FDP will intelligentere Lösung Wird die Praxisgebühr reformiert?
10.12.2011, 14:44 Uhr
Als Steuerungsinstrument für weniger Arztbesuche ist die Praxisgebühr gescheitert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Durchschnittlich 18 Mal im Jahr gehen die Deutschen zum Arzt. An dieser recht hohen Zahl hat auch die Praxisgebühr nichts geändert. Die Koalition sucht daher für das kommende Jahr nach anderen Lösungen. Doch wie die konkret aussehen sollen, ist noch unklar.
Die Koalition will nach den Worten des gesundheitspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Heinz Lanfermann, im kommenden Jahr die Praxisgebühr reformieren. Ungeachtet der Gebühr gingen die Deutschen im Durchschnitt 18 Mal im Jahr zum Arzt, sagte Lanfermann. Das seien weit mehr Arztbesuche als in vergleichbaren Ländern. Er habe das 2004 eingeführte System - zumal im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs - schon immer als verfehlt betrachtet, fügte Lanfermann hinzu.
Es gehe bei einer Reform darum, mehr auf Eigenverantwortung der Versicherten zu setzen. Gegen eine kleine, sozial abgefederte Selbstbeteiligung sei nichts einzuwenden, sagte Lanfermann. Aber eine Gebühr pro Arztbesuch "lehne ich ab". Mehr Eigenverantwortung könnte etwa durch mehr Transparenz bei den Behandlungskosten geschaffen werden, sagte Lanfermann. So könnten die Patienten nach dem Erstattungsprinzip die Abrechnungen der Behandlungen bekommen, ohne jedoch in Vorkasse gehen zu müssen.
Es gehe bei der Reform auf jeden Fall nicht um eine Steigerung der Einnahmen - die Gesamteinnahmen durch die Praxisgebühr lägen unter zwei Milliarden Euro. Für ein intelligenteres System könne man - angesichts der guten Kassenlage - sogar auf einen Teil verzichten, machte Lanfermann deutlich.
"Keine konkreten Pläne"
Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es unterdessen, dass es derzeit keine konkreten Pläne für einschneidende Änderungen bei der Praxisgebühr gebe. Überlegungen, eine Praxisgebühr pro Arztbesuch zu erheben, kämen nicht aus dem Ministerium, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zu einem Bericht der "Bild"-Zeitung.
Union und FDP hatten bei ihrem Regierungsantritt vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart, über eine Reform der Praxisgebühr zu sprechen. Die "Bild"-Zeitung berichtete nun unter Berufung auf Koalitionskreise, Bahr wolle ab Frühjahr 2012 Alternativen zur derzeitigen Ausgestaltung prüfen. Eine Möglichkeit sei auch die Einführung einer Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch. Bahrs Sprecher betonte indes, in der Koalition sei über die Reform der Gebühr noch nicht gesprochen worden.
Derzeit müssen alle gesetzlich versicherten Patienten ab 18 Jahren eine Praxisgebühr von zehn Euro bezahlen, wenn sie das erste Mal in einem Quartal zu einem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten gehen. Die Gebühr soll die Patienten auch von überflüssigen Arztbesuchen abhalten.
Nicht weniger Arztbesuche
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Lars Lindemann sagte "Bild", die jetzige Praxisgebühr habe "keinerlei steuernde Funktion". Deshalb müssten 2012 Alternativen geprüft werden. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer sagte dem Blatt, "der Effekt, die Zahl der Arztbesuche zu dämpfen", sei mit der jetzigen Gebühr nicht erreicht worden. Deshalb werde eine "unbürokratischere, bessere Lösung" geprüft.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hatte kürzlich gefordert, die Koalition müsse sich noch in der 2013 endenden Legislaturperiode mit der Praxisgebühr befassen. Diese erfülle ihre "Steuerungsfunktion offenkundig nicht ausreichend, nämlich ein Nachdenken darüber zu befördern, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist", sagte er der Wochenzeitschrift "Das Parlament". Spahn verwies darauf, dass die Deutschen mit im Schnitt 18 Besuchen "sehr viel zum Arzt gehen".
Der Duisburger Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte der "Bild"-Zeitung, fünf Euro pro Besuch machten "mehr Sinn als die jetzige Gebühr". Der Kieler Sozialexperte Thomas Drabinski brachte sogar eine Selbstbeteiligung an den Behandlungskosten von bis zu zehn Prozent ins Gespräch. Das seien in der Regel fünf bis zehn Euro pro Arzttermin. Auch der Chef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, sagte, "als Steuerungsinstrument für weniger Arztbesuche ist die Praxisgebühr gescheitert".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP