Spionage unter Freunden "Wir brauchen klare Vereinbarungen"
18.12.2013, 10:33 Uhr
Michael Grosse-Brömer begrüßt die US-Parlamentarier Meeks (l.) und Murphy.
(Foto: picture alliance / dpa)
Derzeit verhandelt die Bundesregierung mit den USA über ein No-Spy-Abkommen. Laut "New York Times" stocken die Gespräche: Die USA wollen angeblich keinen Präzedenzfall schaffen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Grosse-Brömer, fordert "klare Vereinbarungen", die Wirtschaftsspionage und das Abhören von Regierungsmitgliedern ausschließen.
n-tv.de: Im Sommer haben Sie gesagt, die Behauptung, dass es in Deutschland eine millionenfache Grundrechtsverletzung gegeben habe, sei entkräftet. Das sehen Sie heute anders, oder?
Michael Grosse-Brömer: Nein. Diese Aussage habe ich im Zusammenhang mit dem Vorwurf gemacht, dass es in einem ganz bestimmten Vorgang zu einer illegalen massenhaften Ausspähung deutscher Staatsangehöriger in Deutschland gekommen ist. Dieser Vorwurf war definitiv falsch. Die Daten, die der BND in diesem Zusammenhang an die NSA gegeben hatte, stammten aus der Auslandsaufklärung. Ich bewerte manche Vorgänge heute anders als damals. Das betrifft aber nicht diesen konkreten Vorgang.
Im Koalitionsvertrag findet sich auch das No-Spy-Abkommen. Darüber wird ja schon länger verhandelt. Wird es am Ende einen Vertrag geben, dessen Text vollständig öffentlich bekannt gemacht wird?
Das diskutieren wir derzeit im Parlamentarischen Kontrollgremium. Wir sollten klare Vereinbarungen treffen, die vor allem Wirtschaftsspionage und das wechselseitige Abhören von Regierungsmitgliedern ausschließen. Und das sollte man auch öffentlich machen. Es muss klar sein, wer sich wozu verpflichtet und wie die neuen Vorgaben aussehen.
Einen vollständigen Verzicht auf Spionage wird es in dem Abkommen aber nicht geben?
Nachrichtendienstliche Tätigkeit mit dem Ziel, terroristische Anschläge und schwerste Kriminalität frühzeitig aufzuklären, muss es weiterhin geben. Wir haben mehrfach erlebt, dass Anschläge in Deutschland verhindert werden konnten, weil es entsprechende Hinweise gegeben hat - auch von den Amerikanern. Maßgeblich ist die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Wir dürfen nicht so weit gehen, dass unschuldige Staatsbürger in ihrer Privatsphäre betroffen sind.
Unionsfraktionsvize Günter Krings hat Anfang November gesagt, die Amerikaner hätten die Balance von Sicherheit und Freiheit verloren. Wenn diese Diagnose richtig ist, wie viel ist ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA dann wert?
Durch die Anschläge vom 11. September sind die Vereinigten Staaten traumatisiert worden. Als Reaktion darauf sind nachrichtendienstliche Tätigkeiten offenkundig aus der Balance geraten. Glücklicherweise findet dazu auch in Amerika neuerdings eine sehr offene Debatte statt. Ich bin sicher, dass die US-Regierung verstanden hat, dass es in Europa einen Vertrauensverlust gegeben hat. Sie wird zu dem Ergebnis kommen, dass die eigenen Nachrichtendienste zu weit gegangen sind. Präsident Obama hat ja schon gesagt, dass Geheimdienste nicht alles machen dürfen, was technisch möglich ist.
Muss die deutsche Politik ihr Verhältnis zu den USA überdenken? Kritischer werden, häufiger nachfragen, auch mal lauter werden?
Kritik im Verhältnis von Deutschland und den USA war immer möglich, und sie ist auch immer formuliert worden. Und wenn ich an das Telefonat der Kanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten denke, dann bin ich sehr davon überzeugt, dass da klare Worte gesprochen wurden.
Damals teilte der Regierungssprecher mit, die Bundeskanzlerin habe deutlich gemacht, dass sie solche Praktiken "als völlig inakzeptabel ansieht" und dass eine Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs "ein gravierender Vertrauensbruch" wäre, der "unverzüglich unterbunden" werden müsste.
Wir müssen bei diesem Gesamtkomplex darauf drängen, gemeinsame Lösungen zu finden. Es ist klug, Kritik zu üben. Es ist aber genauso klug, gemeinsam zu überlegen, wie wir angesichts der technischen Möglichkeiten akzeptable nachrichtendienstliche Regeln schaffen, um Sicherheit zu garantieren, ohne die Freiheit zu beeinträchtigen.
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele ist seit einiger Zeit als Privatdiplomat unterwegs: Erst war er bei Edward Snowden in Moskau, dann hat er Parlamentarier in London besucht. Haben Sie mal unter vier Augen darüber gesprochen?
Nicht unter vier Augen, aber bei einem Treffen des Kontrollgremiums haben wir uns im Kreis der Abgeordneten wirklich gut darüber unterhalten. Herr Ströbele kümmert sich sehr intensiv um Herrn Snowden. Das ist sein gutes Recht und aller Ehren wert.
Aber?
Ich glaube, Herr Snowden hat eine wichtige Debatte angestoßen. Nur aus meiner Sicht hat er das unter Verstoß gegen ihm bekannte strafrechtliche Vorschriften in seinem Land getan. Deswegen habe ich eine andere Einschätzung der Situation als Herr Ströbele. Eines verbindet uns allerdings: Wir sind beide der Auffassung, dass wir den Dialog über dieses Thema nicht nur auf der Ebene der Regierungen führen sollten, sondern auch auf der Ebene der Parlamente.
Sie hatten bereits Besuch von Parlamentariern aus den USA.
Ja, von Senator Chris Murphy und dem Abgeordneten Gregory Meeks. Das war ein interessantes Gespräch mit klaren Worten - und mit der Bereitschaft auf der amerikanischen Seite, Fehler zu erkennen. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit Herrn Ströbele in Amerika noch manch gutes Gespräch führen werden.
Mit Michael Grosse-Brömer sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de