Politik

Vertreter der Syrischen Opposition im Interview "Wir verhandeln auf keinen Fall mit Assad"

Zerstörte Häuser in Aleppo. Mitte Dezember bombardierte die syrische Armee die Stadt mit Fassbomben.

Zerstörte Häuser in Aleppo. Mitte Dezember bombardierte die syrische Armee die Stadt mit Fassbomben.

(Foto: AP)

Hat die syrische Opposition überhaupt eine gemeinsame Strategie gegen Machthaber Assad? Im Gespräch mit n-tv.de schildert der Botschafter der Syrischen Nationalen Koalition in Berlin, wie Widerstand aus dem Exil funktioniert und was die Koalition von Russland und dem Westen fordert.

Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee hat sich mit einer selbstgebauten Waffe in einem Haus in Damaskus verschanzt.

Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee hat sich mit einer selbstgebauten Waffe in einem Haus in Damaskus verschanzt.

(Foto: REUTERS)

n-tv.de: Wie funktioniert eine Opposi tion im Exil?

Bassam Abdullah: Unsere Mitglieder leben sowohl in Syrien als auch im Exil. Wir arbeiten bei regelmäßigen Treffen direkt zusammen und stehen ansonsten mit Kommunikationstechnik in Verbindung. Eine politische Vertretung aller Oppositionsgruppen in Syrien selbst zu gründen, war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Wegen der Überwachung durch den Geheimdienst war das zu gefährlich. Es fehlt auch einfach die Erfahrung, schließlich gab es in Syrien fast 50 Jahre lang keine Opposition.

Was hält die Koalition zusammen, wenn die Mitglieder so weit verstreut leben?

Was uns eint, ist das gemeinsame Ziel: Baschar al-Assad soll gestürzt werden. Wir sind uns einig, dass Syrien nach Assad ein demokratischer Staat werden soll. Es geht um Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und die Abschaffung des Zentralismus.

Wie bekannt ist die Syrische Nationale Koalition (SNK) in Syrien selbst?

Die Syrische Nationale Koalition
  • Die Syrische Nationale Koalition (SNK) ist ein Zusammenschluss mehrerer Oppositionsgruppen aus Syrien. Sie hat 63 Mitglieder.
  • Bassam Abdullah ist der Botschafter der Syrischen Nationalen Koalition in Berlin und steht als solcher in Kontakt mit der Bundesregierung.
  • Ziel der SNK ist, nach dem Sturz des jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad eine Übergangsregierung zu stellen.
  • Die SNK wurde im Oktober 2012 gegründet. Insbesondere die Golfstaaten und der Westen hatten darauf gedrungen, eine Dachorganisation der Opposition zu bilden.
  • Rund 130 Staaten haben die SNK als Vertretung der Syrischen Opposition anerkannt. Eine Handvoll Staaten akzeptiert die SNK als alleinigen Repräsentanten des der Syrer.
  • Die größte Gruppe innerhalb der SNK ist der Syrische Nationalrat, der etwa ein Drittel der Mitglieder stellt.
  • Nicht alle Oppositionsgruppen sind der SNK beigetreten.

Wir sehen uns als die größte politische Oppositionsgruppe und als Vertretung des syrischen Volkes. Die Freie Syrische Armee (FSA) ist der militär ische Arm der Nationalen Koalition, darüber hinaus repräsentieren wir verschiedene weitere Gruppen und Parteien, Revolutionskomitess und Aktivisten. Insofern sind wir natürlich in Syrien bekannt. Die politischen Akteure werden wegen der Sicherheitslage nicht namentlich bekannt gemacht, weil Bekanntheit für sie lebensbedrohlich wäre. Einige von ihnen pendeln zwischen der Türkei und Syrien hin und her und arbeiten in den befreiten Gebieten an verschiedenen Projekten.

