Möllemann-Todessturz gefilmt Westerwelle nimmt Stellung
14.06.2003, 08:48 UhrErstmals nach dem Tod des früheren FDP-Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann hat der Parteichef der Liberalen, Guido Westerwelle, ausführlich zu den Vorwürfen der Familie gegen die FDP-Führung ausführlich Stellung genommen. "Ich habe zu Jürgen Möllemann gestanden, so lange es irgend zu vertreten war", rechtfertigte sich Westerwelle gegenüber der "Bild am Sonntag". Unterdessen wurde bekannt, dass der tödliche Fallschirmabsturz Möllemanns von einem Springer-Kollegen gefilmt wurde.
Westerwelle bestritt, unangemessen hart gegen den ehemaligen Parteifreund Möllemann vorgegangen zu sein: "Ich habe zugelassen, dass Schaden an meinem persönlichen Ansehen entstand, um Schaden von meiner Partei abzuwenden." Vor einem Jahr habe er den Bundesvorstand dazu veranlasst, Möllemann im Antisemitismus-Streit eine Rüge auszusprechen, sagte Westerwelle. Zugleich habe er aber dafür gesorgt, dass der Bundesvorstand weiter zum damaligen Parteivize gestanden habe: "Ich habe mit aller Kraft meine Partei zusammengehalten, die Jürgen Möllemann zu sprengen drohte."
"Keine Alternative"
Als nach der Bundestagswahl im September Hinweise aufgetaucht seien, dass Möllemann bei der Finanzierung seines israel-kritischen Faltblatts gegen das Gesetz verstoßen habe, habe es jedoch keine Alternative zum Vorgehen der Parteiführung gegeben, unterstrich Westerwelle. "Ich konnte und durfte derart massive Hinweise auf Gesetzesverstöße nicht unter den Teppich kehren", sagte er.
Westerwelle äußerte sich noch immer erschüttert über den Tod Möllemanns und erklärte, er werde die tiefe Trauer der Familie respektieren. Möllemann, der am 5. Juni bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen war, war am Freitag in Münster beigesetzt worden. Die Familie hatte darauf gedrängt, dass Westerwelle der Beerdigung fernbleibt.
Video wird ausgewertet
Die von einem Springer-Kollegen Möllemanns gemachte Aufnahme des tödlichen Fallschirmabsturzes wurde beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft Essen werte das Video noch aus, berichtete das Nachrichtenmagazin "Focus".
Nach mehrfacher Analyse kommt nach den Worten von Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke ein Fremdverschulden nicht in Frage. "Wir schließen aus, dass jemand vor dem Sprung auf Möllemann oder den Schirm eingewirkt hat", sagte Reinicke dem Magazin.
Der Film zeigt Möllemann beim Sprung aus der Maschine in 4.000 Meter Höhe und dann erst wieder kaum erkennbar beim Absturz. "Weit im Hintergrund ist er auf dem Video zu erkennen. Als kleines schwarzes Pünktchen", sagte Reinicke. Das Band hat laut "Focus" der englische Videofilmer Dave Littlewood aufgenommen.
Möllemann drohte Haftstrafe
Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zufolge verdichten sich die Hinweise auf einen Selbstmord Möllemanns. Zeugen hätten ausgesagt, der Politiker habe vor dem Sprung am 5. Juni das elektronische Sicherheitssystem nicht aktiviert, das im Unglücksfall den Reserveschirm herauskatapultiert hätte. Zudem habe sich Möllemann in etwa 600 Metern Höhe die Springerbrille heruntergerissen.
Nach weiteren Informationen des "Spiegels" drohte Möllemann im Steuer-Verfahren eine Haftstrafe von einem Jahr. Wegen der umstrittenen Flugblatt-Aktion im Bundestagswahlkampf 2002, für die Möllemann laut Ermittler eine Million Euro von seinem Luxemburger Konto hatte abheben lassen, hätte ihm die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft diese Mindeststrafe angekündigt.
Kubicki klagt an
Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef und Möllemann-Freund Wolfgang Kubicki hat der Führung der Liberalen erneut schwere Vorwürfe gemacht. "Besonders die Rolle unseres Schatzmeisters Günter Rexrodt beurteile ich sehr kritisch, weil er sich als Strafverfolger aufgespielt und mit seinem martialischen Auftreten die Stimmung gegen Jürgen zusätzlich angeheizt hat", sagte er dem "Focus".
Quelle: ntv.de