Geschenk an 2 Millionen Wähler Wer zahlt die Abwrackprämie?
08.04.2009, 10:33 UhrDie Abwrackprämie ist letztlich vom Steuerzahler über neue Schulden des Bundes zu finanzieren. Das bekräftigten das Bundesfinanzministerium und die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg.
Sowohl das Ministerium als auch die GfK wiesen Berichte aus dem Automobilsektor zurück, wonach die Prämie mindestens zum Teil über erhöhte Mehrwertsteuer-Einnahmen wieder ausgeglichen oder der Staat an der Prämie sogar verdienen würde. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) bekräftigte dagegen die Position, dass ein Großteil dieser vom Staat geförderten Autokonjunktur vom Mehrwertsteuer-Aufkommen finanziert werde.
"Von Möbeln auf Auto"
Wer die 2500 Euro Prämie bei Verschrottung eines mindestens neun Jahre alten Fahrzeuges in Anspruch nehme, kaufe den Neu- oder Jahreswagen entweder ohnehin, sagte Ministeriumssprecher Torsten Albig. "Oder er zieht den sowieso geplanten Autokauf zeitlich vor. Oder er schichtet um von Möbeln auf das Auto." In jedem Fall - und damit auch ohne Prämie - wäre die 19-prozentige Mehrwertsteuer zu zahlen. Der Staat profitiere nicht von der Prämie.
Ähnlich äußerte sich GfK-Marktforscher Rolf Bürkl. "Wer behauptet, dass sich die Prämie selbst finanziert, argumentiert nicht korrekt." Es gebe einen theoretischen Fall der Auswirkung auf erhöhte Mehrwertsteuer-Einnahmen des Staates: Dazu käme es, wenn die Bürger weniger für Nahrungsmittel ausgeben und nun wegen der Prämie sich ein Auto kauften. In diesem Falle würde sich der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent für Lebensmittel entsprechend auf den Normalsatz von 19 Prozent erhöhen. Aber auch diese Wirkung sei für das gesamte Steueraufkommen nur sehr begrenzt.
"Zwiespältige Wirkung"
Bürke nannte die konjunkturelle Wirkung der Prämie "zwiespältig". Die gezielte Subvention helfe der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. Soweit dies die Ausgaben der Konsumenten in anderen Bereichen beeinträchtige, treffe dies andere Branchen. Zugleich würden im Zuge der vermehrten Auto-Verschrottungen kleine Werkstätten empfindlich getroffen, "denen einfach Reparaturen fehlen", sagte Bürke. Hinzu komme der sichtbare Einbruch auf dem Gebrauchtwagenmarkt. "Einstiegsautos für Studenten im Preisbereich von 2000 Euro sind eben immer weniger zu haben."
"Teuerstes Wahlgeschenk der Geschichte"
Die Grünen erneuerten ihre Kritik an der Abwrackprämie. "Das ist das teuerste Wahlgeschenk der Geschichte und dient offenbar nur dazu, das Abwracken der Bundesregierung zu verhindern", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Zuvor hatte die Bundesregierung die umstrittene "Umweltprämie" bis Ende des Wahljahres 2009 verlängert. Ingesamt können zwei Millionen Bürger ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten und mit der Prämie von 2500 Euro einen Teil ihres Neu- oder Jahreswagens finanzieren. Bislang wurden bereits mehr als 1,2 Millionen Anträge gestellt.
Nach dem Kabinettsbeschluss betonte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die von 1,5 auf 5 Milliarden Euro aufgestockte Abwrackprämie zur Ankurbelung des Autoabsatzes werde nicht noch einmal erhöht. Ende des Jahres sei endgültig Schluss, sofern der Topf nicht schon vorher ausgeschöpft sei.
Die Entscheidung der Bundesregierung ist umstritten. Die Vorwürfe gehen von "Strohfeuer" (FDP) über Marktverzerrung (Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer) bis zu mangelhafter Umweltfreundlichkeit der Prämie (Grüne).
Von Abwrack-Ebene zur Absack-Ebene
Es gehe nicht nur einer Branche schlecht, gibt der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, zu bedenken. In seinen Augen ist die Abwrackprämie "ein hervorragendes Wahlprogramm". Aber es bringe "sehr viel Strohfeuer", sagte Ohoven bei n-tv, "aus dem ganz einfachen Grunde: Lassen Sie die Prämie zu Ende sein, dann wird aus einer Abwrack-Ebene eine Absack-Ebene."
Die Ausweitung der Abwrackprämie erhöht die Schuldenlast des Bundes um 4,2 Milliarden Euro. Zu den zusätzlichen 3,5 Milliarden Euro kämen anteilig noch rund 700 Millionen Zinsen hinzu, teilte das Finanzministerium mit. Die 4,2 Milliarden stocken das Sondervermögen, das zur Finanzierung des Konjunkturpaketes geschaffen wurde, von 21 auf 25,2 Milliarden Euro auf. Die Schulden in diesem Schattenhaushalt neben dem ordentlichen Bundesetat sollen vorrangig getilgt werden.
Quelle: ntv.de