Vorwürfe gegen Betreiber Wie sehr strahlt Gorleben?
28.09.2011, 17:32 Uhr
Der Nullwert von Gorleben ist umstritten.
(Foto: dpa)
Die Strahlenbelastung rund um das Atomülllager Gorleben ist für die dort lebenden Menschen keine abstrakte Größe. Deshalb ist es für sie wichtig zu wissen, wie die Messwerte zustande kommen. Umweltschützer werfen der Betreibergesellschaft vor, die niedrigen Werte, die am Montag bekannt gegeben wurden, erschummelt zu haben.
Atomexperten der Bürgerinitiative Umweltschutz werfen der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) vor, Strahlenmessungen rund um das gefälscht zu haben. Ein seit 2004 genutzter sogenannter Nullpunkt zur natürlichen Gammastrahlung sei nicht nur in direkter Nähe des Zwischenlagers ermittelt worden. Zusätzlich seien auch Werte gemessen worden, während dort die ersten Castoren eingelagert gewesen seien, sagte Wolfgang Kallen von der BI in Hannover. "Das ist wissenschaftlich dilettantisch." Zudem sei es nicht zulässig, da sich die Jahresdosis durch die Einlagerung der Castoren seit 1997 stetig erhöht habe. Die BI beruft sich auf veröffentlichte GNS-Betriebsberichte.
Die Bürgerinitiative hat bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen "unerlaubter Freisetzung ionisierender Strahlung" Strafanzeige gegen den Betreiber gestellt. Sie klagt unter anderem gegen die Umlagerung von Castoren im Behälterlager und die mögliche Überschreitung des Grenzwertes in diesem Jahr.
Unbefriedigende Antworten
Die SPD-Bundestagsfraktion dringt auf eine rasche Begutachtung der möglichen Strahlengefahren durch den Bundestags-Umweltausschuss. Die Fragen nach erhöhten Strahlenwerten im Zwischenlager seien vom niedersächsischen Umweltministerium im Umweltausschuss des Bundestags nicht befriedigend beantwortet worden, sagte der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch in Berlin.
"Auch das Bundesumweltministerium interpretiert seine Rolle hier eher als Zaungast", kritisierte Miersch. "Ein verantwortungsbewusster Umgang mit möglichen Strahlenschäden sieht anders aus." Im Umweltausschuss wurde nach Angaben des Bundestags deutlich, dass es Verwirrung gibt über die unterschiedlichen Messergebnisse.
Die Staatsanwaltschaft hat vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Stellungnahme angefordert. Sollte sie nicht ausreichen, könnte zum ersten Mal ein Castortransport nach Gorleben gestoppt werden. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) rechnet trotz der Strahlenwerte-Debatte damit, dass der Castortransport Ende November wie geplant von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in das Zwischenlager Gorleben rollen kann.
Neue Messergebnisse
Am Montag hatte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Hannover die Ergebnisse ihrer jüngsten Strahlenmessungen vorgelegt. Demzufolge liegt die Gesamtstrahlung am Atommüll-Zwischenlager Gorleben mit 0,212 Millisievert (mSv) deutlich unter dem zugelassenen Jahresgrenzwert von 0,3 mSv. Die PTB-Messungen hätten jedoch nur eine Aussagekraft für das zweite Halbjahr - ohne die für Ende November geplante Einlagerung von elf weiteren Castoren. Eine finale Entscheidung über den Transport könne bis Ende Oktober fallen, betonten geladene Experten nach Angaben des Bundestags im Umweltausschuss.
Quelle: ntv.de, dpa