Aber wie klappt das organisatorisch? Sie brauchen ja einen Plan, ein politisches Konzept für den Fall, dass Assad wirklich stürzt und die SNK als Übergangsregierung eingesetzt wird.

Die Generalversammlung wird monatlich in Istanbul abgehalten, das Politbüro trifft sich alle zwei Wochen. Bei diesen Treffen werden Pläne, Projekte und politische Stellungnahmen diskutiert. Bei der letzten Hauptversammlung im November hat die SNK eine Interimsregierung mit neun Ministern angekündigt. Wir machen uns schon lange Gedanken über den Tag, an dem Assad weg ist. Je länger der Krieg dauert, desto komplizierter wird die Situation. Wir haben Pläne und Projekte, aber wir erwarten auch, dass die internationale Gemeinschaft uns unterstützt.

Angesichts des brutalen Krieges sehen angeblich manche westliche Staaten und auch manche Syrer das Assad-Regime inzwischen als das kleinere Übel. Das setzt doch die SNK unter Druck, schnell erfolgreich zu sein.

Bassam Abdullah

Bassam Abdullah

Das Hauptproblem ist für uns als Opposition, dass wir auf keinen Fall mit dem syrischen Regime verhandeln wollen. Die humanitäre Lage macht natürlich alle sprachlos, aber keiner will sich vorstellen, dass Assad an der Macht bleibt. Wenn er das Land wieder in seinem Eisengriff hat, wird es allen noch schlechter gehen.

Radikale Islamisten spielen eine immer größere und mächtigere Rolle im syrischen Krieg. Wie gehen Sie mit dieser Gefahr um?

Das ist eine der Komplikationen dieses Krieges. Je länger der dauert, desto mehr Gruppen verfolgen eigene Ideologien und Ziele. Es gibt keine Kontrolle mehr. Assad hat unserer Ansicht nach diesen Leuten bewusst die Tore nach Syrien geöffnet, um sich unverzichtbar zu machen. Die Islamisten sind immer noch sehr wenige im Vergleich zu den anderen Syrern, die auch gegen Assad kämpfen. Die Zukunft Syriens wird nicht in der Hand dieser Islamisten liegen.

Es gab zuletzt widersprüchliche Signale der SNK, ob sie an der Syrien-Konferenz in der Schweiz im Januar teilnimmt. Wie sieht es aus?

Wir bereiten uns darauf vor, wir sind für jeden Friedensprozess bereit, der die Krise in unserem Land zu Ende bringt. Aber wir haben Zweifel, dass die Konferenz Erfolg bringen wird. Die minimalen Bedingungen sind immer noch nicht erfüllt: Dass ein Waffenstillstand vereinbart wird und die humanitären Korridore geöffnet werden.

Wer soll diese Bedingungen denn durchsetzen?

Russland und China, die größten Unterstützer des Assad-Regimes, könnten Assad auf jeden Fall unter Druck setzen, dass er die genannten Bedingungen erfüllt. Die SNK hat das Vertrauen in ihn natürlich längst verloren. Russland sollte Assad klarmachen, dass er zu großen Kompromissen bereit sein muss und keine Rolle in Zukunft mehr zu spielen hat. Es ist doch allen klar, dass eine Friedenskonferenz unter den gegebenen Umständen nur minimalen Erfolg zu erwarten hat. Wie soll man eine Friedenskonferenz abhalten, während so viele Zivilisten noch sterben? Ich glaube, es muss vorher ein solcher Schritt gemacht werden, damit diese Konferenz überhaupt Sinn ergibt.

Was soll mit Assad passieren, wenn er denn entmachtet wird?

Das ist eine andere Frage. Uns und den Syrern geht es um das Regime von Assad. Die Person Assad symbolisiert dieses Regime nur. Was mit ihm passiert, wäre dann Sache einer Übergangsregierung. Er müsste sich dann für seine Menschenrechtsverbrechen verantworten.

Mit Bassam Abdullah sprach Nora Schareika

Quelle: ntv.de

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