Mitchell in Israel Werbung für Waffenruhe
28.01.2009, 18:28 UhrVor dem Hintergrund neuer Luftangriffe hat der neue US-Sondergesandte für den Nahen Osten, George Mitchell, Gespräche mit der israelischen Regierung zur Schaffung einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen aufgenommen. Wie Mitchell nach einem Treffen mit dem amtierenden Regierungschef Ehud Olmert in Jerusalem betonte, gehöre dazu auch "ein Ende aller Kampfhandlungen, der Stopp des Waffenschmuggels und die Wiederöffnung der Grenzübergänge" zum Gazastreifen. Der Nahost-Beauftragte der neuen US-Regierung war zuvor in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak zusammengetroffen.
Die Öffnung des Gazastreifens müsse auf Grundlage eines entsprechenden Abkommens aus dem Jahr 2005 erfolgen, sagte Mitchell. Dieses sieht vor, dass die Grenzen des von der radikalislamischen Hamas beherrschten Gebiets unter Aufsicht der EU von Beamten der Autonomiebehörde des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas kontrolliert werden. Mitchell erinnerte an das Versprechen des neuen US-Präsidenten Barack Obama, sich aktiv für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzen zu wollen, durch die Israel und ein künftiges Palästina "in Frieden und Sicherheit nebeneinander leben können".
"Wir schlagen zurück"
Olmert drängte dem Vernehmen nach bei dem Gespräch mit Mitchell auf eine Rückkehr der palästinensischen Autonomiebehörde in den Gazastreifen. Nach der "siegreichen Operation" Israels in dem Palästinensergebiet müsse die Macht der Hamas eingedämmt werden, damit die Autonomiebehörde dort wieder Fuß fassen könne, zitierte ein ranghoher israelischer Vertreter den Ministerpräsidenten. Als Bedingung für eine Öffnung der Grenzübergänge nannte Olmert demnach erneut die Freilassung des entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit, der sich seit Juni 2006 in der Gewalt der Hamas befindet. Außerdem müssten Raketenangriffe auf Israel, "terroristische Aktivitäten" und Waffenschmuggel unterbleiben. "Wenn die Hamas schießt, schlagen wir zurück", wurde Olmert zitiert.
Mitchell war am Dienstagabend zum Auftakt seiner ersten Nahost- Reise im neuen Amt zunächst in Kairo eingetroffen. Nach Gesprächen mit Präsident Mubarak hob er hervor: "Es ist sehr wichtig, dass die Waffenruhe verlängert und stabilisiert wird." Seinem Gastgeber dankte er für die Vermittlungsbemühungen in dem Konflikt. Israel und die Hamas hatten am 18. Januar nach einer dreiwöchigen israelischen Militäroffensive mit mehr als 1300 Toten auf palästinensischer Seite unabhängig voneinander eine Aussetzung der Kampfhandlungen verkündet.
Waffenruhe bröckelt
Die Waffenruhe erweist sich weiterhin als brüchig: Am frühen Mittwochmorgen bombardierte israelische Kampfflugzeuge Tunnelanlagen bei Rafah im südlichen Gazastreifen. Der Angriff erfolgte als Vergeltung für einen Bombenanschlag militanter Palästinenser, bei dem am Vortag auf der israelischen Seite des Grenzzauns ein Soldat getötet worden war. Durch die nach Ägypten führenden Tunnel bei Rafah schmuggeln Militante Waffen in das Palästinensergebiet, zugleich werden so aber auch dringend benötigte Versorgungsgüter in das seit Monaten von Israel blockierte Palästinensergebiet gebracht.
"Gefängnis ohne Menschenwürde"
Der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, John Holmes, verglich den Gazastreifen nach den israelischen Angriffen mit einem "riesigen Freilicht-Gefängnis ohne Normalität und Menschenwürde". Holmes berichtete dem Weltsicherheitsrat am Dienstagabend (Ortszeit) von seinem Besuch in dem Gebiet in der vergangenen Woche. Der Rat müsse mithelfen, dass alle Grenzübergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen geöffnet werden, forderte Holmes. Derzeit würden die Israelis lediglich 120 Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag in das zerstörte Gebiet lassen. Gebraucht würden aber mindestens 500 pro Tag.
Abbas zog derweil die Friedensbereitschaft Israels in Zweifel. "Wer dermaßen mordet und schlachtet, will keinen Frieden", erklärte Abbas in einem Zeitungsinterview in Anspielung auf die harte israelische Kriegsführung. Dem am Donnerstag in Ramallah erwarteten US-Gesandten Mitchell werde er erklären, dass die Palästinenser "Gerechtigkeit" wollten, fügte er hinzu.
Paris bestellt Botschafter ein
Frankreich bestellte am Mittwoch wegen des Umgangs der israelischen Armee mit einem Diplomatenkonvoi an der Grenze zum Gazastreifen den israelischen Botschafter ein. Die Armee habe am Dienstag zwei Warnschüsse auf den Konvoi mit französischen und anderen EU-Diplomaten abgegeben und die Diplomaten sechs Stunden am Grenzübergang Eres festgehalten, kritisierte das französische Außenministerium.
Sieben Menschenrechtsorganisationen beantragten beim israelischen Generalstaatsanwalt eine Untersuchung wegen menschenunwürdiger Behandlung von Hamas-Mitgliedern während der israelischen Offensive im Gazastreifen.
Quelle: ntv.de