbar. Und so dürfte es auch dieses mal sein. Eine akute Not in der Bundesrepublik würde auch ein vollständiger Boykott Kiews nicht auslösen.

Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) lagert die Bundesrepublik ein Viertel seines Jahresbedarfs in Gasspeichern. Und diese Speicher sind nach dem milden Winter zu rund 70 Prozent voll. Zudem kann Deutschland dank der Nordstream-Pipeline Gas unter anderem vom russischen Feld Juschno-Russkoje durch die Ostsee direkt beziehen. Für ein paar Monate ist die Versorgung deutscher Haushalte und der deutschen Industrie damit gesichert.

Mittelfristig dürfte es allerdings immer schwieriger werden, ausbleibende Lieferungen aus der Ukraine abzufangen. Vor allem wenn es nicht nur um die Gasversorgung Deutschlands, sondern der gesamten EU geht.

Kiew pocht auf Rabatte, Moskau auf Verträge

EU-Kommission und die G7-Staaten bereiten deshalb schon einen grundlegenden Umbau ihrer Energieversorgung vor, denn seit Russland die Krim besetzt hat, traut man dem Reich von Wladimir Putin nahezu alles zu. Immer mehr Terminals für Flüssiggas (LNG) sollen entstehen. Damit könnten Staaten wie Deutschland Lieferungen aus den USA, Katar und anderen potenziellen Lieferanten per Schiff erhalten. Die Gasspeicher in den Mitgliedsstaaten sollen ausgebaut werden. Zudem sollen mehr Pipelines entstehen. Auch mehr Schiefergas-Förderung (Fracking) ist vorgesehen. Das große Schlagwort heißt: Diversifizierung. Die Regierungschefs, Außen- und Energieminister der EU-Staaten diskutieren zudem hitzig über eine sogenannte Energieunion, einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt, womöglich gar mit einer Agentur, die Zentral die Rohstoffeinkäufe für alle Mitgliedsstaaten übernimmt. Einzelne Länder, so zumindest die Hoffnung, wären dann nicht mehr erpressbar.

Doch während der Westen sich einerseits für einen Gaskrieg mit Russland wappnet, muss er zugleich darauf hoffen, dass Moskau und Kiew ihren Streit schnell beilegen. Allen noch so ambitionierten Umbaupläne zum Trotz - kurzfristig kann sich die EU nicht aus der Abhängigkeit Russlands lösen. Flüssiggas ist noch extrem teuer, der Bau von Terminals dauert und Pläne wie die Energieunion, die stark in die Autonomie der Mitgliedstaaten eingreifen, lassen sich nicht von heute auf morgen von Brüssel aus diktieren.

Energiekommissar Günther Oettinger tritt deshalb als Chefvermittler im Gasdisput auf. Eine schwierige Mission. Die Ukraine hat rund 10 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland bezogen, ohne zu bezahlen. Moskau pocht nun auf seine Schulden in Höhe von 5,2 Milliarden US-Dollar (3,8 Milliarden Euro). Kiew sträubt sich wiederum diese Schuld zu begleichen, weil Moskau dem osteuropäischen Staat aus politischen Grünen Rabatte auf Gas gestrichen hat.

2009 hatten die beiden Staaten einen Preis von 485 Dollar für 1000 Kubikmeter ausgehandelt. Als der frühere moskautreue Präsident Viktor Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU ablehnte, forderte Gazprom nur noch 268 Dollar. Nach dem Sturz Janukowitschs und dem Bruch mit Moskau forderte der Gasriese dann überraschend wieder den vollen Preis. Kiew pocht daher darauf, die Erstattung der Schulden an neue Rabatte zu knüpfen. Moskau wollte darauf bisher nicht eingehen.

Oettingers Kompromissvorschlag: Kiew soll eine erste Anzahlung in Höhe von zwei Milliarden Euro zusichern. An diesem Freitag sollen die beiden Staaten dann neue Preise aushandeln - teils auch rückwirkend. Besonders darauf will sich Moskau allerdings nicht einlassen. Vertrag ist Vertrag.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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