Politik

Ministerium bestätigt Zusammenarbeit Wurde Ex-RAF-Mitglied Becker bezahlt?

Ungeklärter Mord: Der Tatort kurz nach dem Anschlag auf Buback und seine Begleiter.

Ungeklärter Mord: Der Tatort kurz nach dem Anschlag auf Buback und seine Begleiter.

(Foto: AP)

Die ehemalige Angehörige der "Rote-Arme-Fraktion", Verena Becker, hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet. Im Gegenzug sei die Geheimhaltung zugesichert worden, sagte ein Sprecher von Minister Wolfgang Schäuble (CDU). Das Ministerium prüfe jetzt die Herausgabe der Akten an die Generalbundesanwaltschaft. Diese erhofft sich neue Erkenntnisse über eine mögliche Beteiligung Beckers am Attentat auf den früheren Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977. Becker war vorige Woche nach neuen Erkenntnissen verhaftet worden. Die Umstände des von RAF-Terroristen in Karlsruhe verübten Attentats auf Buback und zwei seiner Begleiter sind nach wie vor ungeklärt.

Keine Angaben machte das Innenministerium dazu, ob Becker für ihre Zusammenarbeit bezahlt worden sei. Sie habe nach ihren Hinweisen auf mögliche RAF-Komplizen Geld bekommen, berichtete der ehemalige Verfassungsschutz-Beamte Winfried Ridder in einer ARD-Dokumentation über den Mord an Buback. Der als RAF- Experte bekannte Ridder kritisierte zudem, dass es bei der Fahndung "massenhaft Versäumnisse" gegeben habe. Laut "Bild"-Zeitung soll Becker 100.000 Mark (rund 50.000 Euro) bekommen habe. Dass Informanten vom Verfassungsschutz Geld erhalten, gilt in Sicherheitskreisen als üblich. Allerdings klinge eine sechsstellige Summe ungewöhnlich hoch, hieß es.

Akteneinsicht problematisch

Ob und wann die Verfassungsschutzakten herausgegeben würden, stehe noch nicht fest. Das müsse sorgfältig geprüft werden, teilte das Ministerium mit. Dabei müsse das Geheimhaltungsinteresse des Verfassungsschutzes gegen das Interesse des Staates an Strafverfolgung abgewogen werden. Becker war wegen Verdachts der Beteiligung an dem mittlerweile 32 Jahre zurückliegenden Mord an Buback und seinen Begleitern in der vergangenen Woche verhaftet worden. Die Verfassungsschutzakten sind nach Angaben des Innenministeriums mit einem Sperrvermerk versehen und dürfen deshalb nicht vor Gericht verwendet werden.

Becker nach ihrer Festnahme (links) in Begleitung einer Kriminalbeamtin.

Becker nach ihrer Festnahme (links) in Begleitung einer Kriminalbeamtin.

(Foto: dpa)

Verena Becker hatte bis zu ihrer Begnadigung 1989 eine lebenslange Haftstrafe wegen mehrfachen Mordversuchs verbüßt. Sie soll dem Verfassungsschutz Hinweise auf die Täter gegeben haben. Die Bundesanwaltschaft hat laut Innenministerium bereits 1982 und 2007 Akteneinsicht erhalten, aber eine Verwertung vor Gericht war wegen dieses Vermerks nicht möglich.

Die Bundesanwaltschaft beantragte deshalb, die Akten in "gerichtsverwertbarer Form" herauszugeben, wie ein Sprecher sagte. Auf Informationen aus solchen Quellen sei ein Geheimdienst wie der Verfassungsschutz angewiesen. Wenn nun in solche Akten doch Einsicht gegeben werde, könnte der Verfassungsschutz künftig Probleme haben, Informanten anzuwerben.

SPD droht mit Verfassungsgericht

Der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum verlangte, das Votum von Minister Wolfgang Schäuble unbedingt zu respektieren. Nur der Innenminister könne entscheiden, ob Interessen der Sicherheitsbehörden gefährdet seien, sagte Baum dem RBB.

Schäuble sperrt sich bislang gegen einer Herausgabe der Papiere - warum?

Schäuble sperrt sich bislang gegen einer Herausgabe der Papiere - warum?

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte Schäuble auf, die Akten schnell freizugeben, damit die Wahrheit endlich herauskomme. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat etwas zu verbergen hat", sagte Wiefelspütz dem "Kölner Express". Notfalls müsse man Schäuble zur Freigabe zwingen, etwa mit dem Gang vor das Verfassungsgericht oder mit einem Untersuchungsausschuss.

Todesschütze Wisniewski?

Laut "Bild"-Zeitung sollen sich die Verfassungsschützer insgesamt fünfmal mit Becker in einer konspirativen Wohnung in Köln getroffen haben. Sie soll dem Verfassungsschutz Hinweise zur Festnahme der Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar gegeben haben. Dem Bericht zufolge informierte sie den Verfassungsschutz möglicherweise auch über Sprengvorrichtungen der RAF und über sogenannte Vollversammlungen der RAF-Kommandoebene, bei denen festgelegt wurde, wen die RAF als Nächsten ermorden wollte. Zudem habe sie Stefan Wisniewski als den Todesschützen beim Buback-Attentat benannt, bestätigt Ex-Verfassungsschützer Ridder.

Auch SWR-Autor Egmont R. Koch hält nach seinen Recherchen den früheren RAF-Terroristen Wisniewski für den wahrscheinlichen Schützen auf dem Tatmotorrad beim Buback-Attentat. "Ich habe bei meiner Arbeit an dem Film keinen Anlass gefunden, an der Aussage von Frau Becker zu zweifeln", sagte Koch. Zudem sei der bisher verdächtigte Knut Folkerts Linkshänder, die Schüsse sollen nach Zeugenaussagen aber von der rechten Seite her abgegeben worden sein. Koch bezweifelt zudem die Aussagen mehrerer mutmaßlicher Tatzeugen, auf die Buback-Sohn Michael seine Theorie einer weiblichen Schützin baut. "Er hat sich in einer Verschwörungstheorie verrannt und ist beratungsresistent", sagte Koch über Buback, der seit Jahren auf eigene Faust ermittelt.

Seine Frau und er seien erschöpft und "innerlich an einer Grenze angekommen", sagte Buback der Wochenzeitung "Die Zeit". "Wir haben nicht die Kraft, noch viel länger weiterzumachen. Wenn jetzt wieder nichts passiert, hören wir auf", kündigte er an.

Quelle: ntv.de, tis/rts/dpa

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