Vier Transall-Flüge nach Erbil Bundeswehr startet in den Irak
14.08.2014, 18:16 Uhr
Zwei Motoren und eine maximale Zuladung von 18 Tonnen: Neben den 9 Tonnen an Hilfsgütern muss die Crew den Rest für Treibstoff einplanen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland nimmt humanitäre Hilfsflüge in den Nordirak auf. Noch in dieser Woche sollen Transall-Maschinen der Bundeswehr Sanitätsmaterial und Lebensmittel ins kurdische Autonomiegebiet fliegen.
Die Bundeswehr startet noch in dieser Woche Hilfsflüge in den Nordirak. Ersten unbestätigten Angaben zufolge sollen zunächst vier Transportmaschinen vom Typ "Transall" C-160 mit insgesamt 36 Tonnen Sanitätsmaterial und Lebensmittel abheben und die dringend benötigten Hilfsgüter nach Erbil ins kurdische Autonomiegebiet transportieren.
Erbil ist die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Norden Iraks. Die Kurden kämpfen dort gegen sunnitische IS-Kämpfer, die Andersgläubige mit dem Tod bedrohen. Angesichts von Berichten über schwerste Gräueltaten der IS-Kämpfer beraten westliche Staaten auch über Waffenlieferungen an die Kurden.
Das Hilfsmaterial der Bundeswehr dagegen soll in Erbil an UN-Organisationen übergeben werden, die sie unter der notleidenden Bevölkerung verteilen wollen. Eine erste Maschine solle am frühen Freitagmorgen vom Fliegerhorst Hohn in Schleswig-Holstein mit Sanitätsmaterial und Lebensmitteln an Bord Richtung Erbil starten, war aus Bundeswehrkreisen zu vernehmen. Insgesamt seien am Freitag vier Flüge mit Hilfsgütern aus Beständen der Bundeswehr vorgesehen. In Hohn bei Rendsburg ist das Lufttransportgeschwaders 63 stationiert.
Erst Hilfsgüter, dann Waffen?
Für die Strecke von Norddeutschland bis nach Erbil (im englischen Sprachraum auch: Arbil) benötigen die robust gebauten Propellermaschinen Schätzungen zufolge eine Flugzeit von mehr als siebeneinhalb Stunden. Luftlinie beträgt die Distanz zwischen dem Luftwaffen-Fliegerhorst Hohn und Erbil etwa 3400 Kilometer. Zwischenlandungen auf Nato-Basen in Griechenland oder der Türkei wären möglich.
Die zweimotorigen Bundeswehrtransporter erreichen eine Reisegeschwindigkeit von rund 450 Stundenkilometern. Damit sind die Militärfrachter deutlich langsamer als herkömmliche Cargo- und Passagierjets der zivilen Verkehrsluftfahrt. Dafür können die Maschinen auch auf notdürftig präparierten Behelfspisten landen oder sich ihrem Zielflughafen im militärischen Steilflug nähern, um möglichst spät in die Reichweite feindlicher Schützen zu gelangen.
Ungewöhnlich ist, dass Start- und Zielort einer militärischen Flugbewegung bereits im Vorfeld bekannt wurden. Ob sich daraus etwaige Sicherheitsrisiken ergeben, blieb zunächst unklar. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte lediglich, man befinde sich weiter in der Planung möglicher Hilfsflüge. Termine für die Abflüge der Maschinen wollte er ausdrücklich nicht bestätigen. Die Vorbereitungen liefen. Zu weiteren Details wollte er sich nicht äußern.
Auch ob die humanitäre Hilfe den Auftakt für ein intensiveres Engagement Deutschlands im Irak bildet, blieb zunächst offen. In der Debatte um mögliche Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga-Kämpfer äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückhaltend, wollte eine solche Entscheidung bislang aber auch nicht ausschließen.
"Politischer Spielraum"
"Es gibt bei Rüstungsexporten für die Regierung immer einen politischen und rechtlichen Spielraum, und den werden wir, wenn nötig, ausschöpfen", sagte die Kanzlerin der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" mit Blick auf die geltenden Richtlinien für die Ausfuhr von Waffen. Merkel äußerte sich damit erstmals selbst öffentlich in der Debatte um militärische Hilfen aus Deutschland zum Schutz religiöser Minderheiten im Irak.
"Was die Menschen im Nordirak, Jesiden, Christen und andere, durch die Terrorgruppe Islamischer Staat erleiden, ist entsetzlich", sagte Merkel. "Das Vorrücken dieser Extremisten zu stoppen und den Notleidenden zu helfen, ist eine Aufgabe für die gesamte internationale Gemeinschaft." Dazu seien humanitäre Hilfe und die mögliche Lieferung von Ausrüstung für die erforderlich, die gegen die Terroristen kämpfen.
Transporter, Nachtsichtgeräte, Schutzwesten
Während die USA und auch einige EU-Staaten wie etwa Frankreich die Kurden im Nordirak bereits mit Waffen beliefern oder dies angekündigt haben, hatte die Bundesregierung zunächst angekündigt, sogenannte nicht-tödliche Geräte zur Verfügung stellen zu wollen.
Dazu zählen etwa gepanzerte Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte oder Schutzwesten. Angesichts der Krise kündigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dann aber an, eine großzügigere Auslegung der Richtlinien zum Rüstungsexport prüfen zu wollen - und schloss dabei auch Waffenlieferungen ausdrücklich nicht mehr aus.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte im Interview bei n-tv erklärt: "Wir haben das Prinzip, dass wir keine Waffen in Krisenregionen liefern. Trotzdem gilt, dass wenn es im deutschen Interesse ist, zum Beispiel, wenn ein Völkermord sichtbar vor der Tür steht und keiner hilft, wir die Offenheit haben sollten und sagen, dass wir das nochmal überdenken. Dann müssen wir helfen."
Auf die Frage, ob es sich hier um einen Sinneswandel innerhalb der Bundesregierung handele, antwortete die Ministerin: "Es ist kein Sinneswandel, sondern dahinter steckt die dramatische Entwicklung und die Geschwindigkeit, mit der die IS-Milizen förmlich schlachtend durch die Gegend ziehen und menschenverachtend vorgehen gegen die Christen und die Jesiden. Das ist eine hochdramatische Situation und da ist die Weltgemeinschaft gefragt, das zu leisten, was jeder leisten kann. Wir können humanitäre Hilfe leisten, aber wir können darüber hinaus auch mehr leisten, nämlich Ausrüstung."
"Noch keine Entscheidung"
Merkel betonte im Gespräch mit der "HAZ" dagegen, zum Thema Ausrüstungs- und Waffenlieferungen seien noch "keine Entscheidungen getroffen". Sie bestätigte aber, dass ein Kriterium bei den Überlegungen der Bundesregierung "deutsche Sicherheitsinteressen" seien.
Die Kanzlerin bezog sich damit auf einen Passus in den Rüstungsexportrichtlinien, wonach solche Exporte in Konfliktregionen in Einzelfällen wegen "besonderer außen- oder sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland" genehmigt werden können.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa