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Auch Fachverbände unzufrieden Zwei von drei Befragten verstehen Heizungsgesetz nicht

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Zwei von drei Befragten verstehen die Auswirkungen des Gesetzes auf die eigene Heizung nicht.

Zwei von drei Befragten verstehen die Auswirkungen des Gesetzes auf die eigene Heizung nicht.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Die Verabschiedung des Heizungsgesetzes geht in die entscheidende Phase. Doch an dem Eilverfahren der Ampel gibt es genauso Kritik wie am Inhalt des Gesetzes. Die Verunsicherung der Verbraucher ist groß. Das zeigt nicht nur eine neue Umfrage, sondern auch der einbrechende Absatz von Wärmepumpen.

Das Gesetzgebungsverfahren zur Wärmewende geht auf die Zielgerade, doch kaum jemand versteht, was da auf sie oder ihn zukommt. In einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv geben 65 Prozent der Befragten an, nicht zu verstehen, was das Heizungsgesetz für die eigene Heizung bedeutet. Im Osten ist der Wert mit 72 Prozent etwas höher.

Die Verwirrung ist auch keine Frage des Bildungsabschlusses. Unter den Befragten mit Hauptschulabschluss äußern 71 Prozent Unverständnis, bei den Menschen mit Abitur oder gar Studienabschluss ist der Wert mit 62 Prozent unwesentlich besser.

Zu dieser Verunsicherung passen Klagen der Wärmepumpenhersteller über einen Umsatzeinbruch und tief verunsicherte Verbraucherinnen und Verbraucher. "Die Klopperei in der Politik rund um das Gebäudeenergiegesetz war eine Katastrophe", sagte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Wärmepumpe, Paul Waning, der "Augsburger Allgemeinen". Die Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen gehe nach oben, während der Absatz an Wärmepumpen einknicke.

Die Hersteller hätten fünf Milliarden Euro investiert, um wie zunächst geplant ab 2024 rund 500.000 neue Wärmepumpen pro Jahr liefern und installieren zu können. Dieser Prozess werde nun verlangsamt, weil der Kompromiss der Bundesregierung für das Heizungsgesetz keinen verlässlichen Rahmen für die Branche biete. Das sei "höchst ärgerlich", sagte Waning der Zeitung.

Expertenanhörung am Mittwoch live

Das vielfach kritisierte Heizungsgesetz ist am Dienstag vergangener Woche in letzter Minute in groben Umrissen zwischen den Regierungsparteien geeint worden - unter persönlichem Einsatz von Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner. So konnte der schon im April im Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf am Mittwoch erstmals im Bundestag gelesen werden. Allerdings hinkt diese Version dem jüngsten Verhandlungsstand der Ampel-Fraktionen weit hinterher. Die so genannten Leitplanken, die Scholz, Habeck und Lindner eingeschlagen haben, bedeuten ein in weiten Teilen neues Gesetz, während wichtige Details zu Förderrichtlinien und Umbaufristen weiter ungeklärt sind.

Obwohl kein Textentwurf für das Gesetz in seiner aktuellen Fassung vorhanden ist, sollen sich am Mittwoch schon die geladenen Fachverbände hierzu äußern. Anders ist der von der Ampel gefasste Plan nicht zu halten, das Gesetz noch in der letzten Plenarwoche vor den Ferien Anfang Juli zu verabschieden. Die Expertenanhörung ist ein wichtiger Schritt eines jeden Gesetzgebungsverfahrens. Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie will die zweistündige Befragung von 14 Sachverständigen am Mittwochvormittag (ab 11 Uhr) auch auf der Website des Bundestags live übertragen.

Mützenich: zweite Anhörung denkbar

Die Anhörung der Experten auf Grundlage eines überholten Gesetzesentwurfs sorgt für teils scharfe Kritik. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach am Dienstag von einem einmaligen Vorgang, dies sei "kein geordnetes Verfahren zu einem entsprechenden Gesetz". Dobrindt bekräftigte, dass das Heizungsgesetz ungeachtet der jüngst vereinbarten Änderungen weiter "in die Tonne" gehöre.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies die Vorwürfe zurück. Fachrat sei immer sinnvoll und die Eile des Gesetzgebungsverfahrens gehe auch auf die "Schlamperei" der Union in ihren Regierungsjahren zurück. Er schließe allerdings auch nicht aus, dass es noch eine zweite Expertenanhörung geben werde, die sich mit dem Text des finalen Gesetzentwurfs befasst. Diese könnte noch in der letzten Sitzungswoche abgehalten werden.

Tatsächlich weisen auch die geladenen Experten darauf hin, dass die Anhörung auf Grundlage eines alten Gesetzentwurfes problematisch sei. "Aufgrund der engen Fristsetzung behalten wir uns vor, weitere Anpassungsvorschläge nachzureichen und auch noch kurzfristig ins weitere Verfahren einzubringen", heißt es etwa in der Stellungnahme des Verbands Kommunaler Unternehmen (VUK), dem zahlreiche Strom-, Gasnetz- und Fernwärmebetreiber angehören.

Verbraucherschützer rügen Wasserstoff-Öffnung

Aus den bereits veröffentlichten Stellungnahmen teilnehmender Verbände lässt sich ein tiefer Dissens in der Bewertung des Heizungsgesetzes ablesen. So fordert etwa der VUK längere Übergangsfristen beim Ausbau der Fernwärme und der Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff. Zudem sei es ungerecht, dass die Netzbetreiber die Kosten übernehmen sollen, wenn eine zugesagte Umstellung auf Wasserstoff nicht wie zugesagt erfolgt und Verbraucher nach der Anschaffung einer wasserstofffähigen Gasheizung wieder ein anderes Gerät anschaffen müssen.

Der Verband der Verbraucherzentralen (VZBV) findet eben diese Haftpflicht der Versorger sinnvoll und fordert, dass diese sich gegen ein solches Risiko absichern und bei der Umsetzung der Transformation eng überwacht werden müssten. Grundsätzlich halten die VZBV-Experten die weitgehende Öffnung des Heizungsgesetzes für Wasserstoff für irreführend. "Der VZBV kann die Position der Bundesregierung nicht nachvollziehen, da es einen Grundkonsens in der Wissenschaft gibt, dass Wasserstoff für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors aufgrund der zu geringen Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff in 2030, gegebenenfalls auch noch in 2045 kaum eine Bedeutung haben wird."

Ferner hält es der VZBV für intransparent, wenn Verbraucher sich nun Wasserstoff-bereite Gasheizungen einbauen dürften in Erwartung einer eines Tages kommenden Umstellung des Netzes von Gas auf Wasserstoff. Die am Markt verfügbaren "H2-ready"-Heizungen könnten mit maximal 30 Prozent Wasserstoff betrieben werden und erfüllen damit nicht die Vorgabe von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien. "Im Falle einer Umstellung auf Wasserstoff müssten die Eigentümer:innen mindestens Brenner und Hausanschluss austauschen", was weitere Investitionskosten nach sich ziehe.

Quelle: ntv.de

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