Thomas de Maizière Glanz ohne Glamour
02.03.2011, 13:50 Uhr
Thomas de Maizière im Gespräch mit Karl-Theodor zu Guttenberg (Archivbild).
(Foto: picture alliance / dpa)
Der künftige Verteidigungsminister de Maizière ist in gewisser Weise das exakte Gegenbild seines Vorgängers Guttenberg: preußisch, nüchtern, unaufgeregt. Im Bundestag zollte ihm selbst die Opposition Respekt. Der langjährige Merkel-Vertraute hat das Zeug, die bislang nur angeschobene Bundeswehrreform erfolgreich zu Ende zu bringen.
Mit Vorschusslorbeeren ist das so eine Sache. Wird ein Politiker zu schnell zu sehr gelobt, kann ihm das auch zum Verhängnis werden. Trotzdem liegt das Urteil in diesem Fall auf der Hand: Die Berufung von Innenminister Thomas de Maizière ist eine sehr gute Entscheidung.
De Maizière ist der Typ Politiker, den die Bundeswehr jetzt braucht: Er ist besonnen, neigt eher zum Aktenstudium als zum Populismus, zielt auf Ergebnisse statt auf Wirkung. Er selbst sagt, er denke in Strukturen. Kein Nachteil für einen Minister, der eine Bundeswehrreform umsetzen muss, von der bislang nicht mehr als die Grundzüge bekannt sind.

"Loyal gegenüber jedem Chef", titelte die FAZ einmal über Thomas de Maizière. Er selbst sagt, dass er Kritik lieber intern äußert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Glaubwürdigkeit, über die zuletzt so viel diskutiert wurde, hat de Maizière sich erarbeitet - dies "mühsam" zu nennen, entspräche nicht der Selbstverständlichkeit, mit der er dies tat. Als er Anfang November vor einem drohenden Anschlag in Deutschland warnte und diese Warnung dann Mitte November präzisierte, war die Wirkung seiner Worte auch deshalb so groß, weil de Maizière - anders als seine Vorgänger Wolfgang Schäuble und Otto Schily - bis dahin jeden Alarmismus strikt abgelehnt hatte. Bei der anschließenden Debatte im Bundestag war die Opposition voll des Lobs für den Minister. Hans-Peter Friedrich, sein Nachfolger von der CSU, wird hier andere Akzente setzen. Aus Sicht der Union mag das kein Schaden sein.
"Geräuschlos und effizient"
Schon als Kanzleramtsminister in der Zeit der Großen Koalition hatte de Maizière "geräuschlos" und "effizient" gearbeitet, zwei Attribute, mit denen er häufig beschrieben wird. Der promovierte Volljurist ist die Allzweckwaffe der Kanzlerin. Während der Koalitionsverhandlungen von Union und FDP galt er als heißer Anwärter für den Posten des Finanzministers. Sein Kontakt zu Merkel ist eng und geht zurück auf das Jahr 1990, als er Pressesprecher der CDU im Westberliner Abgeordnetenhaus und Merkel Sprecherin der DDR-Kleinpartei Demokratischer Aufbruch war: Es war de Maizière, der seine Kollegin am 18. März 1990, dem Tag der letzten Volkskammerwahl, seinem Cousin Lothar vorstellte. Damit steht Thomas de Maizière der politischen Karriere Merkels gewissermaßen Pate.
Die gute Beziehung zu Merkel ist mehr als eine Fußnote. Ihre Experten im Kanzleramt sind von der Bundeswehrreform des bisherigen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg nicht begeistert. Die Finanzierung ist offen, die Freiwilligen strömen nicht gerade in Scharen zu den Kasernen und bislang gibt es "nur sehr rudimentäre und unausgewogene" Vorschläge für die Reform. Dass auch de Maizière seinem Nachfolger mit der Frage der Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei eine Reform-Baustelle hinterlässt, ist vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit.
Westdeutscher Preuße aus Sachsen
Im politischen Berlin ist de Maizière eine Ausnahmeerscheinung. Sein Lebenslauf liest sich wie ein deutsch-deutsches Gesamtkunstwerk: geboren im rheinischen Bonn, studiert im westfälischen Münster und im badischen Freiburg, politische Ämter in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Der "Preuße" wohnt bis heute in Dresden - das war die Bedingung seiner Frau und der drei Kinder, als Merkel ihn 2005 ins Kanzleramt holte.
Trotz des "de" kommt Thomas de Maizière übrigens nicht aus dem - in Deutschland 1919 abgeschafften - Adel. Den französischen Namen brachten seine Vorfahren mit, die als protestantische Hugenotten im 17. Jahrhundert aus dem katholischen Frankreich nach Preußen flohen. Auch ohne Burg hat die Familie de Maizière eine historische Bedeutung: Cousin Lothar war letzter Ministerpräsident der DDR, ihm stand Thomas in der Zeit der Wiedervereinigung als Berater zur Seite. Vater Ulrich tat als Soldat in drei deutschen Armeen Dienst: in der Reichswehr der Weimarer Republik, in der Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschland und in der Bundeswehr, an deren Aufbau Ulrich de Maizière als einer der Vordenker des bis heute gültigen Konzepts der "inneren Führung" maßgeblich beteiligt war. Von 1966 bis 1972 war er Generalinspekteur der Bundeswehr.
Bei allen Unterschieden sollte Thomas de Maizière in einem Punkt von seinem Vorgänger lernen. Guttenberg war zwar nicht der erste Verteidigungsminister, der bei der Truppe beliebt war, aber er hat es wie kein Zweiter verstanden, die Soldaten anzusprechen. De Maizière wird dies weder kopieren wollen noch können. Aber, bei aller Scheu vor Vorschusslorbeeren: Auch diese Aufgabe wird er meistern. Noch ist unsicher, ob es ein Guttenberg-Comeback geben wird. Doch wenn über zukünftige Kanzlerkandidaten der Union gesprochen wird, darf der Name de Maizière ab sofort nicht mehr fehlen.
Quelle: ntv.de