Politik

"Doppelbelastung unterschätzt" Westerwelle gesteht Fehler ein

Vor dem FDP-Bundesparteitag, auf dem der Nachfolger von Parteichef Westerwelle gewählt wird, zeigt sich der Außenminister ungewohnt selbstkritisch: Er habe die Belastung als Minister und FDP-Chef unterschätzt, sagt er. Dass wichtige Reformen aus wahltaktischen Gründen verschoben wurden, sei ein Fehler gewesen.

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(Foto: dapd)

Der scheidende FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat vor dem Bundesparteitag ab kommenden Freitag eingestanden, die Doppelbelastung durch den Parteivorsitz und sein Ministeramt unterschätzt zu haben. "Ich muss selbstkritisch feststellen, dass ich die Doppelbelastung bei Übernahme des Amtes im Herbst 2009 unterschätzt habe und dass die Arbeit für die Partei teilweise zu kurz gekommen ist", sagte Westerwelle der "Bild am Sonntag". Seine zahlreichen Reisen als Außenminister hätte ihm zu wenig Zeit für die Arbeit in der Partei gelassen.

Endgültig erkannt habe er, dass die beiden Ämter nicht miteinander vereinbar seien, während seiner jüngsten Asien-Reise, sagte Westerwelle. "Während des Solidaritätsbesuchs nach der schrecklichen Naturkatastrophe in Japan wurde eine wichtige Debatte über die Zukunft in meiner Partei geführt, ohne dass ich wirklich eingreifen konnte", so der Minister, der Anfang April nach einer wochenlangen Debatte seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt gegeben hatte.

"Der neuen Führung nicht ins Lenkrad greifen"

Als weiteren Fehler bezeichnete es Westerwelle, Reformvorhaben zugunsten wahltaktischer Überlegungen verzögert zu haben. So hätte die Regierung nach ihrem Amtsantritt 2009 schneller "mit den schwierigen Reformen ans Werk gehen müssen, statt auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2010 Rücksicht zu nehmen". Er erklärte, die neue Parteiführung um Philipp Rösler könne sich auf seine Unterstützung verlassen. Zugleich sagte er, er werde "der neuen Führung nicht ins Lenkrad greifen".

Homburger musste um ihre Wahl als Landeschefin zittern.

Homburger musste um ihre Wahl als Landeschefin zittern.

(Foto: dpa)

Derweil muss FDP-Spitzenpolitikerin Birgit Homburger um ihre politische Zukunft im Bund zittern. Die Bundestagsfraktion berät in Berlin in einer zweitägigen Klausur über ihre Zukunft als Fraktionsvorsitzende. Erst am Samstag hatte Homburger von ihrem Heimat-Landesverband Baden-Württemberg einen herben Denkzettel erhalten: Sie wurde auf einem Sonderparteitag . In der Klausur wollen die liberalen Abgeordneten auch über inhaltliche Korrekturen beraten, um die FDP aus der Krise zu holen. Wichtige Themen sind dabei die Energiepolitik und die Euro-Rettung.

Noch bei seinem letzten Auftritt als Bundesvorsitzender bei seinem FDP-Heimatverband Nordrhein-Westfalen wurde Westerwelle mit Rücktrittsforderungen, Austrittsdrohungen und einem Beifallstreik konfrontiert. "Frühere Erfolge zählen nicht mehr, wenn man sie durch eigenes Fehlverhalten praktisch ruiniert hat", urteilte der Chef der Kreistagsfraktion Rhein-Sieg, Karl-Heinz Lamberty. Westerwelle und Fraktionschefin Homburger müssten gehen, aber der Wirtschaftsminister Rainer Brüderle müsse Parteivize bleiben.

Brüderle wird "Teil des Teams"

Der künftige FDP-Chef Rösler sicherte dem umstrittenen Brüderle eine Führungsrolle zu, und zwar unabhängig davon, ob Brüderle Parteivize bleibe. "Rainer Brüderle wird in jedem Fall Teil des Teams sein", sagte Rösler dem Magazin "Focus". Sein Personaltableau will er am Donnerstag unmittelbar vor dem Parteitag in Rostock präsentieren. "Die FDP hat nur einen Schuss frei, und der muss sitzen." Von Westerwelles Abgang auch als Außenminister hält er Rösler nichts: "Guido Westerwelle ist ein guter Außenminister, und das wird er auch bleiben."

Der nordrhein-westfälische Landeschef Daniel Bahr will in Rostock als Parteivize kandidieren. Aus FDP-Kreisen heißt es, der Rösler-Vertraute werde notfalls gegen Brüderle antreten. "Eine Kampfabstimmung ist im Zweifel in einer Partei des Wettbewerbs nichts Schlimmes", sagte Bahr der "Rheinischen Post". Nach Angaben aus dem Parteiumfeld sollen große Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern hinter Bahr stehen. Ob die Verbände in Rostock aber geschlossen abstimmen, gilt als offen.

Die Deutschen geben dem designierten FDP-Chef Rösler unterdessen keinen Vertrauensvorschuss. Im Gegenteil: Eine Mehrheit glaubt sogar, dass die FDP bei der nächsten Wahl aus dem Bundestag fliegt. 80 Prozent meinen, dass Rösler die Partei nicht aus der Krise führen kann. Das ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag". Lediglich 15 Prozent trauen Rösler zu, die Liberalen aus dem Tief zu holen. 54 Prozent meinen sogar, dass die FDP 2013 an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert und nicht wieder in den Bundestag einzieht. Nur 43 Prozent sind vom Gegenteil überzeugt.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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