"Da ist Druck im Kessel" Zehntausende streiken
14.02.2008, 06:46 UhrZehntausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes vor allem in Westdeutschland haben am Donnerstag zeitweise die Arbeit niedergelegt. Betroffen von den Warnstreiks waren nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vor allem Krankenhäuser, aber auch Kindergärten sowie Altenpflege-Einrichtungen und Verkehrsbetriebe. Die Versorgung von Patienten in Krankenhäusern sei nicht gefährdet gewesen. Die Warnstreiks sollen in den kommenden Tagen weitergehen.
Die Gewerkschaften wollen mit den Protesten den Druck auf die Arbeitgeber in der laufenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes erhöhen. Ver.di-Chef Frank Bsirske sprach am Rande einer Kundgebung im sächsischen Zwickau von einem "guten Auftakt". Er sei "sehr zufrieden" mit der Beteiligung an den Warnstreiks.
In bisher drei Verhandlungsrunden der Tarifparteien hatte es keine Annäherung gegeben. Ver.di und die dbb Tarifunion verlangen für die 1,3 Millionen Tarifangestellten des Bundes und der Kommunen 8 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro. Die Arbeitgeber boten für zwei Jahre und verteilt auf drei Schritte 5 Prozent bei gleichzeitiger Verlängerung der Arbeitszeit an. Ein Prozentpunkt soll zudem in den Ausbau der Leistungsbezahlung gehen. Die Gewerkschaften wiesen das Angebot als Lohnsenkungsprogramm zurück. Am 25. Februar kommen die Tarifpartner wieder zu Verhandlungen zusammen.
An 30 hessischen Krankenhäusern traten nach Gewerkschaftsangaben bis zu 10.000 Beschäftigte in den zeitweiligen Ausstand. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hatte die bei ihr organisierten Mediziner nicht zur Beteiligung an den ver.di-Warnstreiks aufgerufen. "Die Patientenversorgung war jederzeit gesichert", sagte der Sprecher der Wetzlarer Lahn-Dill-Kliniken, "die Patienten haben nichts zu spüren bekommen". Anders in Fulda: "Wir mussten heute die Anzahl der Operationen um die Hälfte reduzieren", teilte die dortige Klinik mit.
In Baden-Württemberg zählten die Gewerkschaften rund 1000 Teilnehmer an ihren Warnstreiks. Beschäftigte in insgesamt 14 öffentlichen Einrichtungen waren nach ver.di-Angaben aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Auch im Südwesten lag ein Schwerpunkt bei den kommunalen Kliniken. Für die kommende Woche seien Arbeitsniederlegungen in Kindergärten, Verwaltungen sowie im Nahverkehr geplant, teilte ver.di mit.
Im Saarland beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 2000 Bedienstete am Warnstreik, vor allem in Verwaltung und Bürgerämtern. Zudem blieben alle kommunalen Kindertagesstätten und Horte geschlossen. Betroffen waren rund 1800 Kinder. Auch die Müllabfuhr wurde bestreikt. Begonnen hatte der Warnstreik am frühen Morgen in Völklingen, wo Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe die Arbeit niederlegten.
Weit mehr als 5000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen befolgten den Aufruf zum Warnstreik. Betroffen von den Aktionen waren 51 Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäuser. "Da ist spürbar Druck im Kessel", kommentierte NRW-ver.di-Sprecher Jörg Verstegen den Zuspruch. Die Bereitschaft zu Warnstreiks sei weit höher als erwartet, hieß es auch in den einzelnen ver.di-Bezirken.
An 35 bayerischen Krankenhäusern gab es ebenfalls Protestaktionen mit insgesamt etwa 4500 Beteiligten. "Die Motivation und die Bereitschaft der Beschäftigten ist enorm groß. Die Beteiligung übertrifft unsere Erwartungen", sagte Dominik Schirmer von ver.di. Die Versorgung der Patienten habe nicht gelitten. Am Freitag sind an rund 20 weiteren bayerischen Kliniken Warnstreiks mit etwa 2000 Beschäftigten geplant.
Im Norden Deutschlands gab es Arbeitsniederlegungen von rund 3300 Mitarbeitern kommunaler Krankenhäuser in Kiel (Schleswig-Holstein), Wolgast und Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) sowie in 21 Kliniken in Bremen und Niedersachsen. Vor allem Krankenschwestern und -pfleger sowie Küchenpersonal machten mit Trommeln und Trillerpfeifen ihrem Unmut Luft. Niedersachsens ver.di-Streikleiter Jochen Lüddecke kritisierte: "Dass die Arbeitgeber dem Klinikpersonal eine Minusrunde unterjubeln wollen, ist eine Riesensauerei." Die angebotene Gehaltserhöhung bedeute unter dem Strich ein Minus von 2 Prozent.
Quelle: ntv.de