Bundespräsident im Online-Sturm Wulff erzeugt Twitter-Welle
05.01.2012, 12:51 Uhr
Originelle und weniger originelle Schlagzeilen: Der Fall Wulff ist ein gefundenes Fressen - nicht nur für die Presse.
(Foto: dapd)
Die Erklärungsversuche des Bundespräsidenten sorgen nicht nur im deutschen Blätterwald für anhaltenden Wirbel. Auch im Internet zählt das Wulff-Interview zu den heiß diskutierten Themen. Freimütig äußern Nutzer ihre Meinung - und sparen nicht an Kritik, Spott und Häme.
So viel ist sicher: Bundespräsident Christian Wulff schreibt Geschichte. Noch niemals zuvor hat sich ein Bundespräsident dem Druck seiner Kritiker beugen müssen und in einem Interview offen seine Fehler eingestanden (zum Wulff-Interview im Wortlaut).
Der Fall Wulff und sein Umgang mit Medien und Privatkrediten schlagen dabei nicht nur in der Presselandschaft hohe Wellen. Die Echos der Affäre hinterlassen auch in der öffentlichen Debatte im Internet deutliche Spuren. In den Kanälen des Kurznachrichtendienstes Twitter zum Beispiel zählt das Wulff-Interview auch am Tag nach der Ausstrahlung noch zu den meistdiskutierten Themen. Der Gradmesser Twitter macht deutlich: Wulffs Versuch eines medialen Befreiungsschlags ruft ein bestenfalls durchmischtes Echo hervor.
Die Reaktionen der Twitter-Nutzer reichen von oberflächlicher Belustigung und sarkastischen Kommentaren über Unverständnis und Empörung bis zu beißender Kritik. "Wulff tritt nur zurück, wenn er Wetten Dass übernehmen darf", behauptet zum Beispiel ein Nutzer namens @Waalschlappe. Der "ZDF-AB" sei "schon besprochen". "Canossa ist auch nicht mehr das, was es mal war", wirft @Babsannette ein. Und Twitter-Nutzer @BendlerBlogger meint: "Für ein Land, in dem 1000 ganz legale Steuertricks ein Bestseller sind, gibt es keinen repräsentativeren Präsidenten als Christian Wulff."
Demo vor Bellevue geplant
Jedoch wollen bei weitem nicht alle Nutzer das Thema auf die leichte Schulter nehmen. "Man darf sich Geld von seinen Freunden leihen, Herr Wulff", wendet sich zum Beispiel @Benkrov direkt an das Staatsoberhaupt. "Aber wer so viel Geld bekommt wie Sie, muss ein Vorbild sein." Wulffs Antworten seien "teilweise noch ergänzungs- oder korrekturbedürftig", meint auch @msmfun. In seinem Tweet spricht er von einem "Salami-Wulff wie er leibt und lebt, nur echt mit Freibrief vorneweg".

Die Schlüsselbegriffe aus den Antworten von Bundespräsident Christian Wulff, visualisiert mit dem Online-Tool Wordle.
(Foto: dpa)
Einzelne Stimmen wollen ihrer Empörung sogar lautstark Luft machen: "Aus aktuellem Anlass" ruft zum Beispiel Twitterer @SebJabbusch die Netzgemeinde zu einer öffentlichen Protestkundgebung auf. "Demo gegen Wulff - Sa 14 bis 16h vor dem Schloss Bellevue", heißt es unter Hinweis auf eine Termin-Ankündigung bei Facebook. Dort haben bislang knapp 400 Teilnehmer fest zugesagt, "Wulff den Schuh zeigen" zu wollen.
Parallelen zum tiefen Fall des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg werden gezogen. "Wulff ist spätestens jetzt oberster Anwärter auf die goldene Guttenberg-Medaille für fortgeschrittene Uneinsichtigkeit", fasst @sixtus seine Eindrücke nach dem Interview zusammen. Härter geht @loremkonto mit Wulff ins Gericht: "Nach dem Lesen der , ist ein Rücktritt leider unausweichlich. Bewährung abgelehnt!"
Wulffs Umgang mit den Medien
Besonders kritisch beleuchtet wird, dass sich Wulff zunächst nur gegenüber zwei öffentlich-rechtlichen Sendern erklärt. Das ZDF selbst sah sich veranlasst, sich den im Vorfeld des Interviews aufkommenden Fragen mit einer eigenen Erklärung zu stellen. Auch der Umstand, dass das Interview aufgezeichnet und zeitverzögert ausgestrahlt wurde, sorgte für Unmut. "Sperrfristen-Unsinn des Wulff Interviews macht ihn noch lächerlicher, aber auch ARD & ZDF weil sie sich auf den Kindergeburtstag einlassen", twitterte dazu @tknuewer.
"Bundespräsidenten werden ja total überbewertet", urteilte dagegen @tkrooss. Vielen Twitter-Nutzern scheint die Online-Debatte ohnehin in die falsche Richtung zu zielen. "Die sollen aufhören sich alle über diesen Wulff-Kleinkram aufzuregen, es gibt ja wohl echt wichtigere Dinge", meinte zum Beispiel @H4shWorks.
Zumindest in den Twitter-Trends für Deutschland schien sich diese Ansicht zu bestätigen: Schon nach wenigen Stunden hatte die Twitter-Gemeinde ein neues Thema gefunden. In der Rangliste der meistdiskutierten Twitter-Themen drängten die Wortmeldungen zur RTL-Show "Der Bachelor" das Thema "Wulff" wieder in den Hintergrund.
Quelle: ntv.de, mmo