Vorwahlkampf in den USA Wer sollte Clinton jetzt noch stoppen?
22.10.2015, 11:49 Uhr
Kämpft vor allem gegen ihre Vergangenheit: Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton.
(Foto: REUTERS)
Hillary Clinton möchte 2016 zur Präsidentin der USA gewählt werden. Konkurrenz hat sie nun kaum noch. Doch sie könnte sich selbst besiegen – an diesem Donnerstag vor dem Parlament.
Der Weg scheint nun frei zu sein. Ohne die Kandidatur des Vizepräsidenten Joe Biden hat Ex-Außenministerin Hillary Clinton im Vorwahlkampf beste Chancen, Kandidatin der Demokraten zu werden. Und gleichzeitig verläuft der Vorwahlkampf auf der Gegenseite chaotisch. Wenn die Republikaner einen der Kandidaten nominieren, der derzeit im Gespräch ist, wird bei vielen ein ungutes Gefühl bleiben. Donald Trump und Ben Carson haben beide praktisch keine politische Erfahrung. Das Format von Clinton hätte zum Beispiel Jeb Bush. Doch den wünschen sich derzeit gerade einmal 7 Prozent der Republikaner.
Clintons hat nun also etwas Zeit, sich zu sammeln und ihre ohnehin schon gut vorbereitete Kampagne weiter auszubauen. Im Februar beginnen die Vorwahlen und der einzige halbwegs ernstzunehmende Gegenkandidat wird Bernie Sanders sein. Ein Shootingstar zwar, aber doch noch immer auf Distanz, was die Umfragewerte angeht und meilenweit hinter Clinton, was die Fähigkeit angeht, Spenden zu sammeln. Außerdem war Sanders der direkten Konfrontation bislang nicht gewachsen: Nach der ersten TV-Debatte sanken seine Umfragewerte, die von Clinton stiegen. Die ehemalige First Lady, so sieht es derzeit aus, kann den Vorwahlkampf ohne echte Konkurrenz überstehen, während sich bei den Republikanern ihre möglichen Kontrahenten gegenseitig aufreiben.
Clinton profitiert davon, dass Biden sich einer Kandidatur derzeit nicht gewachsen sieht. Der Vizepräsident lässt keinen Zweifel daran, dass er gerne Präsident geworden wäre. Bei seiner kurzen Rede am Mittwoch zeichnete er die Umrisse für die Politik, die das Weiße Haus in den nächsten Jahren angehen müsse: mehr kostenlose Bildung, eine zurückhaltende Verteidigungspolitik, eine gleichere Gesellschaft, Forschungen in der Krebstherapie. Biden hält sich für den richtigen Mann, diese Aufgaben, begonnen von Barack Obama, fortzusetzen. Der Grund, warum Biden dennoch nicht antritt, ist die Trauer um seinen Sohn, der vor einem halben Jahr starb. Er könne nicht gleichzeitig trauern und kandidieren.
Clinton rief direkt bei Biden an und bezeichnete ihn als "großartigen Vizepräsidenten". Sie hofft darauf, dass Biden an ihrer Kampagne teilnimmt. Doch das ist nicht sicher. Zwar haben beide ein professionelles Verhältnis miteinander. Leiden können sie sich dennoch nicht. Jahrelang sahen sie sich als Rivalen auf das Amt des Präsidenten. Auf seinem Totenbett sprach Bidens Sohn Beau dem Vater ins Gewissen, Clinton müsse als Präsidentin verhindert werden. Biden sagt nun, dass er im Wahlkampf nicht Ruhe geben werde, auch wenn er selbst nicht kandidiere. Das könnte bedeuten, dass er sich die Unterstützung Clintons zumindest teuer abkaufen lassen möchte – ihr Programm also nach seinen Vorstellungen umgestalten will.
Zwei Probleme für Clinton
Die Gefahr für Clintons Kandidatur kommt aber aus einer ganz anderen Richtung. Schon an diesem Donnerstag muss sie vor dem Repräsentantenhaus aussagen. Es geht um die den Anschlag von Bengasi am 11. und 12. September 2012. Damals griffen Terroristen das US-Konsulat in der libyschen Stadt an und töteten den Botschafter sowie drei weitere US-Bürger. Clinton war damals Außenministerin. Die Republikaner werfen ihr vor, damals die Gefahr durch Islamisten ignoriert zu haben. Außerdem soll die die Bedeutung des Anschlags heruntergespielt haben.
Wie die Untersuchung ausgeht, scheint schon festzustehen: Die Republikaner werden bei ihrem Vorwurf bleiben, die Demokraten werden dies als Wahlkampfmanöver abtun. Entscheidend ist, welche Bewertung die Bürger vornehmen – und das dürfte davon abhängen, wie sich Clinton beim Verhör schlägt.
Und noch eine Affäre belastet Clinton: Seit Monaten schafft sie es nicht, die Sache mit dem privaten E-Mail-Server aus den Medien herauszubekommen. Clinton hatte als Außenministerin ihre E-Mails über einen Server empfangen und verschickt, der in ihrem Privathaus stand. Sie sagt, es sei bequemer gewesen, private und dienstliche Mails über diesen Server abzuwickeln. Die Hälfte der Mails habe sie mittlerweile dem Außenministerium übergeben, die andere Hälfte sei privat gewesen, darum habe sie diese Hälfte gelöscht. Die Republikaner werfen ihr vor, etwas verheimlichen zu wollen – vielleicht ja sogar Dinge, die im Zusammenhang mit dem Bengasi-Attentat stehen.
Bengasi und die E-Mails. Das sind derzeit die großen Schwachstellen Clintons. Wenn falsch mit diesen Schwachstellen umgeht, besiegt sie sich selbst, bevor ein Gegenkandidat dazu kommt.
Quelle: ntv.de