Politik

Verjüngungskur für Karlsruhe Wer sind die Neuen?

Das Bundesverfassungsgericht bekommt drei neue Richter: Einen Innenminister, der in Thüringen schwer zu ersetzen sein wird, eine Feministin, die zunächst skeptisch beäugt wurde, und eine Richterin vom BHG, die als Überraschungskandidatin galt.

Susanne Baer, Peter Huber, Monika Hermanns (v.l.).

Susanne Baer, Peter Huber, Monika Hermanns (v.l.).

(Foto: dpa)

Der Wahlausschuss des Bundestages hat drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Der Thüringer Innenminister Peter Michael Huber, die Richterin am Bundesgerichtshof, Monika Hermanns, und die Berliner Rechtsprofessorin Susanne Baer wechseln nach der Entscheidung der zwölf Abgeordneten demnächst ans höchste deutsche Gericht.

Peter Huber: Jurist mit politischen Ambitionen

Peter Huber ist CDU-Politiker, jedoch auch Mitglied der CSU.

Peter Huber ist CDU-Politiker, jedoch auch Mitglied der CSU.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vor einem Jahr wäre für Peter Huber mit der Berufung sicher ein Traum in Erfüllung gegangen: Richter am Bundesverfassungsgericht. Doch inzwischen ist der Staatsrechtler aus München selbst ins politische Geschäft eingestiegen. Seit zwölf Monaten führt er das Innenministerium der schwarz-roten Koalition in Thüringen und genießt die Macht. Deshalb hat der 51-Jährige lange überlegt, ob er jetzt zur Prüfinstanz wechseln soll. Seine erste Reaktion klang fast schicksalsergeben: "Ich gehe dahin, wo mich das Vaterland hinstellt."

Hubers Ambitionen, von Erfurt aus auch die Berliner Bühne zu bespielen, waren unübersehbar. Eines seiner Lieblingsthemen war dabei Europa, das seiner Ansicht nach bislang von allen Bundesregierungen sträflich vernachlässigt wurde. "Die Enthaltung bei Wahlen heißt in Brüssel bereits 'german vote' (deutsche Wahl)", sagt er verärgert. "Das ist blamabel."

Aber Huber fuchste sich auch in regionale Themen ein und brachte zum Beispiel eine Polizeireform auf den Weg. Damit ist er im Kabinett von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ein Schwergewicht, das sich nicht leicht ersetzen lässt.

Bei der Wahl zum Verfassungsrichter kann Huber wohl mit einer breiten Zustimmung rechnen. In Thüringen hat er sich nicht nur die Achtung des Koalitionspartners SPD erarbeitet, sondern auch den Respekt der Opposition aus Linken, Grünen und FDP. Sie würdigen seinen sachlichen Stil, auch wenn er immer wieder ins Dozieren kommt und sich oft auf rein juristische Argumente zurückzieht.

Der Rechtsprofessor ist kein Parteisoldat, sondern vertritt etwa beim Thema direkte Demokratie auch liberale Positionen. Damit macht er sich in den eigenen Reihen nicht immer Freude. Aber meist kann er seine Widersacher mit einigen rechtlichen Ausführungen überzeugen - oder wenigstens zum Schweigen bringen.

Huber ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seine Familie wohnt noch in München, wo der Jurist 2002 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität übernahm.

Monika Hermanns: Zivilrichterin mit Politikerfahrung

Monika Hermanns kandidiert auf dem Ticket der SPD.

Monika Hermanns kandidiert auf dem Ticket der SPD.

(Foto: dpa)

Monika Hermanns ist die Überraschung unter den voraussichtlichen neuen Richtern des Bundesverfassungsgerichts. In den öffentlichen Spekulationen über die Neubesetzungen spielte die 51-Jährige zunächst keine Rolle.

Hermanns, im niedersächsischen Thuine geboren, absolvierte den größten Teil ihrer juristischen Laufbahn im Saarland, meist im Wechsel zwischen Justiz und Landesregierung: Zunächst war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am renommierten Institut für Europäisches Recht der Universität Saarbrücken tätig. 1990 wurde Hermanns Richterin und ließ sich an das saarländische Justizministerium abordnen. Dort leitete sie die Pressestelle und war persönliche Referentin des Justizministers Arno Walter (SPD).

