Transparency und DJV bleiben fern Wulff empfängt verdiente Bürger
12.01.2012, 07:10 Uhr
Der Deutsche Journalisten-Verband und die Anti-Korruptionsorganisation Transparency nehmen erstmals nicht am Neujahrsempfang des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue teil. Hintergrund sind die Affären um Christian Wulff. Inzwischen legt erstmals auch ein CDU-Bundestagsabgeordneter Wulff den Rücktritt nahe.
Inmitten der Kredit- und Medienaffäre hat Bundespräsident Christian Wulff verdiente Bürger und Vertreter von gesellschaftlichen Gruppen zum traditionellen Neujahrstreffen empfangen.
Den Auftakt machten Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Vertreter der Medien, der Bundeswehr, der Kirchen und Kommunen. An der Seite von Wulff begrüßte seine Ehefrau Bettina die Gäste in Schloss Bellevue. Gegen Mittag empfängt der Bundespräsident Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Kabinett.
Wulff steht wegen eines Privatkredits für sein Eigenheim, wegen kostenloser Urlaube bei Freunden aus der Wirtschaft und wegen seines Umgangs mit den Medien seit einem Monat in der Kritik.
Transparency kommt nicht
Zuletzt sorgte der Vorwurf mangelnder Transparenz bei der Aufklärung der Affäre für Diskussionen. Deshalb sagten die Vorsitzende der Antikorruptions-Organisation Transparency International, Edda Müller, und der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, ihre Teilnahme ab.
"Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", begründete Müller im Gespräch mit n-tv. "Der Bundespräsident setzt auf Business as usual und auf das Vergessen der Menschen – das ist nicht die richtige Art und Weise nach unserer Meinung, wie man mit den Vorwürfen umgehen soll." Müller fordert eine aktive und tatkräftige Aufklärung, wie er es auch vor diesen vielen Zuschauern in seinem TV-Interview versprochen habe.
Müller kritisierte bei n-tv die "Art der Inszenierung". Auf der einen Seite bekenne sich der Bundespräsident zu Fehlern, inszeniere eine Art Demut vor einem Millionenpublikum und setze dieses dann nicht in die Tat um. Für Müller ist das Verhalten Wulffs "völlig unverständlich" und sie fragt sich: "Ist hier wirklich die Abstimmung mit den Anwälten nicht gelungen oder will Wulff bewusst etwas aussitzen und glaubt, er könnte mit einem Mitleidseffekt erreichen, dass er im Amt bleiben kann?"
Die Organisation, die sich der Bekämpfung der Korruption in Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft widmet, hatte in den vergangenen Jahren stets die Vorsitzende zu dem Neujahrsempfang entsandt.
Wulff steht wegen eines Privatkredits für sein Eigenheim, wegen kostenloser Urlaube und wegen seines Umgangs mit den Medien seit einem Monat in der Kritik. Momentan konzentriert sich die Kritik darauf, dass seine Anwälte die geforderte Veröffentlichung aller Informationen zur Kredit- und Medienaffäre "aus Rechtsgründen" verweigern. Eine Offenlegung der Anfragen von Journalisten würde deren Recht am eigenen Wort und an dem Schutz ihrer Rechercheergebnisse oder -ziele verletzen, argumentieren die Anwälte.
Thierse kritisiert Geheimhaltung
Der SPD-Rechtsexperte Sebastian Edathy sagte der "Passauer Neuen Presse", er könne dies nicht nachvollziehen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Journalisten ein Problem mit der Veröffentlichung hätten", sagte Edathy. "Das ist an den Haaren herbeigezogen." Wulffs Verhalten sei bizarr.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Wulff müsste seine Anwälte von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreien. Den Nachfragenden ging es schließlich gerade um die Herstellung von Öffentlichkeit". Thierse erklärte: "Es wäre im Interesse des Bundespräsidenten, wenn er seiner Ankündigung von voller Transparenz auch entsprechende Taten folgen ließe und nicht die Einschränkung durch seine Anwälte hinnimmt."
"Schrecken ohne Ende"
Neben der Opposition wächst auch in der Union der Unmut darüber, dass Wulff nicht wie angekündigt alle Details zugänglich macht. "Wulff hat im Fernsehen vor 18 Millionen Bürgern zugesichert, dass die 450 Fragen beantwortet und offengelegt werden. Ich denke, darauf warten wir alle und das muss jetzt auch passieren", sagte der CDU-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Björn Thümler, der "Nordwest-Zeitung". Er sieht die Affären zunehmend als Belastung für die CDU. "Da gibt es gar kein Vertun."
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann legte Wulff den Rücktritt nahe. "Das Amt ist schon jetzt beschädigt, allein durch die Tatsache der öffentlichen Diskussion", sagte Wellmann dem ZDF. "Mein persönlicher Rat an ihn wäre, dass er sich das nicht länger zumutet, sich, seiner Familie und dem Amt." Ein Staatsoberhaupt solle den Menschen Orientierung geben. "Viele leiden darunter, dass dieses Amt und dieser Bundespräsident so in der Diskussion sind." Ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sieht das anders. Er fordert ein Ende der Debatte um Wulff. "Die Dinge sind gelaufen, wie sie gelaufen sind. Christian Wulff hat viel zur Aufklärung beigetragen. Eine Fortsetzung der Debatte schadet dem Ansehen unseres höchsten Staatsamtes", sagte Hundt der "Passauer Neuen Presse". Keiner der Vorwürfe wiege so schwer, dass Wulff zurücktreten müsse.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts