Politik

Der Kanzlerinnen-Spagat Wohin die Wähler wanderten

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(Foto: dpa)

Der Tag nach der Bundestagswahl ist der Tag der Analysten. Freilich, es war die Wahl der Superlativen: Die geringste Wahlbeteiligung, die wenigsten Stimmen für SPD und CDU seit Bestehen der Bundesrepublik, und die "Kleinen" erstmals durchweg zweistellig.

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(Foto: AP)

Mehr und mehr mischen sich kritische Töne in die Jubelstimmung. "Wir hätten uns für die CDU einige Prozentpunkte mehr gewünscht", räumte auch Generalsekretär Ronald Pofalla im Gespräch mit n-tv ein. Pofalla wird CDU-intern als künftiger Arbeitsminister gehandelt. Und Pofall verspricht für die kommenden Wochen eine schonungslose Analyse des Geschehens.

Die jetzt erzielten 33,8 Prozent sind nicht nur das schlechteste Ergebnis seit 1949 für die Union. In absoluten Zahlen verlor die CDU gegenüber dem bereits schwachen Ergebnis von 2005 nochmals 1,3 Millionen oder zehn Prozent ihrer Wähler und die CSU mit einem Minus von 660.000 sogar jeden fünften Wähler. Der Wirtschaftsflügel der CDU fordert bereits Konsequenzen für die Unionspolitik.

Wanderung zu Westerwelle

Ein Teil der Unionsanhänger wanderte direkt zur FDP, die damit nun selbstbewusst wie nie auftreten kann. FDP-Chef Guido Westerwelle kann auf mehr als doppelt so viele Mandate im neuen Bundestag verweisen wie die CSU. Möglicherweise wird er auch auf doppelt so viele Ministerämter pochen, also vier für die FDP, während sich die CSU mit zweien begnügen müsste, obwohl sie eigentlich von einem dritten Ressort geträumt hat.

Forderungen als Scheidungsgrund

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(Foto: dpa)

Mit Westerwelle zog sich Merkel noch am Wahlabend für eine Viertelstunde zu einem Vier-Augen-Gespräch zurück, bevor sie spätabends im Kanzleramt noch Telefonate führte. Beide wären schon 2005 gern gemeinsam auf die Regierungsbänke gesprungen. Doch vielen FDP-Forderungen, wie etwa nach Lockerung des Kündigungsschutzes oder Abschaffung des Gesundheitsfonds, hat Merkel im Wahlkampf bereits eine Absage erteilt. Die Steuerpläne der FDP gehen weit über die der Union hinaus.

Warnung vor dem Höhenflug

"Ich hebe nicht ab", ließ Westerwelle die Union bereits wissen. Doch die Warnungen aus der CDU kamen prompt. Merkel, CDU-Vize Christian Wulff und andere mahnten vor Übermut. "Jetzt gilt die Hoffnung natürlich auch, dass die FDP nicht abhebt, dass sie nicht die Bodenhaftung verliert", sagte Wulff. Merkel merkte bereits am Wahlabend an, dass die CDU nun trotz ihrer leichten Verluste in der neuen Koalition ein größeres Gewicht habe als vorher im Bündnis mit der fast gleich starken SPD.

Weniger Stimmen – mehr CDU

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger - kein Freund der Kanzlerin - stieß ins gleiche Horn. "Die FDP wird in der Koalition, die wir bilden wollen, ein weit kleinerer Partner sein als die SPD. Das heißt: Es wird mehr CDU werden", sagte er. Wulff betonte zugleich, die Union werde mit der FDP erfolgreicher regieren. "Mit der FDP geht es leichter, wieder Profil zu zeigen und auch das Konservative, das Wertkonservative, das liberale Element zum Tragen zu bringen und nicht ständig Formelkompromisse machen zu müssen."

Der Kanzlerinnen-Spagat

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(Foto: REUTERS)

Vor Angela Merkel steht eine Mammut-Aufgabe: Sie muss den CDU-Kurs zwischen einer starken FDP und einer geschwächten CSU mit einem angeschlagenen Parteichef Horst Seehofer finden. Sie muss Wähler von der FDP zurückholen und gleichzeitig enttäuschte SPD-Anhänger halten. "Die Wähler von Johannes Rau und Helmut Schmidt" müssten zur CDU gezogen werden, formuliert es Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, dessen CDU/FDP-Regierung schon im Mai zur Landtagswahl antreten muss. Und er beeilte sich mit klaren Ansagen. Die schwarz-gelbe Koalition werde kein Bündnis der Zumutungen. Es gehe um Wachstumspolitik für mehr Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich. Union und FDP hätten beide ein gemeinsames Interesse daran, Nordrhein-Westfalen zu halten. Denn eine Niederlage würde die nach dem knappen Sieg von CDU und FDP in Schleswig-Holstein gerade erreichte Mehrheit für Schwarz-Gelb auch im Bundesrat sofort wieder zunichte machen.

Nordrhein-Westfalen als Stammland der Sozialdemokraten zu verlieren, böte zudem der SPD unverhofft einen schnellen Auftrieb nach dem Wahldebakel vom Sonntag. "Wir werden deshalb alles vermeiden, was einen Sieg in NRW für Schwarz-Gelb gefährden könnte", sagte ein CDU-Vorstandsmitglied. Streit in der künftigen Bundesregierung könnte dies ebenso gefährden wie allzu konkrete Einschnitte für die Bürger.

Quelle: ntv.de, ppo/rts

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