Politik

Beschämende Kinderarmut Zehn Euro mehr für Hartz-Kinder

Langzeitarbeitslose mit Kindern können auf mehr staatliche Unterstützung hoffen. Im Kampf gegen Kinderarmut hält Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) eine Anhebung der Regelsätze für Kinder in Hartz-IV-Familien um monatlich zehn Euro für möglich. Das zusätzliche Geld müsse dann aber bei den betroffenen Kindern so ankommen, dass es beispielsweise für preisgünstige und gesunde Ernährung genutzt werde, stellte Müntefering in der Haushaltsdebatte des Bundestages klar. Die mögliche Anhebung sei in ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Kinderarmut einzubeziehen.

Hintergrund der Überlegungen ist die derzeit laufende Überprüfung der Anpassungsmechanismen für das seit der Hartz-IV-Reform gezahlte Arbeitslosengeld II (ALG II). Komme man dabei zu dem Ergebnis, "wir müssten die Eckregelsätze für Kinder erhöhen um zehn Euro bei den unter 14- oder 15-Jährigen, dann wären das etwa 500 Millionen Euro", sagte Müntefering. Der Regelsatz für unter 14-jährige Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern beträgt derzeit 208 Euro, bei 15- bis 25-Jährigen sind es 278 Euro. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat schon jeder siebte Deutsche unter 65 Jahren Hartz-IV-Leistungen bezogen. Müntefering bekräftigte die Absicht der Regierung, noch in diesem Jahr einen Mindestlohn für die etwa 200.000 Beschäftigten bei Post-Dienstleistern auf den Weg zu bringen.

Erleichterter Zuzug von Ingenieuren

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel will die Bundesregierung noch im Oktober den erleichterten Zuzug von Elektro- und Maschinenbauingenieuren aus den neuen EU-Beitrittsstaaten beschließen. Laut Müntefering soll der Arbeitsmarkt zum 1. November geöffnet werden. Firmen dürfen dann diese Spezialisten einstellen, ohne dass deutsche Bewerber wie bisher Vorrang haben. Grundsätzlich sollen heimische Arbeitskräfte bei der Besetzung von Stellen aber Vorrang haben.

Beschämende Kinderarmut

Ebenfalls in den nächsten Wochen soll die Ausweitung des Kinderzuschlags festgezurrt werden, wie Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ankündigte. Den Kinderzuschlag von 140 Euro monatlich bekommen aktuell rund 124.000 Familien mit geringem Arbeitseinkommen, die wegen ihrer Kinder sonst in Hartz-IV abrutschen würden. Von der Leyen will den Empfängerkreis auf 500.000 steigern. Die millionenfache Kinderarmut nannte die Ministerin "eines der beschämendsten Probleme in unserem Land". Die Einführung des Elterngeldes, das inzwischen fast jede Familie beantrage, nannte von der Leyen einen großen Erfolg und einen weiteren Baustein im Kampf gegen Kinderarmut. Der Anteil der Väter, die eine berufliche Auszeit nehmen, habe sich von 3,5 Prozent auf inzwischen 8,5 Prozent verdoppelt und werde nach ihrer Einschätzung weiter steigen.

Streit ums Betreuungsgeld

Die Oppositionsparteien FDP und Grüne kritisierten die Zusatzforderung der CSU, ab 2013 auch ein Betreuungsgeld für Familien einzuführen, die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause erziehen wollen. Ina Lenke von der FDP verwies auf das abschreckende Beispiel Norwegen, wo gerade Migrantenkinder, die Sprachförderung in Krippen besonders nötig haben, wegen der Finanzleistung bewusst zu Hause behalten würden. Die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann sagte, eine Prämie fürs Zuhause-Bleiben von Müttern sei überflüssig. Die Linke-Politikerin Diana Golze verlangte einen erhöhten Regelsatz beim Arbeitslosengeld II, der Kinder-Bedürfnissen entspreche.

Der CSU-Familienpolitiker Johannes Singhammer unterstrich dagegen erneut die Forderung nach paralleler Einführung von Rechtsanspruch und Betreuungsgeld ab 2013. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Vortag die CSU-Erwartungen zu dämpfen versucht und dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz Vorrang eingeräumt. Die Kanzlerin: "Wenn wir das geschafft haben, dann können wir uns auch wieder mit denen beschäftigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen." Die Ausgaben für die Familienpolitik steigen 2008 um zirka 900 Millionen auf rund 6,2 Milliarden Euro, vor allem wegen des vollen Wirksamwerdens des Elterngelds.

Das Ressort Arbeit und Soziales ist mit 129,5 Milliarden Euro oder rund 45 Prozent der größte Ausgabenposten im Bundesetat. Verabschiedet werden soll der Etat Ende November.

Mehr Geld für Forschung

Die Wirtschaft und der Bund geben nach Jahren der Stagnation erstmals wieder deutlich mehr Geld für die Forschung aus. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), deren Etat 2008 um knapp acht Prozent auf 9,187 Milliarden Euro wächst, sagte im Bundestag: "Entscheidend ist, dass jetzt auch die Länder ihre Investitionen spürbar steigern." Nach einer Prognose des Stifterverbandes wird die Wirtschaft in diesem Jahr für Forschung und Entwicklung 41,8 Milliarden Euro ausgeben. Das sind acht Prozent mehr als vor zwei Jahren.

Schavan sieht in den steigenden Forschungsinvestitionen "einen wesentlichen Schritt" in Richtung auf das Ziel der EU, ab 2010 drei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes für Forschung und Entwicklung auszugeben. Damit soll Europa zur forschungsstärksten Region der Welt werden. Schavan rechnet damit, dass im nächsten Jahr in Deutschland eine Quote von 2,7 Prozent erreicht wird. Die FDP- Politikerin Ulrike Flach zeigte sich skeptisch: "Noch ist die Koalition von dem Drei-Prozent-Ziel weit entfernt."

Zehn Prozent mehr BAföG

Die SPD kündigte zudem zehn Prozent mehr BAföG für Studenten und Schüler ab Oktober 2008 an. Zugleich sollen die Elternfreibeträge um acht Prozent steigen. Die SPD werde dafür Sorge tragen, dass die Koalition bei den weiteren Haushaltsberatungen die nötigen Mittel bereitstellt, teilte der SPD-Politiker Jörg Tauss mit.

Die Opposition hielt der Regierung vor allem Versäumnisse in der Bildungspolitik vor. "Unter Schavan sinken die Studienanfängerzahlen statt zu steigen", sagte der Grünen-Politiker Kai Gehring. Mit Ausbildungsplatzmangel und Studienplatzabbau sei der Fachkräftemangel nicht zu bekämpfen. Die Mittel für zusätzliche Studienplätze im Hochschulpakt seien viel zu niedrig. Petra Sitte von der Fraktion Die Linke rügte die Einführung von Studiengebühren in unionsgeführten Bundesländern. Bildung werde bei dieser Koalition nur unter dem Blickwinkel von Wirtschaft und Arbeitsmarkt gesehen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen