Die Schlacht beginnt Wer beerbt Beckstein?
01.10.2008, 19:08 UhrIn der CSU ist nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Günther Beckstein ein beispielloser Machtkampf um dessen Nachfolge ausgebrochen. Insgesamt vier Bewerber meldeten ihre Ambitionen an: Der designierte CSU-Chef Horst Seehofer will als Reservekandidat antreten, wenn sich seine drei Konkurrenten aus der bayerischen Landespolitik nicht einigen können. Anspruch auf das Amt des Regierungschefs haben auch Innenminister Joachim Herrmann, Landtagsfraktionschef Georg Schmid und Wissenschaftsminister Thomas Goppel erhoben. Die Entscheidung soll bis zur nächsten Fraktionssitzung am Mittwoch kommender Woche fallen. Zuvor war parteiintern auch noch Europaminister Markus Söder am Beckstein-Nachfolger gehandelt worden. Davon war später keine Rede mehr.
Nachdem am Dienstag zunächst Parteichef Erwin Huber seinen Rückzug angekündigt hatte, hielt auch Beckstein dem Druck des oberbayerischen CSU-Bezirksverbands nicht mehr stand. Die Spitze des größten und mächtigsten Bezirksverbands hatte ihn nach der verheerenden Wahlniederlage ultimativ aufgefordert, schnell zurückzutreten. In der Nacht zum Mittwoch forderten auch die niederbayerischen CSU-Landtagsabgeordneten Beckstein zum Abdanken auf. Er spüre, dass der Rückhalt in der Partei "insgesamt nicht groß genug" sei, um als Ministerpräsident die bevorstehenden schwierigen Aufgaben erfolgreich bestehen zu können, sagte Beckstein in seiner kurzen Ankündigung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm den Rücktritt Becksteins "mit Respekt" zur Kenntnis. "Ich habe sehr gut und intensiv mit Günther Beckstein zusammengearbeitet", sagte sie am Rande eines Termins in Brandenburg. Beckstein habe sich immer für die Interessen Bayerns eingesetzt.
Hauen und Stechen vorprogrammiert
Die zehn CSU-Bezirksverbände wollen sich in den kommenden Tagen auf ihre jeweiligen Favoriten festlegen. Bisher hat nach Einschätzung aus der Fraktion keiner der vier möglichen Kandidaten eine Mehrheit hinter sich.
Die Auseinandersetzungen der vergangenen Tage haben tiefe Gräben in der Partei aufgerissen. Der Druck auf Beckstein kam hauptsächlich aus Oberbayern, der Heimat des 2007 von Beckstein und Huber gestürzten Edmund Stoiber. Der "CSU-Ehrenspielführer" hat sich aktiv in die Auseinandersetzungen eingeschaltet und ließ nach der Sitzung eine Präferenz für Seehofer durchblicken. Es sei "eine strategische Frage", ob man mit einer starken Person an der Spitze besser für das Wahljahr 2009 aufgestellt sei. Viele fränkische Abgeordnete waren gegen einen Sturz Becksteins.
Seehofer als Lückenbüßer
Seehofer respektiere den Vorrang der Bewerber aus der Landtagsfraktion, sagte Huber. Der Bundeslandwirtschaftsminister sagte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung: "Ich bin bereit, das Ministerpräsidenten-Amt zu übernehmen, wenn es sonst niemanden gibt, der eine breite Mehrheit hinter sich versammelt."
Herrmann von sich überzeugt
Innenminister Herrmann zeigte sich überzeugt, eine Mehrheit organisieren zu können. "Sonst würde ich nicht antreten", sagte er nach dem Ende der knapp fünfstündigen Aussprache. "Ich bin überzeugt, dass eine Doppelspitze besser ist für die weitere Entwicklung der CSU." In der Partei herrscht die Hoffnung, dass die CSU ihre Geschlossenheit wiederfindet, sobald der Machtkampf beendet ist und sich die Basis um eine neue Spitze scharen kann. Die CSU sei in einer "sehr ernsten Situation", sagte Huber. Landtagsfraktionschef Schmid - einer der Bewerber - sagte: "Wir sind der Meinung, dass man bei einer so wichtigen Entscheidung für die Fraktion, für die Partei, für dieses Land keine Ad-hoc-Entscheidung treffen soll."
Alles noch heil in der CSU
Zwischenzeitlich war auch Europaminister Markus Söder als Bewerber im Gespräch. "Für mich ist es jetzt zu früh", sagte er aber. Oberstes Ziel müsse sein, die Kräfte zu bündeln. Viele Abgeordnete erwarten nicht, dass alle Bewerber bis zum kommenden Mittwoch durchhalten. "Ich bin nicht sicher, ob nächste Woche auch noch vier Kandidaten übrig sind", sagte der Niederbayer Helmut Brunner. Die Aussprache verlief nach Teilnehmerangaben zwar aufgeregt, aber sachlich. "Es sind keine Scherben zerbrochen", kommentierte Stoiber anschließend.
Kein Rückhalt mehr
Trotz gegenteiliger Beteuerungen hatte Beckstein am Mittag seinen Rücktritt angekündigt. Das Vertrauen der Wähler sei leider deutlich niedriger, als er erhofft habe, sagte der 64-Jährige. Nach der schmerzlichen Wahlniederlage spüre er, dass der Rückhalt in der Partei nicht groß genug sei.
Noch kurz vor Beginn der Fraktionssitzung hatte sich Beckstein mit dem engsten Führungszirkel beraten. Dazu gehörten Huber, Seehofer, Fraktionschef Schmid und dessen Stellvertreter. Zur Fraktionssitzung war auch Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber gekommen, obwohl er dem neuen Landtag nicht angehört.
Zeitdruck für Regierungsbildung
Beckstein betonte in seiner Rücktrittserklärung: "Für meine Partei kommt es jetzt entscheidend darauf an, die richtigen inhaltlichen und weiteren personellen Weichenstellungen zu treffen, damit die CSU weiter erfolgreich Politik für die Menschen in Bayern gestalten kann. Da sind wir allesamt gefordert." Die CSU braucht nach mehr als 40 Jahren Alleinregierung künftig einen Koalitionspartner. Als wahrscheinlichster Partner gilt die FDP. Die CSU muss unter hohem Zeitdruck Verhandlungen führen - der Ministerpräsident muss laut Verfassung spätestens am 27. Oktober im Landtag gewählt werden. Beckstein hatte angekündigt, noch in dieser Woche Sondierungsgespräche mit der FDP und den Freien Wählern zu führen.
Quelle: ntv.de