Nach einer Richterstelle beim Landgericht arbeitete Hermanns 1995 bis 1997 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesgerichtshof. Nach einer erneuten Station im Justizministerium wurde sie Abteilungsleiterin Recht und Koordination in der Staatskanzlei des Saarlandes. 1999 wechselte sie dann als Richterin an das Saarländische Oberlandesgericht.

Der Sprung an den Bundesgerichtshof folgte 2004. Dort war sie als Mitglied des achten Zivilsenats unter anderem für das Kaufrecht, das Wohnraummietrecht und Leasingrecht zuständig. Als BGH-Richterin gehörte Hermanns zum natürlichen Kreis der Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht: Pro Senat müssen drei Verfassungsrichter zuvor an einem obersten Gerichtshof des Bundes tätig gewesen sein. Das Bundesjustizministerium führt ständig eine Liste mit geeigneten Kandidaten an den Bundesgerichten.

Nach Angaben von Mitgliedern des Wahlausschusses gab es hierbei ein Tauschgeschäft: Eigentlich hätte die CDU/CSU einen Bundesrichter vorschlagen müssen, sie wollte aber lieber Peter Huber wählen. Die SPD, die dank einer vorausschauenden Personalpolitik über geeignete Kandidaten an den Bundesgerichten verfügt, schlug daraufhin Monika Hermanns vor.

Susanne Baer: Selbstironische Feministin

Susanne Baer wurde von den Grünen vorgeschlagen.

Susanne Baer wurde von den Grünen vorgeschlagen.

(Foto: dpa)

Susanne Baer, 46 Jahre alte Professorin aus Berlin, hat eine steile wissenschaftliche Karriere gemacht: Nach Studium, Referendariat und einer kurzen Station in der Berliner Verwaltung ging sie für ein Jahr in die USA, anschließend schrieb sie ihre Doktorarbeit, unterstützt von einem Stipendium der gewerkschaftsnahen Hans Böckler-Stiftung.

Das Thema der mit Bestnote bewerteten Dissertation deutet bereits einen Schwerpunkt ihrer weiteren Arbeit an: "Würde oder Gleichheit", lautet der Titel. Es geht um das Recht gegen Diskriminierung am Beispiel sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Anschließend arbeitete Baer als wissenschaftliche Assistentin an der Berliner Humboldt-Universität und habilitierte sich mit einer Schrift über die Stellung des Bürgers im Verwaltungsrecht. 2002 wurde sie Professorin für "Öffentliches Recht und Geschlechterstudien" in Berlin.

Baer, die privat mit einer Ärztin verpartnert ist, befasst sich intensiv mit Fragen des Gleichstellungsrechts und des sogenannten "Gender Mainstreaming". Damit sollen die Folgen staatlicher Handlungen und Regeln auf die Situation von Männern und Frauen im Voraus untersucht und abgeschätzt werden. Hierzu erstellte Baer Gutachten für verschiedene Bundesministerien.

Studierende und Mitarbeiter beschreiben Baer als fachlich brillant. Sie sei sehr strukturiert, präzise in ihren Analysen und ihrer Kritik. Zuletzt fiel sie beim Deutschen Juristentag in Berlin als schlagfertige, kluge und stellenweise auch selbstironische Diskutantin auf.

Dabei betonte sie: "Frauen treffen an sich nicht klügere Entscheidungen als Männer." In Vorständen und Aufsichtsräten sei es jedoch von Vorteil, wenn die Gremien gemischt besetzt sind: Themen würden aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, Entscheidungen würden deshalb besser. "Firmen mit hoher Diversität haben in der Finanzkrise weniger Verluste gemacht", sagte Baer. Einen kurzen Moment bremste sie sich selbst: "Feminismus gegen die Finanzkrise" - über den Gedanken musste sie dann doch schmunzeln.

Quelle: ntv.de, dpa

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