Politik

Alles nur ein Missverständnis? Wie de Maizière die Euro-Hawk-Affäre zurechtbiegt

Thomas de Maizière startete mit einem 45-minütigem Statement und beantwortete dann mehrere Stunden die Fragen der Ausschussmitglieder.

Thomas de Maizière startete mit einem 45-minütigem Statement und beantwortete dann mehrere Stunden die Fragen der Ausschussmitglieder.

(Foto: AP)

Der Verteidigungsminister wird lange über seine neue Verteidigungslinie nachgedacht haben, bevor er sich dem Untersuchungsausschuss stellte. Seine Strategie ist fein ausgeklügelt. Aber sie hat gleich drei Schwächen.

Der Name seines Vorgängers fällt kein einziges Mal, als sich Thomas de Maizière in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Euro Hawk äußert. Trotzdem spielt Karl-Theodor zu Guttenberg eine entscheidende Rolle in der Selbstverteidigung des Ministers. Dass Guttenberg in der ganzen Debatte praktisch nicht auftaucht, hat wohl nur den Grund, dass er ohnehin von nichts mehr zurücktreten kann und sein einstiges Image als moderner Reformer im Rückblick längst absurd wirkt.

Guttenberg ist es, auf dem de Maizière einen großen Teil der Schuld dafür ablädt, dass die Bundesregierung Hunderte Millionen Euro für eine Drohne ausgab, die wohl nie eingesetzt wird. Denn im Februar 2010, Guttenberg war erst wenige Monate zuvor zum jüngsten Verteidigungsminister der Geschichte geworden, wurde seinen Mitarbeitern klar, dass es für den Euro Hawk erst einmal keine Zulassung geben würde. Der Prototyp der Drohne stand weiterhin in einem Hangar und durfte nur bei gesperrtem Luftraum abheben, die Zulassung wurde verwehrt. Anstatt das Projekt einzustellen, wurde "das Problem schlicht auf später verschoben", sagte de Maizière. 85 Prozent des Geldes für den Euro Hawk seien vor seiner Amtszeit ausgegeben worden.

Bis heute ließ sich das aufgeschobene Problem nicht lösen und führte letztlich zum Abbruch des Projekts. Die Frage ist nun: Was wäre der richtige Zeitpunkt dafür gewesen? Führt man die Argumentation de Maizières weiter, hätte jeder Tag seit Februar 2010 ein guter Tag für das Ende des Euro Hawk sein können. Trotzdem verteidigt er die Entscheidung, es erst jetzt einzustellen. Ein Widerspruch?

Zumindest zeigt sich hier die erste von drei Schwachstellen der Argumentation: Die Test-Drohne wurde gebraucht, um das Aufklärungssystem Isis zu testen, so der Minister. Doch warum gibt es den Druck, dieses System fertigzustellen, wenn es gar kein zugelassenes Trägerflugzeug dafür gibt?

Lügenvorwurf nicht ausgeräumt

Der eigentliche Grund könnte ein anderer gewesen sein, und der hängt mit der zweiten Schwachstelle der Argumentation zusammen: Kann es wirklich sein, dass der Minister nicht früher von der Ernsthaftigkeit der Probleme wusste? Immerhin sagt er selbst, dass sie schon lange vor seiner Amtszeit entstanden. Im Januar 2012 sprach der Leiter der Rüstungsabteilung von einer "dramatischen Kostenexplosion". Doch noch im April 2013 will de Maizière gedacht haben, "dass es sich um lösbare Probleme handle." Lösbar heiße für ihn: "Das Projekt kann im dazu entschiedenen Kostenrahmen realisiert werden." Wenn de Maizière das wirklich dachte, hat er sich offensichtlich zu wenig mit dem Projekt beschäftigt und seine Mitarbeiter nicht gut ausgewählt.

Bis hierhin geht es beim Euro Hawk um handwerkliche Fehler. Doch es kommt eine dritte Schwachstelle hinzu, die aus dem Vorgang einen Skandal macht: De Maizière hat gelogen – oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt. Im Juni 2013 sagte er, es habe vor Mai 2013 "keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem" gegeben.

Das ist merkwürdig: Mindestens drei Mal wurden dem Minister in dieser Zeit die Probleme schriftlich geschildert. De Maizières sagte nun, es habe sich dabei im verwaltungstechnischen Sinne nicht um "Vorlagen" gehandelt. "Ich bedaure, dass ich mich am 5. Juni nicht klarer ausgedrückt habe", sagt er. Soll also alles ein Missverständnis gewesen sein? Falls ja, hatte der Minister aller Wahrscheinlichkeit nach genau das beabsichtigt. Wie sonst ist zu erklären, dass er in einem vorbereiteten Statement so undeutlich formuliert?

"Leseschwach, unzuständig, ahnungslos"

Das also ist die neue Verteidigungslinie von de Maizière: Das meiste Geld haben nicht er, sondern seine Vorgänger verschwendet. Von den Problemen hat er zu spät erfahren. Die Einstellung war trotzdem nicht zu spät. Und seine widerlegte Aussage war keine Lüge, sondern nur ein Missverständnis.

Die Opposition wollte sich in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses mit dieser Argumentation erwartungsgemäß nicht zufrieden geben. "Das macht mich fassungslos, wie Sie heute versucht haben, ihre Lüge mit einer neuen Lüge zurückzuweisen", sagte SPD-Obmann Rainer Arnold. "Sie haben die Gelegenheit, ein Missverständnis zu korrigieren, überhaupt nicht genutzt." Der Minister sei "leseschwach, unzuständig, ahnungslos", sagte der Grünen-Obmann Omid Nouripour. De Maizière sei ein "überforderter armer Mann, der sich einschließt und nicht weiß, was er mit dem ganzen Papier auf seinem Schreibtisch tun soll." Linken-Obmann Jan van Aken legte nach: "Herr de Maizière scheint das Wort Selbstkritik nicht zu kennen. Den Vorwurf der Lüge konnte er nicht ausräumen."

Die Opposition tut alles, um dem Image des einst als so verlässlich geltenden de Maizière zu schaden. Er spielt eine zentrale Rolle in der Regierung von Angela Merkel, gilt fachlich als einer der besten Minister und wird immer wieder als möglicher Nachfolger von Merkel genannt. De Maizière gilt als etwas langweilig, aber eigentlich auch als solide und verlässlich. Populismus und persönliche Angriffe liegen ihm in der Regel fern. Auch darum erwähnte er den Sündenbock Guttenberg nicht direkt. Einen wie de Maizière kann die Kanzlerin nicht so einfach ersetzen. Seinen Rücktritt würde sie darum nicht akzeptieren, heißt es. Mehrfach hat Merkel gezeigt, dass es ihr bei einer solchen Entscheidung weniger auf die Schwere des Vergehens als auf die Sicherung ihrer Macht ankommt.

Quelle: ntv.de

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