Gabriel gegen Slomka Wer hat Recht?
29.11.2013, 15:08 Uhr
Slomka sorgt bei SPD-Chef-Gabriel für Stirnrunzeln.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit Kritik am Mitgliederentscheid seiner Partei lässt sich SPD-Chef Gabriel vor laufender Kamera provozieren. Er tut die Vorwürfe als "Quatsch" ab und sorgt für einen Eklat. Doch auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ertönt angesichts der Kritik am Votum der Sozialdemokraten Spott.
Ein Fernsehauftritt von Sigmar Gabriel entfacht eine Debatte: Im "Heute-Journal" des ZDF bezeichnet der SPD-Chef den Vorwurf, das Mitgliedervotum seiner Partei sei "verfassungsrechtlich bedenklich" als "Quatsch". Der Urheber der Kritik fühlt sich bestätigt. Im Interview mit n-tv.de sagt der Staatsrechtler Christoph Degenhart: "Ich habe einen wunden Punkt getroffen." Aber hat er das wirklich?
Laut Degenhart geht die Mitgliederbefragung "verdammt in Richtung imperatives Mandat". Gemeint ist, dass das Votum der Sozialdemokraten einen unverhältnismäßig großen Druck auf die Bundestagsabgeordneten ausübt. Die sollen eigentlich allein ihrem Gewissen verpflichtet im Dezember für oder gegen eine schwarz-rote Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel stimmen. Mit dieser Einschätzung steht er in der Wissenschaftsgemeinschaft allerdings äußerst einsam da.
"Sorry, das war ein Satz mit X"
Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas spottet auf Twitter: Degenhart "findet bestimmt auch Parteien doof". Über die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka, die Gabriel mit der Kritik Degenharts konfrontiert hatte, schreibt er: "Solche Interviews mit diesen Zwischentönen erzeugen Politikverdrossenheit und Verachtung." Und fügt hinzu: "Sorry, Heute-Journal, das war ein Satz mit x."
Der Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Joachim Wieland, sagte dem "Handelsblatt" schon vor Tagen, verfassungsrechtlich gehe alles mit rechten Dingen zu: "Die Mitgliederbefragung der SPD ist rechtlich nämlich ebenso unverbindlich wie Entscheidungen von Parteigremien über Regierungskoalitionen." Eine Einschränkung des freien Mandats gebe es daher nicht.
Der Staats- und Verwaltungsrechtler Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin sagte: "In welchem Verfahren eine Partei sich verbindlich festlegt, bleibt im Rahmen insbesondere des Parteiengesetzes ihr überlassen." Der Mitgliederentscheid der SPD sei daher nicht problematischer als zum Beispiel der Vorstands-Entscheid einer Partei.
Gabriels politische Zukunft steht auf dem Spiel
Experten stützen damit genau die Argumentation, die auch SPD-Chef Gabriel in dem Fernsehauftritt mehrmals vorbrachte. Moderatorin Slomka wollte in dem Gespräch nicht locker lassen und wiederholte in wechselnder Wortwahl mindestens drei Mal die immerselbe Frage: Ist es nicht verfassungswidrig, dass nach der Bundestagswahl 470.000 SPD Mitglieder privilegiert sind und über eine schwarz-rote Koalition entscheiden dürfen?
Dass Gabriel gereizt reagierte, verwundert kaum, aber nicht nur deswegen: Die SPD-Basis darf vom 6. bis zum 12. Dezember per Briefwahl über den Koalitionsvertrag abstimmen. Doch damit stimmen sie wohl auch über die politische Karriere ihres Parteichefs ab. Es war Gabriel, der das Mitgliedervotum, ein Novum in der Geschichte der Bundespolitik, überhaupt erst auf den Weg brachte.
Vor diesem Hintergrund zeigt selbst sein Kritiker Degenhart Verständnis für die schroffe Wortwahl. n-tv.de sagte er: "Ich nehme es ihm nicht übel, er ist in einer schwierigen Situation." Etlichen Experten zufolge ist er darüber hinaus aber auch im Recht.
Quelle: ntv.de