Atomstreit Westen wird ungeduldig
30.10.2009, 20:36 UhrDer Atomstreit mit dem Iran gewinnt an Schärfe: Das Land hat westlichen Diplomaten zufolge noch keine formelle Antwort auf den jüngsten Kompromissvorschlag vorgelegt. Frankreich und die USA mahnen das Land mit scharfen Worten zur Eile. Teheran knüpft derweil die Annahme des Kompromisses an die Erfüllung neuer Bedingungen.
Die "erste Reaktion" der Islamischen Republik auf den Plan der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), iranisches Uran im Ausland anreichern zu lassen, bilde keine Grundlage für Verhandlungen, sagten die Diplomaten. Zugleich warfen sie der iranischen Regierung eine Hinhaltepolitik vor.

Der Iran fordert atomares Brennmaterial für den Forschungsreaktor bei Teheran, sagen westliche Diplomaten.
(Foto: dpa)
Die Islamische Republik fordere, neuen atomaren Brennstoff für ihren Teheraner Reaktor zu erhalten, bevor es Uran im Ausland anreichern würde, sagten die Diplomaten weiter. Dies hielten die wichtigsten westlichen Staaten für inakzeptabel. Laut den Diplomaten, die ihre Identität nicht preisgeben wollten, ist bisher unklar, ob das iranische Angebot ernst gewesen sei oder nur ein weiteres Mittel, um den Verhandlungsprozess mit der UN-Atomenergiebehörde (IAEA) zu verzögern.
Teheran habe am Donnerstag eine "erste Antwort" auf den Schlichtungsvorschlag gegeben, nicht jedoch die "offizielle", meldete die iranische Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf eine "gut informierte Quelle". Der Iran habe lediglich seine positive Einstellung zu dem Kompromiss signalisiert und sich zu "fundierten Verhandlungen" über die "technischen und ökonomischen Erwägungen" bereiterklärt, hieß es. Ihre endgültige Antwort wolle die Islamische Republik nach neuen Beratungen geben.
"Keine andere Möglichkeit als Sanktionen"
Die EU-Staats- und Regierungschefs forderten den Iran zur Annahme des Kompromissvorschlags auf. Fortschritte in dem Konflikt würden einer engeren politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit den Weg bereiten, hieß es in einer Erklärung. Die Staatengemeinschaft rief den Iran auf, sich mit der IAEA über die Verarbeitung seines Urans zu Brennstäben im Ausland zu verständigen. Dies schaffe einerseits Vertrauen und komme andererseits dem Bedarf des Landes nach. Die Frist für eine Antwort auf den Atomvorschlag war bereits am vergangenen Freitag ausgelaufen.

IAEA-Chef ElBaradei wartet weiterhin auf eine iranische Antwort.
(Foto: REUTERS)
Dänemarks Außenminister Per Stig Möller sagte nach dem EU-Gipfel in Brüssel, es gebe keine Alternative zu einer vierten Runde von Sanktionen gegen den Iran, sollte sich das Land bis Jahresende nicht kooperativ zeigen. "Wenn wir ignoriert und belogen werden, sehe ich keine andere Möglichkeit als Sanktionen", sagte er. "Ich hoffe, die Verhandlungen werden uns in eine Situation versetzen, in der der Iran seinen Atomstrom haben kann, aber keine nuklearen Waffen." Die iranische Regierung solle unverzüglich schriftlich eine formelle Antwort auf das IAEA-Angebot abgeben, sagte der französische Außenamtssprecher Bernard Valero.
Obama hat nicht "unbegrenzt Zeit"
"Wir verhandeln nicht zum Spaß, sondern um zu einem Vertrag zu kommen", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Die USA erwarteten eine "detaillierte Antwort". Obama habe jedoch nicht "unbegrenzt Zeit", ergänzte Gibbs. US-Außenministerin Hillary Clinton unterstrich derweil ihre Bereitschaft, im Atomstreit vorerst auf eine diplomatische Lösung zu setzen. Die USA berieten mit der IAEA sowie Staaten wie Frankreich und Russland, wie Klarheit zu schaffen sei. "Daher werde ich diesen Prozess seinen Lauf gehen lassen", sagte sie dem US-Sender CNN.
In Israel löste der Kompromissvorschlag der IAEA Lob aus: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte den von den USA unterstützten Plan einen positiven ersten Schritt bei dem Versuch, die iranischen Bemühungen zum Bau von Atombomben zu stoppen. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak hatte zuvor hingegen kritisiert, mit dem Angebot, iranisches Uran im Ausland anzureichern, legitimiere die internationale Gemeinschaft Teherans Atomprogramm. Die inoffizielle Atommacht Israel hat sich wiederholt besorgt über das iranische Nuklearprogramm geäußert.
Iran fordert Änderungen
Iranische Staatsmedien hatten am Donnerstag gemeldet, dass der Golfstaat grundlegende Änderungen in der zentralen Frage fordert, unter welchen Bedingungen der Iran sein Uran außer Landes bringen soll. Da die Gegenvorschläge den Plan von IAEA-Chef Mohamed ElBaradei in zwei wichtigen Punkten unterlaufen würden, galt eine Zustimmung des Westens als höchst unwahrscheinlich.
Der von ElBaradei vorgelegte Kompromiss sieht vor, dass der Iran bis zum Jahresende 1200 seiner 1500 Kilogramm leicht angereicherten Urans zur weiteren Anreicherung für Forschungszwecke nach Russland und Frankreich liefert. So soll verhindert werden, dass der Iran das Uran selbst anreichert. Die sogenannte Sechser-Gruppe bestehend aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland befürchtet, dass der Iran unter dem Deckmantel eines Kernenergieprogramms heimlich an einer Atombombe arbeitet. Die Regierung in Teheran weist den Vorwurf zurück und pocht auf ihr Recht auf Atomforschung.
Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa/AFP