Berlin will nicht, Paris überlegt USA versorgen Kurden nun auch mit Waffen
11.08.2014, 16:18 Uhr
Die kurdischen Peschmerga-Milizen aktivieren auch ehemalige Kämpfer. Deren Ausrüstung ist nicht auf dem aktuellsten Stand.
(Foto: dpa)
Während die Europäer noch diskutieren, schaffen die USA Tatsachen. Sie liefern den kurdischen Kämpfern im Irak nun auch direkt Waffen. Die kommen zum rechten Zeitpunkt, denn gerade mussten die Kämpfer eine Niederlage einstecken.
Angesichts des Vormarsches der Dschihadisten im Nordirak beliefern die USA nun die kurdischen Kämpfer direkt mit Waffen. In Zusammenarbeit mit der Regierung in Bagdad würden den Kurden "sehr schnell dringend benötigte Waffen" geliefert, sagte US-Außenamtssprecherin Marie Harf auf CNN.
"Die Iraker liefern Waffen aus ihren Vorräten, und wir machen das Gleiche, wir liefern Waffen aus unseren Vorräten", sagte Harf weiter. Zuvor war von mehreren Seiten gefordert worden, angesichts des Vormarschs der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) die Kurden mit Waffen auszustatten.
Die Hilfe dürfte den Kurden gerade recht kommen. Gerade haben sie die Stadt Dschalawla etwa 130 Kilometer nordöstlich von Bagdad an die Dschihadisten verloren. Nach Polizeiangaben wurden mindestens zehn Peschmerga-Kämpfer getötet und rund 80 weitere verletzt.
Deutschland will humanitär helfen
Die Bundesregierung lehnt deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im Irak dagegen ab. Es gehöre zu den Grundsätzen der Bundesregierung, keine Waffen in Kampfgebiete zu liefern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Deutschland sei sehr aktiv in der Flüchtlingshilfe im Irak und Syrien und versuche damit, seiner internationalen Verantwortung nachzukommen.

Zehntausende Menschen sind vor den Islamisten auf der Flucht - hier Jesiden an der irakisch-syrischen Grenze.
(Foto: AP)
Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, man konzentriere sich auf die humanitäre Hilfe im Irak. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte die Hilfszahlungen für die Flüchtlinge im Irak am Wochenende auf insgesamt 4,4 Millionen Euro aufgestockt.
Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann hatte deutsche Waffenlieferungen an die Kurden gefordert, die gegen den Vormarsch der Islamisten im Irak kämpfen. "Wir müssen den Kurden, die dort einen verzweifelten Kampf gegen einen neu entstehenden Terrorstaat führen, unterstützen und ihnen die Dinge liefern, die sie brauchen, um sich durchzusetzen", sagte Wellmann dem Deutschlandfunk. "Da zuzugucken und nur mit frommen Worten zu kommen, das reicht mir nicht", kritisierte er.
"Müssen sie mit besseren Waffen ausstatten"
Die Kurden unter ihrem Präsidenten Massud Barsani seien eine westlich orientierte Ordnungsmacht, fügte Wellmann an. Die Islamisten aber hätten Depots der irakischen Armee erobert und seien inzwischen mit 7000 gepanzerten Fahrzeugen und amerikanischen Waffen ausgerüstet. "Da können die Kurden nicht mit Jagdflinten dagegenhalten, sondern wir müssen sie mit besseren Waffen ausstatten", verlangte Wellmann. Einen Einsatz der Bundeswehr in der Irak-Krise schloss er aber kategorisch aus.
Der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour warnte derweil, den Konflikt durch Waffenlieferungen zusätzlich anzuheizen. Eine Aufrüstung der Kurden würde Nachbarstaaten wie die Türkei oder den Iran "wahnsinnig nervös" machen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. In beiden Ländern gibt es kurdische Minderheiten. Wichtiger als Waffenlieferungen sei die Ausbildung der türkischen Kämpfer, fügte er an.
Grünen-Chef Cem Özdemir begrüßte Luftangriffe und Waffenlieferungen der USA in der Region. Die Islamisten müssten gestoppt werden, sagte er dem Deutschlandfunk. "Das macht man nicht, indem man mit ihnen Diskussionen macht, sondern das macht man so, wie es die Amerikaner machen", sagte Özdemir. "Wer das kritisiert, muss sagen, wie es anders geschehen soll."
Am Wochenende hatte bereits der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, Waffenlieferungen gefordert. "Die Islamisten verfügen über moderne Waffen aus den eroberten irakischen Militärlagern, die Kurden sind dagegen hoffnungslos unterlegen", sagte er der "Bild am Sonntag". Die Bundesregierung sollte den Kurden daher sofort moderne Waffen zur Selbstverteidigung zur Verfügung stellen.
"Auf die ein oder andere Weise"
Frankreich prüft bereits nach den Worten von Außenminister Laurent Fabius die Lieferung von Waffen an die Kurden. "Auf die ein oder andere Weise" müssten die Kurden "auf sichere Art Ausrüstung erhalten, mit der sie sich verteidigen und zum Gegenangriff übergehen können", sagte Fabius am Sonntag dem Fernsehsender France 2. Die Prüfung solle in Abstimmung mit den EU-Partnern geschehen. Gleichzeitig schloss Fabius ein militärisches Eingreifen seines Landes im Nordirak erneut aus.
Auch Italien dringt auf eine koordinierte Unterstützung durch die EU. "Wir sprechen nicht von einer Militärintervention, sondern von einer Unterstützung, auch militärischer Art, der Kurdenregierung", sagte die italienische Außenministerin Federica Mogherini in einem Radiointerview. Sie habe sich an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gewandt und ein Treffen der EU-Außenminister angeregt, bei dem auch über die Konflikte im Gazastreifen und Libyen beraten werden solle. Die Regierung in Rom erörtere bereits mit seinen europäischen Partnern "die effizientesten Maßnahmen", um die Offensive der Dschihadisten zu stoppen, sagte Mogherini weiter.
Die USA fliegen seit Freitag Luftangriffe auf Stellungen der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) im Norden des Irak, um die Kurden bei der Verteidigung der Millionenstadt Erbil zu unterstützen. Außerdem versorgt die irakische Regierung die kurdischen Peschmerga (übersetzt "Die dem Tod ins Auge Sehenden") nach Angaben aus US-Regierungskreisen mit Munition. Die US-Regierung sei mit der irakischen Regierung bemüht, weitere Anfragen der Kurden-Regierung etwa nach Sturmgewehren und Mörsern so schnell wie möglich zu erfüllen. Die Islamisten beherrschen weite Teile Syriens und Gebiete des Irak.
Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa/AFP