NSU-Prozess kann weitergehen Zschäpe muss Verteidiger behalten
21.07.2014, 21:40 Uhr
Zschäpe, Justizbeamte.
(Foto: dpa)
Offenbar hat das Gericht im NSU-Prozess nun doch eine Entscheidung zu den Verteidigern von Beate Zschäpe getroffen. Medienberichten zufolge soll die Hauptangeklagte ihre Anwälte Sturm, Stahl und Heer behalten müssen.
Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, wird nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ihre bisherigen drei Pflichtverteidiger behalten müssen. Das Oberlandesgericht München habe Zschäpes Antrag auf Entpflichtung zurückgewiesen, berichtete die Zeitung. Auch ein zusätzlicher Pflichtverteidiger werde nicht bestellt. Zschäpe habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und den Verteidigern vorgebracht, heißt es dem Bericht. Eine Bestätigung des Gerichts gibt es bislang noch nicht.
Damit wäre der Fortgang des Prozess gerettet. Platzen lassen möchte der Staatsschutzsenat den NSU-Prozess sicher nicht - nach bisher 128 Prozesstagen und erheblichen Kosten. "100.000 Euro pro Prozesstag werden nicht reichen", vermutet der Regensburger Rechtsprofessor Bernd von Heintschel-Heinegg. Das Gericht könne zwar "alle drei Verteidiger in Bausch und Bogen auswechseln" oder auch nur einen oder zwei von ihnen, aber dann könnten die neuen sagen: "Alles auf Null" - sprich: Der Prozess müsste von vorn beginnen. Heintschel-Heinegg ist nicht irgendwer. Er ist der Vorgänger von Richter Manfred Götzl als Vorsitzender des Staatsschutzsenats, vor dem sich Zschäpe und ihre mitangeklagten mutmaßlichen Helfer verantworten müssen.
Die NSU-Akten kennt er ebenfalls. Er diente dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages als Ermittlungsbeauftragter. Sollte das Gericht an den Zschäpe-Verteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm festhalten, dann könne der Prozess wohl weitergehen wie bisher, meint Heintschel-Heinegg. Das Risiko in diesem Fall? "Kein allzu großes." Zschäpe könne versuchen, ein strenges Urteil mit einer Revision zu kippen, und argumentieren, das Gericht habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Dafür gebe es bisher aber keine Rechtsprechung.
Vierter Verteidiger?
Stattdessen schlägt der Experte in seinem Blog eine andere Lösung vor: Das Gericht werde "zu prüfen haben, ob nicht ein vierter Pflichtverteidiger beizuordnen ist, der das volle Vertrauen der Angeklagten hat".
Ähnlich beurteilt der Frankfurter Rechtsprofessor Matthias Jahn die Lage. Die Gefahr, dass das Urteil mit einer Revision kassiert werde, sei gering, wenn das Gericht alles so lasse, wie es ist. Zschäpe könne zwar versuchen, ein Urteil anzufechten, aber sie müsse dann "hypothetisch durchspielen", wie der Prozess mit Verteidigern ihres Vertrauens gelaufen wäre. "Und da", so Jahn, "sind wir auf hoher See".
Eher theoretisch sei ein anderes Szenario denkbar, das in ähnlicher Weise auch schon einmal vor Gericht funktioniert habe. Jahn verweist auf einen Fall, bei dem der Bundesgerichtshof die Revision eines Holocaust-Leugners akzeptierte, weil sich dessen Anwalt zu passiv verhielt. In diesem Fall hatte allerdings auch der Anwalt selber das Gericht gebeten, ihn aus seiner Pflicht zu entlassen, und nicht nur der Angeklagte. Das Gericht lehnte ab.
Fälle wie diesen werde das Münchner Oberlandesgericht vermutlich auch kennen und berücksichtigen, sagt der Jurist Jahn. Die Frage, wie mit der Entlassung von Pflichtverteidigern umzugehen ist, sei gesetzlich nicht geregelt, sondern beruhe allein auf höchstrichterlichen Urteilen - was Jahn ausdrücklich bedauert. "Warum sollen Beschuldigte mit Pflichtverteidigern schlechter gestellt werden?", fragt er. Angeklagte mit Wahlverteidigern könnten ihre Anwälte nämlich jederzeit selber auswechseln.
Quelle: ntv.de, Christoph Lemmer, dpa