Politik

SPD führt die Koalition aufs Glatteis Wie die Quote die Union zerreißt

Unionsfrauen mit unterschiedlichen Vorstellungen: Familienministerin Schröder (l.) will die Flexiquote, Kanzlerin Angela Merkel gibt sie ihr. Und Ursula von der Leyen steht als Befürworterin einer festen Quote als Verliererin da.

Unionsfrauen mit unterschiedlichen Vorstellungen: Familienministerin Schröder (l.) will die Flexiquote, Kanzlerin Angela Merkel gibt sie ihr. Und Ursula von der Leyen steht als Befürworterin einer festen Quote als Verliererin da.

(Foto: dpa)

Eigentlich ist die Sache klar: Eine feste Frauenquote wird es mit der Union vorerst nicht geben, in der kommenden Legislaturperiode soll eine Flexilösung her. Beim Parteitag beschlossen. Basta. Doch eine Bundesratsinitiative der Opposition bringt den Parteifrieden in Gefahr - sehr zur Freude der SPD. Denn die wird das Thema als Wahlkampfmunition nutzen. So oder so.

Für die Sozialdemokraten ist es ein Spiel, aus dem sie nur als Gewinner hervorgehen können. Mit einem eigenen Gesetzentwurf zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten von Unternehmen setzt die SPD - spätestens seit dem Wochenende im Wahlkampfmodus - die schwarz-gelbe Koalition unter Druck. Mit dem Papier kann sie das Regierungsbündnis mindestens als unsortierten Hühnerhaufen dastehen lassen. Im besten Fall kann sie sogar den Frieden in der schwarz-gelben Koalition gefährden. Und das im Wahljahr. Am Donnerstag steht die über den Bundesrat eingebrachte Initiative im Bundestag zur Abstimmung. Schon jetzt läuft die Diskussion über das Papier.

Genüsslich appelliert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier an die Frauen in der Regierungskoalition, sich einen Ruck zu geben und für den Antrag der Opposition zu stimmen. "Union und FDP sind in vielen Fragen aus der Zeit gefallen. Die Gleichstellung von Mann und Frau gehört dazu", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Die Zeit sei überreif für eine Frauenquote. Er wisse, dass es viele Frauen in der Union und in der FDP gebe, die gerne mit der Opposition stimmen würden. "Jetzt hängt das von deren Mut ab", sagte Steinmeier.

Und tatsächlich ist die Versuchung offenbar groß: Um die Abgeordneten auf Kurs zu bringen, haben Steinmeiers Unionspendant Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ein Krisentreffen einberufen. Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte Disziplin ein. Von bestimmten und bestimmenden Telefonaten ist zu hören. Selbst die Chefin schaltet sich ein. Die Angst von Kanzlerin Angela Merkel, dass das Regierungslager den Lockrufen Steinmeiers erliegt, scheint immens zu sein.

Gattin angsteinflößender als Kauder

Versüßt wird dessen Sirenengesang noch dadurch, dass die SPD der Regierungskoalition ein vergleichsweise moderates Konzept vor die Füße wirft: Börsennotierte Unternehmen sollen danach bis Anfang 2018 ihre Aufsichtsräte zu 20 Prozent aus Frauen bestückt haben. Erst 2023 würde die Quote auf 40 Prozent angehoben. Diese Quote tut den Konzernen kaum weh: Verstöße werden nur sanft bestraft, die Aufsichtsratsvergütungen könnten dann steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Und: 20 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten erreichen die meisten Firmen mit nur wenig zusätzlicher Anstrengung.

Und tatsächlich kursieren erste Namen von Abgeordneten, die sich dem Fraktionszwang widersetzen wollen. 21 Stimmen Vorsprung hat Schwarz-Gelb, 21 Abweichler könnten Merkel also die Woche vermiesen. Vor allem unter den Unionsfrauen im Parlament hat sich eine Bewegung gebildet, die mit dem Treuebruch liebäugelt. Aber auch Männer schlagen sich auf die Seite der Opposition: Der CSU-Abgeordnete Josef Göppel sagte etwa dem "Spiegel": "Lieber lasse ich mich von der Fraktionsführung schelten als von meiner Frau." Im Klartext: Göppel will allen Ordnungsrufen zum Trotz gegen die Beschlusslage der Koalition stimmen.

Schröder muss späte Schlappe befürchten

Spannend wird sein, wie sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bei der Abstimmung verhält. Auch sie gehört zu den möglichen Abweichlerinnen. Seit Langem fordert sie eine feste Quote ähnlich der Regelung wie sie der Bundesratsbeschluss vorsieht. Gegen ihre seit Monaten vertretene Überzeugung zu stimmen, würde sie ganz besonders schmerzen. Kanzlerin Merkel hat ihre Ministerin bereits vergangene Woche ins Gebet genommen. Vor einer Präsidiumssitzung wollte sie von der Leyen noch einmal sprechen, um ihr einzuimpfen, wie sie sich zu verhalten hat. Der Ausgang war bis zuletzt offen.

Für von der Leyen könnte der Donnerstag zu einem Tag des späten Triumphs werden. Parteiintern hatte sie den Kampf gegen Familienministerin Kristina Schröder verloren. Beim letzten CDU-Parteitag im Dezember winkten die Delegierten deren Modell als Unionslinie durch: Eine Flexi-Quote soll her, ein Zwang zur Selbstverpflichtung einiger Unternehmen. Wie hoch die so gesteckten Ziele dann im Einzelnen sind, ist der Wirtschaft selbst überlassen. Erst in einer weiteren Eskalationsstufe will Merkel eine feste Quote verordnen, sollte die Flexi-Quote floppen. Schröder konnte damit einen Punktsieg gegen ihre verhasste Parteirivalin feiern, von der Leyen stand als große Verliererin von Hannover da. Diese Schmach könnte am Donnerstag getilgt werden.

SPD-Redenschreiber zücken die Kullis

Und doch spricht vieles dafür, dass es dazu am Ende nicht kommt. Die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner sagte im Deutschlandfunk: "Nicht jede Abstimmung ist eine Gewissensfrage" - eine solche ist im bundesrepublikanischen Parlamentarismus die einzig akzeptierte Begründung dafür, sich gegen die Haltung der Fraktion zu verhalten. Die meisten Haderer und Zweifler werden das am Ende auch so sehen. Denn zu groß wäre der Schaden angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen im Herbst. Dass Steinmeier und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einen solchen Coup nicht in mindestens jeder zweiten Marktplatzrede genüsslich ausweiden würden, glaubt in der Unionsfraktion vermutlich keiner.

Selbst wenn die Union die Reihen rechtzeitig schließt, bietet die laufende Debatte reichlich Material für den Wahlkampf. Schließlich liegen zwischen den hektischen Krisensitzungen in der Union und dem Parteitagsbeschluss nur etwas mehr als fünf Monate. Es ist nicht schwierig, das als mangelnden Zusammenhalt bloßzustellen. So oder so: Steinbrücks Redenschreiber freuen sich über neuen Stoff.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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