"Soll sich hüten ... " Zentralrat warnt Westerwelle
23.11.2009, 07:41 UhrBei seinem ersten Israel-Besuch als Außenminister hat FDP-Chef Guido Westerwelle eine "erhebliche Hypothek" im Gepäck - so sieht es jedenfalls der Zentralrat der Juden, der zum Auftakt von Westerwelles Reise an die Antisemitismus-Affäre um Jürgen Möllemann erinnerte.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, hofft, dass Westerwelle in Israel Akzente der Versöhnung setzt. "Die Reaktionen der israelischen Regierung auf die Ernennung des neuen deutschen Außenministers Guido Westerwelle waren sehr zurückhaltend", sagte Kramer der "Passauer Neuen Presse".
Unter anderem sei dies auch so, weil sich die Liberalen in der Debatte über mögliche Sanktionen gegen den Iran bisher sehr bedeckt gehalten hätten. "Die FDP muss sich hier entscheiden zwischen den Interessen der deutschen Wirtschaft und dem Existenzrecht und den Sicherheitsbedürfnissen Israels."
Der Minister solle sich "davor hüten, als Nahost-Vermittler auftreten zu wollen. Dafür hat er zu wenig Erfahrung", sagte Kramer. Kritik an der israelischen Regierungspolitik sei zwar kein Sakrileg, auch nicht für einen deutschen Außenminister. "Allerdings sollte er sich wohl überlegen, welche Kritik er zu welchem Zeitpunkt anbringt."
Möllemann-Affäre als Hypothek
Kramer sagte weiter: "Die jüngste Vergangenheit von Herrn Westerwelle hat sich nicht gerade dadurch ausgezeichnet, dass er in der Nahostpolitik und den Beziehungen zu Israel besonders engagiert gewesen wäre." Westerwelle habe sich 2002 viel zu spät von Möllemann distanziert und zunächst sogar auf den Erfolg dieser Kampagne gebaut. Möllemann hatte 2002 als damaliger FDP-Vize mit antiisraelischen Äußerungen heftige Kritik auf sich gezogen.
"Da bleibt ein bitterer Beigeschmack. Mit der Möllemann-Affäre gibt es eine erhebliche Hypothek. Das schwebt immer noch wie ein Damoklesschwert über Guido Westerwelle und den Liberalen." Allerdings gebe es jetzt die Möglichkeit, einen Klimawechsel in den Beziehungen zu Israel zu erreichen.
Möllemann hatte im Mai 2002 in einem Fernsehinterview Israels damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und den seinerzeitigen Zentralrats-Vize Michel Friedman attackiert. "Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt, leider, die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art", sagte Möllemann, dem als Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft beste Kontakte in den arabischen Raum nachgesagt wurden. Der damalige Zentralrats-Präsident Paul Spiegel warf Möllemann in diesem Zusammenhang vor, Nordrhein-Westfalens FDP-Chef habe antisemitischen Klischees in Deutschland "neue Nahrung verschafft".
Flugblatt heizt Antisemitismusstreit an
Ebenfalls im Frühjahr 2002 ebnete Möllemann dem wegen israelfeindlicher Äußerungen umstrittenen Ex-Grünen-Politiker Jamal Karsli den Weg in die Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion. Auf massiven Druck der FDP-Spitze zog Karsli wenige Wochen später seinen Antrag auf Aufnahme in die FDP zurück. Wenige Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 heizte Möllemann mit einem Flugblatt den Antisemitismusstreit erneut an. Auf der Postwurfsendung hieß es zu einem Bild des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon: "Seine Regierung schickt Panzer in Flüchtlingslager und missachtet Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrates." Unter einem nebenstehenden Foto von Friedman stand zu lesen, dieser verteidige das Vorgehen der Scharon-Regierung.
Im Zuge des Antisemitismusstreits wandte sich zwar die gesamte FDP unter Westerwelle gegen Möllemann. Allerdings habe sich Westerwelle damals viel zu spät von Möllemanns Aktionen distanziert und zunächst sogar auf den Erfolg von dessen Kampagne gebaut, sagte Kramer nun der "Passauer Neuen Presse". Möllemann trat am 17. März 2003 aus der FDP aus. Am 5. Juni 2003 kam der einstige FDP-Spitzenpolitiker bei einem Fallschirmabsprung ums Leben - er beging offenbar Selbstmord.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP