Memoiren von Michele Bachmann erschienen Die Frau, die das System verändern will
22.11.2011, 15:22 UhrGeorge W. Bush hat sozialistische Politik gemacht, das Weiße Haus ruft Steuersünder persönlich an und Mütter sind die besseren Politikerinnen: Thesen, mit denen sich die Präsidentschaftskandidatin Michele Bachmann zurück ins Gespräch bringen will. Ihre jetzt erschienene Biografie erinnert an ihr Vorbild Sarah Palin.

Zur TV-Debatte mit ihren republikanischen Mitbewerbern kam Bachmann mit Dutt und schwarzem Kostüm - als "Domina", schrieben US-Medien.
(Foto: AP)
Es kommt spät und vielleicht gerade deswegen genau pünktlich: Michele Bachmann, die ultra-konservative Tea-Party-Politikerin und republikanische Bewerberin für das Präsidentenamt, hat ihre Biografie veröffentlicht. Ihre Konkurrenten haben mit eigenen Büchern bereits vorgelegt, bei Herman Cain und Newt Gingrich verschmelzen Wahlkampfauftritte und Signierstunden zu profitablen Verkaufsveranstaltungen. Nachzüglerin Bachmann hat den späten Erscheinungstermin jedoch bewusst gewählt: In sieben Wochen startet mit dem berühmten "Iowa Caucus" der Abstimmungsmarathon - und Weihnachten steht ebenfalls vor der Tür.
Bush Junior, Sozialist und Mentor
"Core of Conviction", heißt Bachmanns Selbstbetrachtung, frei übersetzt bedeutet das so viel wie "unerschütterliche Überzeugung" - eine Hommage an die ihr eigene politische Dickköpfigkeit. Auf wie vielen Gabentischen die 224 Seiten landen werden, lässt sich noch nicht voraussagen, für ein medienwirksames Skandälchen hat Bachmanns Biografie jedoch schon mal gesorgt. So wirft sie unter anderem Ex-Präsident George W. Bush vor, mit der milliardenschweren Rettung des US-amerikanischen Finanzsystems "eine Art Sozialismus" betrieben zu haben. Bachmann selbst hat die Rettung der Banken, das sogenannte "Troubled Asset Relief Program", stets abgelehnt, ungerührt von Expertenmeinungen und finanzpolitischen Realitäten.
Eine Abrechnung mit der Bush-Regierung ist das Buch jedoch nicht. Bachmann widmet Barack Obamas Amtsvorgänger sogar ein eigenes, hauptsächlich positives Kapitel. Demnach hat er bei ihrem Karrieresprung auf die nationale Bühne maßgeblich geholfen. Bush, erinnert sich Bachmann, habe sie während des Kongresswahlkampfs 2006 beim Spendensammeln unterstützt und der Hausfrau aus Minnesota sogar Modetipps gegeben. Für ihr Treffen mit Bush hatte sich Bachmann für einen zartrosafarbenen Anzug mit passenden Handschuhen entschieden. "Lassen Sie die Handschuhe lieber weg", soll Bush ihr geraten haben. Beim späteren Eisessen vor versammelter Presse trat sie dann "dank des guten Rates des Präsidenten" ohne Handschuhe auf.
Den Vorschlag von Bushs engstem Berater Karl Rove, bei gemeinsamen Terminen doch bitte auch kein Buch zu lesen, während der Präsident eine Rede hält, betrachtet Bachmann rückblickend ebenfalls als weisen Ratschlag. Die Handschuhe von damals habe sie übrigens immer noch, schreibt Bachmann. "Ich habe sie nur nie in der Öffentlichkeit getragen."
Scheidungskind, Armut, Fehlgeburt
Dass "Core of Conviction" als Biografie daherkommt - der Untertitel lautet "Mein Leben" - ist etwas irreführend: Hier will sich ein politischer Neuankömmling im zarten Alter von 55 Jahren überhaupt erst einmal vorstellen. So berichtet Bachmann viel und durchaus überraschend über teilweise intimste Ereignisse in ihrem Leben. Zum Beispiel über die Scheidung ihrer Eltern, nach der sie vor allem bei ihrer Mutter aufwuchs und sich ihre Teenagerträume mit Gelegenheitsjobs finanzieren musste. "Ich nahm jeden Job als Babysitterin an, den ich kriegen konnte", schreibt Bachmann. "Damals mussten Mädels einfach Kleider tragen, und wenn ich ein hübsches Kleid haben wollte, musste ich es mir selber kaufen, denn meine Mutter hatte nicht einmal Geld für das Schulmittagessen."
Oder die Fehlgeburt bei ihrer dritten Schwangerschaft. Ihr Mann habe das Kind nicht anschauen können, so sehr habe er gelitten, schreibt die Mutter von fünf Kindern. "Ich musste das Baby sehen, das nun grau und leblos da lag, die Nabelschnur hatte sich völlig aufgelöst."
Der Leser erfährt außerdem, dass Bachmanns Großvater einst mit dem Gangster Jesse James Poker gespielt haben soll (und angeblich gewann) und dass sie bei ihrem "Chef" im Abgeordnetenhaus, dem Republikaner John Boehner, die Ähnlichkeit zu einer US-amerikanischen Ikone bewundert. "Plötzlich wurde mir klar, an wen er mich erinnert - den TV-Sänger und Filmstar Dean Martin!" Dass Dean Martins Lebensstil eher unrepublikanisch freizügig war, erwähnt sie freilich nicht.
Kein politisches Manifest, eher bekannte Wahlkampf-Kost
Politisch bleibt das Buch eher mau, mehr als die bereits bekannten Wahlkampfbotschaften hat Bachmann nicht zu bieten: weniger Staat, weniger Steuern, weniger Ausgaben. Auch die stark vereinfachende, teilweise recht plumpe Politrhetorik, mit der Bachmann vor allem beim konservativen Haussender Fox News berühmt wurde, fehlt natürlich nicht. Obama führe eine korrupte "Gangsterregierung" und die Demokraten hätten den Staatshaushalt mit "krimineller" Energie regelrecht "geplündert". "Die haben fast gekichert als sie das Geld säckeweise aus dem Fenster warfen." Dass die Staatsausgaben vor allem unter Modeberater Bush Junior explodiert waren, muss der Leser anderswo erfahren.
Dafür verrät Bachmann, wie sie die anstehende Wahl gewinnen will: mit einer Koalition von Fußball-Mamas, Singles, Latinos, Asiaten und Afro-Amerikanern. "Ich werde den Zug der Freiheit und des Aufschwungs von allen Teilen der Nation nach Washington fahren", erklärt die Kandidatin in bester Tea-Party-Rhetorik. "Ich nenne ihn den Freiheits-Express."
Zweifel an ihrer Befähigung als Lokomotivführerin wird sie mit dem Buch allerdings nicht ausräumen - eher im Gegenteil. Vor allem eine Geschichte sorgt bereits jetzt für jede Menge Gelächter in Washington: die, in der sie angeblich einen Anruf von ganz oben erhielt.
Memoiren mit Palin-Momenten
Gemeint ist nicht Gott, sondern das Weiße Haus. Das habe sich, so Bachmann, in den 80er Jahren persönlich bei ihr gemeldet, als sie in einem Brief an die Behörden den Sinn der Sozialabgaben infrage stellte. Prompt habe das Telefon geklingelt: "Der Anrufer am anderen Ende der Leitung sagte, er sei vom Weißen Haus", schreibt Bachmann. "Er sagte: 'Wir haben ihren Brief bekommen und wollten sie nur wissen lassen, dass sie die Sozialabgaben zahlen müssen'". Täte sie das nicht, so der Anrufer, würde sie im Gefängnis landen.
Es muss wohl ein schicksalhafter Moment gewesen sein, denn Bachmann, die einen Abschluss in Steuerrecht hält, arbeitete später ausgerechnet für die US-Steuerbehörde - nach eigener Angabe jedoch nur, "um das System von innen zu verändern". Als müsse man Postbote werden, um das Briefgeheimnis abzuschaffen.
Ein wenig erinnert sie in solchen Momenten an ihr Idol Sarah Palin. Die hält sich ja bis heute für eine fähige Außenpolitikerin, weil sie von ihrem Haus in Alaska bis nach Russland schauen kann.
Quelle: ntv.de