Politik

Russisches Geld in EUWie Merz die eingefrorenen Milliarden für die Ukraine loseisen will

16.12.2025, 18:36 Uhr RTL01231-1Von Volker Petersen
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Auch US-Präsident Trump hat ein Auge auf die russischen Milliarden geworfen. Die Russen sprechen von Diebstahl. (Foto: AFP)

Mehr als 200 Milliarden Euro aus Russland liegen auf Konten in der EU. Da liegt es nahe, das Geld für die Ukraine zu nutzen. Rechtlich ist das kompliziert. Doch für Kanzler Merz ist der Schritt eine Schlüsselfrage für die Zukunft der EU.

Gerade jetzt im Winter merkt man wieder, wie hartnäckig Eis sein kann. Beim Autoscheiben kratzen oder wenn die Mülltonnendeckel festgefroren sind. Ein bisschen so geht es auch gerade Kanzler Friedrich Merz. Er ist gerade dabei, knapp 200 Milliarden Euro russisches Geld loszueisen, um damit der Ukraine zu helfen. Nur, dass die sich nicht in der Mülltonne, sondern in einer Art Schatzkiste befinden.

Als solche könnte ein Finanzinstitut namens Euroclear erscheinen, das in Brüssel sitzt. Dort haben die russische Zentralbank und andere russische Anleger Geld im Wert von 200 oder sogar 250 Milliarden Euro angelegt, unterschiedliche Zahlen sind in Umlauf. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fror die EU das Geld ein. Seit dem vergangenen Jahr finanzieren die Zinserträge ein 50-Milliarden-Euro-Darlehen für die Ukraine. Mittlerweile wollen die Europäer, allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz das Geld in Gänze für das angegriffene Land nutzen.

In einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrieb Merz, 165 Milliarden Euro könnten an die Ukraine fließen. Der Rest des Geldes soll zurückgehalten werden, um den oben genannten Kredit ablösen zu können. Die EU-Kommission schlägt vor, zunächst 90 Milliarden Euro an die Ukraine zu geben, da sie nicht sofort das gesamte Geld benötige.

Bedenken schwanden mit schwindendem Geld

Lange gab es Bedenken, denn es ist ein drastischer, beispielloser Schritt, Anlangen aus anderen Ländern auf diese Art abzuschöpfen. Der Ruf Europas als Finanzplatz könnte leiden. Doch die EU macht es sich nicht leicht und richtig ist ebenso: Russlands brutaler, völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen die Menschen in der Ukraine ist so radikal, dass er radikale Gegenmaßnahmen rechtfertigt.

Dass bei den europäischen Staaten nach fast vier Jahren Krieg das Geld knapp wird, hat diese Haltung beflügelt. Frankreich, Großbritannien und Italien sind schon lange nicht mehr flüssig und selbst in Deutschland muss Finanzminister Lars Klingbeil im Kernhaushalt sparen, Sondervermögen hin, gelockerte Schuldenbremse her. Die 195 Milliarden Euro aus Russland wirken da verführerisch - gerade in dieser womöglich entscheidenden Phase des Krieges, in der die Ukraine einen Zusammenbruch der Front verhindern und auch finanziell handlungsfähig bleiben muss. Zumal auch die USA unter Präsident Donald Trump die Hilfe drastisch zurückgefahren haben.

Das russische Geld ist das wichtigste Thema beim Europäischen Rat an diesem Donnerstag und Freitag. Dabei treffen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs, um über wichtige Fragen zu beraten. Es dürfte Diskussionen geben, denn Belgien wehrt sich gegen die Pläne. Denn rechtlich ist das EIs dünn. Das Land fürchtet von Russland haftbar gemacht zu werden, weil das fragliche Institut Euroclear in seiner Hauptstadt ansässig ist. Der Chef von Euroclear steht schon rund um die Uhr unter Polizeischutz. Ein Mordanschlag wird offenbar nicht ausgeschlossen.

Das stößt durchaus auf Verständnis bei den Nachbarn: Das kleine Belgien will nun mal nicht alleine den Kopf für ganz Europa hinhalten. So wird diskutiert, ob die anderen Länder Garantien gegenüber Belgien abgeben, es im Falle eines Falles hängen zu lassen.

Europa müsste einspringen - allen voran Deutschland

Garantien bedeutet in diesem Fall: die Zusage von Geldzahlungen. Die Bundesregierung würde also Belgien mit Milliardenzahlungen aushelfen müssen, wenn Russland vor Gericht erfolgreich gegen die faktische Enteignung klagt. Nach Einschätzung der Bundesregierung ist das extrem unwahrscheinlich. Trotzdem ist die Bereitschaft dazu so etwas wie die B-Seite zur erneuerten Führungsrolle des Bundeskanzlers in Europa. Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen, damit andere Länder folgen. Tut Merz das nicht, würde wohl gar nichts passieren.

Konkret soll Euroclear das Geld an die EU-Kommission überweisen und im Gegenzug EU-Anleihen erhalten. Der Ukraine wiederum werden die Milliarden als zinslose Kredite gegeben. Diese soll das Land erst dann zurückzahlen, wenn Russland am Ende des Krieges - wie erhofft - Reparationen zahlt. Weil aber unklar ist, ob diese Rückzahlung möglich sein wird und weil auf jeden Fall eine formale Enteignung Russlands vermieden werden soll, sollen die 27 EU-Staaten die EU-Anleihen aus ihren nationalen Haushalten mit Garantien absichern. Das heißt, sie müssten einspringen, wenn das Geld nicht zurückgezahlt würde.

Sollten tatsächlich 210 Milliarden Euro genutzt werden, dann kämen auf Deutschland Garantien in Höhe von rund 50 Milliarden Euro zu. Kanzler Merz hat die Spitzen der Regierungsfraktionen bereits darüber informiert. Nötig wäre wahrscheinlich ein Beschluss des Bundestages.

Heikel ist zudem, dass auch die USA ein Auge auf die russischen Milliarden geworfen haben. Im ursprünglichen 28-Punkte-Friedensplan für die Ukraine erhob die Trump-Administration Ansprüche auf das Geld. Auch beim Gipfel in Berlin scheint es keine Einigung dazu gegeben zu haben. In der Erklärung mehrerer europäischer Staaten heißt es lediglich, der Ukraine sollten Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt werden.

Ein Selbstläufer wird die Entscheidung nicht. Ungarn und die Slowakei sind gegen den Schritt. Möglich würde eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit. Merz warnte am Montag im Kanzleramt: "Wenn uns das nicht gelingt, dann wird die Handlungsfähigkeit dieser Europäischen Union über Jahre, wenn nicht über längere Zeit als nur kurz massiv beschädigt sein." In der Regierung spricht man von einer "Schicksalswoche" für Europa.

Quelle: ntv.de, mit rts und dpa

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