Politik

Operation Interview Wulff "zelebriert Kniefall"

Bundespräsident Wulff hat aus Expertensicht alles gegeben. Allerdings lässt er wirkliches Unrechtsbewusstsein vermissen, deshalb taugt das Interview auch nicht als Befreiungsschlag. Profitieren könnte Wulff aus anderen Gründen.

Den hat der Tübinger Medienforscher Bernhard Pörksen als gelungen bewertet. "Das war ein öffentlich zelebrierter Kniefall", sagte der auf Skandale spezialisierte Wissenschaftler der Nachrichtenagentur dpa, eine "massive Demutsgeste".

Wulffs Auftritt war gut kalkuliert.

Wulffs Auftritt war gut kalkuliert.

(Foto: dpa)

In dem Interview von ARD und ZDF sei es für ihn darum gegangen, einerseits die Würde des Amtes zu wahren und unter Beweis zu stellen, dass er dieser gerecht wird. Andererseits habe Wulff eine ernsthafte Reuebekundung abgeben müssen. "Das hat er geschafft."

Kein Unrechtsbewusstsein

Der Tübinger Professor für Allgemeine Rhetorik Joachim Knape sieht das anders. Seiner Ansicht nach habe Wulff kein Unrechtsbewusstsein gezeigt. "Ein oder zwei Fehler werden eingeräumt, aber auf die Stufe eines kleinen moralischen Versagens herabgestuft", sagte Knape dpa.

Der Kommunikationsexperte vergleicht Wulffs Taktik mit derjenigen von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): Auch dieser habe zugegeben, nicht richtig gehandelt und Fehler gemacht zu haben, einen Betrug aber nie eingeräumt.

Reputationsaufbau dauert

Wulffs Zukunft bleibt nach Meinung des Wissenschaftlers Pörksen offen. "Man kann nicht auf einen Befreiungsschlag durch ein Interview hoffen", sagte Pörksen. Der Reputationsaufbau nach einem Skandal dauere sehr lange, der Reputationsverlust gehe hingegen sehr schnell.

Mehr habe Wulff in dem Interview aber auch nicht leisten können, meinte Pörksen. "Als Bundespräsident sind Sie an ein Repräsentationskorsett gefesselt." Wäre Wulff weitergegangen, hätte das womöglich neue Fragen aufgeworfen wie etwa die, ob sich ein Bundespräsident derart entblößen dürfe.

Spielen auf Zeit

Dass Wulff trotz der Kritik an seinem Hauskredit und dem Umgang mit den Medien im Amt bleiben wolle, das könne ihm gelingen, meinte Pörksen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Problem, dass sie einen möglichen Nachfolger angesichts der neuen Machtverhältnisse im Land nicht durchbringen könne.

SPD-Chef Sigmar Gabriel habe schon früh angedeutet, dass ein Rücktritt eine Staatskrise auslösen könnte. "Es gibt eine gewisse Beißhemmung bei der Opposition", sagte Pörksen. Die Empörung beim Publikum sei zudem geringer als bei den Medien.

Quelle: ntv.de, dpa

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