Katja Kipping wehrt sich "Wir wollten die Partei niemals erpressen"
13.06.2014, 12:58 Uhr
"Ein positives Ansinnen wird gegen uns gewandt." Den Vorwurf der Intrige weist Katja Kipping zurück.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Vorsitzende der Linkspartei ist heftigen Angriffen ausgesetzt. Versucht sie, missliebige Politiker mit Intrigen loszuwerden? Oder ist sie selbst das Opfer? Mit n-tv.de spricht Katja Kipping erstmals über die Vorwürfe und räumt indirekt ein, dass sie Fehler gemacht hat.
n-tv.de: Sie sind angetreten als das "freundliche Gesicht" der Partei und werden jetzt als "Katja die Grobe" beschrieben. Hat Sie das überrascht?
Katja Kipping: Das ist natürlich nicht schmeichelhaft. Und wenn einmal so ein Spin gesetzt ist, wird er von allen übernommen, und nichts, was ich sage oder tue, wird das wohl beenden. Es hat mich in gewisser Weise verletzt. Aber ich wusste schon vorher von gewissen Kneipenrunden, die so ein Bild seit Längerem verbreiten. Erstaunt bin ich darüber, dass der "Spiegel" dieses Bild eins zu eins verbreitet, ohne mich vorher einmal dazu zu befragen.
Vor knapp zwei Wochen berichtete der "Spiegel" über zwei fragwürdige Vorgänge in der Linkspartei.
Zum einen warf er der Vorsitzenden Katja Kipping vor, in ihrem Büro eine "No-Go"-Liste mit unliebsamen Genossen geführt werde um diese gezielt aus Ämtern zu drängen. Auf dieser Liste stand auch die Bundestagsabgeordnete Halina Warwzyniak, die nach der Veröffentlichung als stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin zurücktrat. Kipping verlangt eine Gegendarstellung vom "Spiegel".
Der andere Vorfall dreht sich um die Wahl des Schatzmeisters. Kipping, ihr Vorstandskollege Bernd Riexinger und der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken sprachen sich deutlich für eine Neubesetzung aus. Van Aken sprach von "schmutziger Politik". Die Äußerungen (hier im Video) verstanden offenbar einige Delegierte als Anspielung auf eine unsaubere Kassenführung Sharmas. Er verlor die Wahl.
In einer Stellungnahme haben Sie gesagt, dass sich Frauen in dieser Richtung weniger erlauben können als Männer.
Dieser Artikel im "Spiegel" ist ein Lehrstück dafür, dass das, was bei Männern als professionell und zielbewusst gilt, bei Frauen als anrüchig und intrigant gedeutet wird. Besonders fällt das auf, wenn das Verhältnis von Sahra Wagenknecht und mir beschrieben wird. Entweder ist es ein Zickenkrieg oder eine Hexenverschwörung gegen einen anderen Mann. Professionelle, kollegiale Zusammenarbeit zweier Frauen jenseits dieser Extreme kommt da nicht vor.
Wäre es ein legitimes Mittel von Machtpolitik, wenn man versucht, einzelne Personen in der Partei aus einflussreichen Positionen fernzuhalten?
Zumindest ist es legitim, sich bei demokratischen Wahlen für oder gegen eine Person auszusprechen. Vorsitzende sollten damit sehr sparsam vorgehen, aber da wir in besonderer Weise von Wahlentscheidungen betroffen sind, finde ich es legitim, wenn wir uns dazu äußern.
Es gibt ein Papier, in dem von "personellen No-Gos" die Rede ist. So werden dort Menschen bezeichnet, die gezielt aus den höheren Ebenen der Partei herausgehalten werden sollen. Dieses Papier soll aus Ihrem Büro kommen. Haben Sie Ihre Mitarbeiter zur Rede gestellt?
Das Papier ist stilistisch absolut daneben. Ich bin empört, dass mir dieses Papier unterstellt wird. Wer das behauptet, hat schlecht recherchiert. Ich habe einen Anwalt beauftragt, eine Gegendarstellung juristisch durchzusetzen. Ich kannte das Papier nicht, bis es der "Tagesspiegel" diese Woche online gestellt hat. Jetzt habe ich es mir durchgelesen und kann nur sagen: Wenn man sich die Urteile ansieht, die dort gefällt werden, weiß man, dass es aus einer ganz anderen Strömung kommt.
Von welcher Strömung sprechen Sie?
Das Papier ist auf jeden Fall nicht von der Mitte und dem "dritten Weg" geprägt.
Auf dem Parteitag haben Sie sich offen gegen Ihren damaligen Schatzmeister Raju Sharma gestellt, der wiedergewählt werden wollte. Allerdings haben Sie die Gründe, warum Sie mit ihm nicht zurechtkommen, nicht offen ausgesprochen. Warum nicht?
Große Teile des Geschäftsführenden Vorstandes sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser ist die Kandidatur von Thomas Nord zu unterstützen. Wir wollten die Partei niemals erpressen, uns war wichtig, unsere Position transparent zu machen. Dabei wollten wir nicht unsere Kritik an Raju nennen, sondern nur sagen, warum wir uns für den Kandidaten Thomas Nord aussprechen. Ich möchte nochmals sagen: Das Ziel war nicht, Gerüchte zu befördern. Wir wollten Fernsehaufnahmen vermeiden, durch die sich unsere Kritik an Raju weit verbreitet. Darum haben wir die Kritik immer nur mündlich vor Parteimitgliedern öffentlich gemacht, wenn keine Medien anwesend waren. Leider wurde unser Angebot, unsere Kritik bei Delegiertenberatungen der Länder - gern auch unter Anwesenheit der beiden Kandidaten - vorzutragen, nicht breit wahrgenommen.

Raju Sharma sieht sich als Opfer einer Diffamierungskampagne der Parteivorsitzenden.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Sie haben öffentlich gesagt, dass es Kritik gibt, aber nicht, was es für Kritik gibt.
Innerparteilich haben wir Kritikpunkte genannt. Wenn Medien dabei waren, haben wir das nicht gemacht. Genau das wird uns jetzt vorgeworfen. Wahrscheinlich hätten wir das anders angehen müssen und von Anfang an sagen, was unser Eindruck ist: dass es uns um ein kooperatives Zusammenarbeiten geht und dieses mit Thomas Nord möglich ist. Mit Raju haben große Teile des geschäftsführenden Vorstandes andere Erfahrungen gemacht.
Das heißt: Sie haben einen Fehler gemacht.
Rückblickend wird ein positives Ansinnen unsererseits, nämlich keine öffentlichen Artikel zu produzieren, die Raju auch beruflich schaden könnten, gegen uns gewandt. Leider auch von dem Betroffenen selber. Dabei war er ja auch bei der Sitzung des Bundesfinanzrates anwesend, wo wir unsere Kritikpunkte parteiöffentlich gemacht haben. Seit er hauptberuflich in führender Position in der Staatskanzlei in Kiel arbeitet, war er deutlich seltener bei den Sitzungen des Geschäftsführenden Vorstandes. Dadurch wurde die ohnehin angespannte Kommunikationssituation verschärft.
Worin bestand diese "angespannte Kommunikationssituation" und was waren die weiteren Kritikpunkte von Ihnen an Raju Sharma?
Ich wiederhole jetzt nur, was wir im Bundesfinanzrat gesagt haben und was ich nicht öffentlich gemacht hätte, wenn es nicht von dem Betroffenen selber gefordert worden wäre: Erstens: Zentrale Vorlagen in Finanzfragen sind nicht mit uns kommuniziert worden. Als wir zum Beispiel einen Sparhaushalt machen mussten, hat er eine Streichliste gemacht, ohne je mit uns darüber zu sprechen. Zweitens: Es gab oft das Gefühl, dass Vetos auch bei kleineren Beträgen willkürlich angedroht werden. Und drittens hatten wir nicht das Gefühl, dass eine kooperative Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden angestrebt wird.
Herr Sharma verweist darauf, dass er nur zwei Mal sein Veto eingelegt hat. Einmal ging es um eine Mitgliederzeitung und einmal um einen Zuschuss für den Jugendverband ...
Ich spreche vor allem von der Androhung von Vetos, und die war weitaus häufiger.
Herr Sharma sagt auch, die Delegierten auf dem Parteitag hätten den Eindruck bekommen, er hätte in die Kasse gegriffen. Diesen Eindruck hätten Sie, Bernd Riexinger und Jan van Aken mit Ihren Fürsprachen für Thomas Nord erweckt. Wenn die Delegierten diesen Eindruck nicht gehabt hätten, wäre er heute noch Schatzmeister. Das Ergebnis war sehr knapp.
Ich kann nur noch einmal sagen: Unser Ziel war es zu keinem Zeitpunkt, Gerüchte zu streuen. Wenn jemand mit diesem Gerücht vor der Fürrede zu uns gekommen wäre, hätten wir das auch klargestellt. Wir haben inzwischen auch im Vorstand klargestellt, dass Raju weder gegen die Satzung noch gegen die Finanzordnung verstoßen hat. Am Ende hat nun einmal eine Wahl stattgefunden. Und es gehört zum demokratischen Prozess, dass man dieses Ergebnis akzeptiert.
Mit Katja Kipping sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de