Politiker erleichtert, Wirtschaft skeptisch Zwangsarbeiter- Entschädigung vor dem Durchbruch
18.05.2001, 14:14 UhrNach dem Urteil eines New Yorker Berufungsgerichts zur Revision des umstrittenen Zwangsarbeiter-Urteils der US-Richterin Shirley Kram haben sich Politiker erleichtert gezeigt und von einem Durchbruch gesprochen. Die Wirtschaft dagegen verhielt sich skeptisch.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte zu, Anfang Juni mit der Wirtschaft über die Rechtssicherheitsfrage zu sprechen. Sowohl der Kanzler als auch der Beauftragte der Bundesregierung Otto Graf Lambsdorff zeigten sich überzeugt, dass der Bundestag nun noch vor der Sommerpause die Rechtssicherheit im Einvernehmen mit der Wirtschaft feststellen und damit die Auszahlung an die Opfer beginnen könnten.
Auch für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen, Volker Beck, ist das klar. Die ersten Zahlungen könnten schon im August bei den Opfern ankommen. "Das wird auch höchste Zeit." Er halte es für undenkbar, dass sich die Wirtschaft aus ihrer Verantwortung stehlen könnte. "Wenn sie das tut, leben alle bereits abgewiesenen Klagen wieder auf", sagte Beck n-tv.de. Es dürfe nun keine Diskussion mehr darüber geben, ob noch weitere Verfahren abgewartet werden müssten. Beck forderte die Wirtschaft auf, den Widerstand gegen den Beginn der Zahlungen aufzugeben. Es gebe jetzt die berechtigte Hoffnung, dass auch für noch laufende Verfahren eine Klageabweisung erreichbar sei.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Max Stadler, ist bereit, noch Ende Mai im Bundestag einen Beschluss über die Rechtssicherheit herbeizuführen. Weitere Verzögerungen würden zu einem Ansehensverlust Deutschlands führen. Auch die PDS-Innenpolitikerin Ulla Jelpke hält die Zeit für überreif. Das Parlament müsse in der nächsten Sitzungswoche Rechtssicherheit feststellen.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, äußerte sich verhalten. Zwar sei nun die "größte Hürde auf dem Weg zur Rechtssicherheit genommen". Doch er bezweifle, das man jetzt schon von ausreichender Rechtssicherheit sprechen könne. Mehrere deutsche Firmen seien in den USA noch von Klagen bedroht.
Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft hatte nach Bekanntwerden des Urteils noch Bedenken geäußert. Ihr Sprecher Wolfgang Gibowski zeigte sich einerseits "erfreut und befriedigt", wies zugleich aber darauf hin, dass die Revision des Urteils "definitiv und leider" nicht ausreiche, um Rechtssicherheit feststellen zu lassen. Es gehe jetzt allerdings nur noch um wenige Fälle. Er habe deshalb die Erwartung, "dass es schnell gehen wird".
Zu den Bedenken der Wirtschaft sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler: "Wenn sie den Rest ihres moralischen Kredits retten will, muss sie jetzt unverzüglich zahlen. " Auch der Münchner Opfer-Anwalt Michael Witti forderte die Wirtschaft auf, sich im juristischen Gefecht geschlagen zu geben: "Erklären Sie endlich die Freigabe der Gelder."
Auch die USA begrüßten die Revision des umstrittenen Zwangsarbeiter-Urteils. "Wir hoffen, dass die Entscheidung den Weg für die Feststellung durch den Deutschen Bundestag freimacht, dass angemessene Rechtssicherheit erzielt wurde, " hieß es in einer Erklärung des US-Außenministeriums.
Quelle: ntv.de