Besuch in Fukushima Wulff sichert Opfern Hilfe zu
25.10.2011, 11:15 Uhr
Bundespräsident Wulff spricht in Fukushima mit Opfern.
(Foto: dpa)
Nach dem Reaktorunfall von Fukushima leben noch tausende Menschen in Behelfsunterkünften. Bundespräsident Wulff sichert ihnen bei einem Besuch weitere Hilfe aus Deutschland zu. Den Atomausstieg in Deutschland rückt Wulff dabei in historische Dimensionen.
Bundespräsident Christian Wulff hat bei einem Besuch im Katastophengebiet von Fukushima Opfern und Hinterbliebenen weitere Hilfe aus Deutschland zugesagt. In Iwaki, etwa 50 Kilometer von der Stadt Fukushima entfernt, traf Wulff Menschen, die nach dem Reaktorunfall ihre Häuser verlassen mussten. Auch sieben Monate nach Erdbeben, Tsunami und Atomunfall leben noch Tausende in Behelfwohnsiedlungen. Etwa 16.000 Menschen kamen damals ums Leben, 4000 gelten noch als vermisst.
Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Tsukuba-Universität in Tokio hatte Wulff zuvor den Atomausstieg in Deutschland als "Jahrhundertprojekt" bezeichnet und mit dem Plan zur Mondlandung verglichen. Im Gegensatz zum US-amerikanischen "Man on the Moon Project" der 60er Jahre vollziehe sich die Energiewende in Deutschland in vielen kleinen Schritten. Dazu gehörten Fortschritte bei der Energieeffizienz, wo Japan Vorreiter sei.
Fortschritt und Nachhaltigkeit
Die Katastrophe von Fukushima zeige, sagte Wulff vor der Universität weiter. Deshalb müsse immer auch das "Undenkbare" mitgedacht werden. Zugleich müsse Fortschritt mit Nachhaltigkeit einhergehen. Angesichts des Klimawandels werde deutlich, dass Wachstum künftig von immer höherem Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden müsse.
Die Welt muss sich nach den Worten von Wulff die Begeisterungsfähigkeit für technische Neuerungen unbedingt erhalten, gleichzeitig aber, etwa bei der Stammzellenforschung, grundsätzliche Diskussionen um den Wert und die Würde menschlichen Lebens führen. Technischer Fortschritt müsse immer auch an ethischen Grundfragen gemessen werden. "Nicht alles, was technisch machbar ist, soll auch wirklich gemacht werden."
Zusammenhalt der Generationen
Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik sagte Wulff, wissenschaftliche Expertise müsse gesellschaftliche und politische Willensbildung stets begleiten. Die Entscheidungsfindung selbst aber müsse bei den gewählten Volksvertretern liegen.
Um den Zusammenhalt der Generationen nicht zu gefährden, dürfe die jetzige Generation nicht durch ein Leben auf Pump den Wohlstand der Zukunft verbrauchen. "Das gilt für unsere private und staatliche Verschuldung, aber auch für unseren Umgang insgesamt mit den Ressourcen", sagte Wulff.
Im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall ist ein internationales Forscherteam aus Norwegen, Österreich, Spanien und den USA zu dem Ergebnis gekommen, dass durch den Super-GAU in Fukushima 2,5-mal so viel radioaktives Edelgas Xenon-133 freigesetzt wurde wie durch Tschernobyl. In höheren Konzentrationen wirkt Xenon erstickend.
Studie: "Strukturelle Schäden" an Reaktoren
Es gibt laut Studie zudem "starke Hinweise" darauf, dass die Freisetzung am 11. März 2011 infolge des Erdbebens bereits gegen 15 Uhr japanischer Zeit und somit noch vor dem Eintreffen des Tsunami begann. Für die Wissenschaftler ein Hinweis für "strukturelle Schäden" an den Reaktoren durch die Einwirkungen durch das Erdbeben um 14.46 Uhr.
"Das Studienergebnis ist somit ein weiterer Beleg dafür, dass die Darstellung der Atomindustrie, der japanischen Regierung, aber auch der deutschen Reaktorsicherheitskommission, wonach das Erdbeben alleine - ohne den dadurch ausgelösten Tsunami - nicht zum Super-GAU geführt hätte, falsch sein dürfte", so Henrik Paulitz, Atomexperte der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa