Politik

"Glaubwürdigkeit verloren" Ypsilanti-Vize attackiert Beck

Der hessische SPD-Fraktionsvize Jürgen Walter hat SPD-Parteichef Kurt Beck wegen der Öffnung zur Linken massiv angegriffen. "Man muss auch festhalten, dass der Bundesvorsitzende Kurt Beck jede Glaubwürdigkeit bei der Frage verloren hat, ob er sich mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler wählen lässt", sagte Walter der "Süddeutschen Zeitung".

"Nicht einmal ich würde es ihm abnehmen, wenn er das jetzt noch verneint", so Walter weiter.

Walter versicherte, er selbst werde aber die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti im Wiesbadener Parlament in der konstituierenden Sitzung am 5. April mitwählen, wie alle Mitglieder der Landtagsfraktion. Der 39-Jährige war bis Januar Fraktionschef im hessischen Landtag. Er hatte sich 2006 als Gegenkandidat von Andrea Ypsilanti um die Spitzenkandidatur in Hessen beworben.

"Das fällt mit nicht leicht"

Ypsilanti will mit den Stimmen der Linken Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung werden. Am Dienstag kündigte sie dazu konkrete Verhandlungen mit den Grünen über die Bildung einer Koalition sowie Gespräche mit den Linken über die Wahl an.

Vor der Wahl am 27. Januar hatte Ypsilanti eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei kategorisch ausgeschlossen. Ihren Sinneswandel begründete sie mit der Weigerung der FDP, über eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen zu sprechen, sowie dem Wunsch der Wähler nach einer anderen Politik. "Es wird vielleicht so ausgehen, dass ich ein Wahlversprechen nicht halten kann. Sie können mir glauben, dass mir das alles nicht leicht fällt." Für ihre Regierungsarbeit werde sie wechselnde Mehrheiten suchen. "Das kann sein mit der FDP, das kann sein mit der CDU und das kann auch sein mit der Partei der Linken."

Am Mittwoch werde sie auch noch einmal mit der CDU ein Gespräch führen, sagte Ypsilanti. Eine große Koalition sei wegen des Machtanspruchs von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) schwierig. Die CDU hat zur Bedingung gemacht, dass Koch auch die nächste Landesregierung anführt.

Erinnerungen an den Heide-Mörder

Um zur Ministerpräsidentin gewählt zu werden, braucht Ypsilanti die Stimmen der Linkspartei. SPD, Grüne und Linke liegen gemeinsam aber nur um vier Stimmen vor CDU und FDP. Vor drei Jahren war die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis im Kieler Landtag gescheitert, weil ein Abgeordneter ihr die Stimme versagte. Sie wollte eine rot-grüne Regierung bilden, die von den beiden Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) toleriert werden sollte.

Gysi gibt "Garantie"

Der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, gab Ypsilanti eine "Garantie" für die sechs Stimmen seiner Partei im Landtag. Auch die Linken-Fraktionsvize im Wiesbadener Landtag, Janine Wissler, sagte, ihre Partei wolle ihren Teil zur Abwahl von Koch beitragen. Trotz der Wahl Ypsilantis werde die Linke Opposition bleiben.

Zugleich machte Gysi deutlich, dass er für ein rot-rotes Regierungsbündnis im Bund wenig Chancen sieht. Dies ginge nur, wenn die SPD tatsächlich "wieder sozialdemokratisch wäre". Gysi: "Dass heißt, sie müsste weg von Agenda 2010, von Hartz IV, von ihrem Beschluss Rente ab 67, von dieser komischen Gesundheitsreform. Dann haben wir noch den großen Konflikt des Einsatzes der Bundeswehr bei Kriegseinsätzen." Wenn dies alles überwunden sei, dann komme für die Linke als möglicher Partner "in erster Linie die SPD in Frage", sagte der Fraktionschef.

Struck sieht kein Vorbild für den Bund

Für die SPD-Bundestagsfraktion schloss ihr Vorsitzender Peter Struck eine Zusammenarbeit mit den Linken im Bund erneut aus. In einer fast dreistündigen Debatte in der Fraktion sagte Struck nach Teilnehmerangaben, wenn man sich mit den Inhalten der Linken auf Bundesebene auseinandersetze, könne man zu gar keinem anderen Ergebnis kommen.

Allerdings wurde auf die zunächst vorgesehene Abstimmung über einen bereits vom SPD-Parteivorstand und vom Parteirat gebilligten Beschluss verzichtet, weil am Abend nur noch wenige SPD-Abgeordnete anwesend waren. Mit dem Beschluss wird den SPD-Landesverbänden freie Hand für ein Zusammenwirken mit den Linken gegeben, ein Bündnis auf Bundesebene aber abgelehnt.

Westerwelle fordert Neuwahlen

Die hessische CDU warf Ypsilanti Wortbruch vor. Mit ihrer angeblichen Suche nach wechselnden Mehrheiten wolle Ypsilanti nur von ihrer Zusammenarbeit mit "Kommunisten" ablenken. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Der Wortbruch hat jetzt einen Namen, und der heißt Ypsilanti."

FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die SPD-Minister in ihrem Kabinett zu entlassen und Neuwahlen anzustreben. Die Union könne nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn "SPD und Grüne eine andere Republik mit Sozialisten und Kommunisten vorbereiten", sagte Westerwelle der "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung" (Mittwoch).

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) versicherte dagegen, die große Koalition in Berlin werde ihre Arbeit fortsetzen. Das Klima sieht Kauder durch das hessische Vorgehen "ein wenig" belastet. Er betonte auch: "Bei der nächsten Bundestagswahl kann man sich auf nichts verlassen, was die SPD sagt." Die Menschen müssten wissen, dass das, was die SPD vor Wahlen sage, nach Wahlen nicht mehr gelte. "Wer der SPD bei der nächsten Bundestagswahl seine Stimme gibt, weiß nicht, was sie mit der Stimme macht."

Streit in der SPD geht munter weiter

Der Sprecher der konservativen "Seeheimer" in der SPD, Klaas Hübner, wandte sich erneut gegen eine rot-rote Zusammenarbeit in Hessen. "Ich würde das für einen Fehler halten", der die Glaubwürdigkeit der SPD gefährde, sagte er. Für die SPD-Linken sagte dagegen Fraktionsvize Ludwig Stiegler, die hessische Sozialdemokratie habe sich genügend um eine andere Koalition bemüht, etwa mit der FDP, die eine "Ampel" mit SPD und Grünen ablehnt. Das bezweifelte hingegen der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend. "Wo hat es denn die inhaltlichen Angebote an die FDP gegeben?" fragte er im "Handelsblatt".

Quelle: ntv.de

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