Aushalten oder Austritt? G8 stellt Griechen vor die Wahl
21.05.2012, 00:00 Uhr
Die griechische Fahne weht auf dem Parlamentsgebäude in Athen.
(Foto: AP)
Indirekt rufen die G8 die Griechen dazu auf, bei den Wahlen am 17. Juni Parteien zu wählen, die weiter mit den internationalen Geldgebern des Landes kooperieren - an diese Bedingung wird der Verbleib Griechenlands in der Eurozone geknüpft. Der einflussreiche Ökonom Krugman sagt, ein Austritt sei unvermeidlich.
Die G8-Staaten lehnen einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ab. "Wir bekräftigen unser Interesse daran, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, solange es seinen Verpflichtungen nachkommt", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der wichtigsten Industriestaaten und Russlands.
Eine solche Erklärung, die ein kleines Land zum Thema hat, ist nach G8-Gipfel nicht üblich. Sie wird als Zeichen dafür gewertet, wie groß die Sorgen vor einem Austritt des Landes aus der Eurozone mit unabsehbaren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem sind. Offenbar wollten die führenden Industriestaaten den Wählern in Griechenland klarmachen, dass sie sich sehr genau überlegen sollten, wo sie bei den Neuwahlen am 17. Juni auf dem Stimmzettel ihr Kreuz machen. Hinter verschlossenen Türen wird Griechenland von den anderen Euro-Ländern bereits mit dem Rauswurf gedroht.
In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage ist das linksradikale Bündnis Syriza mit 28 Prozent der Stimmen stärkste Kraft vor der konservativen ND mit 24 Prozent; in einer Umfrage zwei Tage zuvor war das Kräfteverhältnis umgekehrt. In Griechenland bekommt die stärkste Partei zusätzlich zu ihren rechnerisch gewonnenen Mandaten automatisch 50 der 300 Sitze im Parlament hinzu.
Krugman: Austritt ist unvermeidlich
Der amerikanische Star-Ökonom Paul Krugman sagte unterdessen, ein Austritt Griechenlands aus dem Euro sei unvermeidlich. "Es gibt einfach keine Alternativen", sagte der Nobelpreisträger dem "Spiegel". Keine der derzeit diskutierten Hilfsmaßnahmen habe eine Chance, das Desaster in Griechenland wieder in Ordnung zu bringen.
Im ersten Jahr werde ein Euro-Austritt der Griechen fürchterliche Folgen haben, etwa eine Massenkapitalflucht in Ländern der Euro-Peripherie, sagte Krugman. Doch könne die Europäische Zentralbank die Folgen eindämmen.
Die deutsche Regierung griff Krugman wegen ihrer Sparpolitik scharf an. "Mindestens seit zwei Jahren ist klar, dass dieses Rezept nicht funktioniert, und trotzdem wird es immer weiter als Erfolgsmodell gepredigt", sagte er. Die Bundesregierung müsse der EZB signalisieren, dass drei bis vier Prozent Inflation kein Problem wären und dürfe nicht dem "Sparwahn" verfallen.
Trichet: Das ist die schlechteste Option
Dagegen sagte Ex-EZB-Präsident Jean-Claude Trichet dem österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil", er halte ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro für "die schlechteste Option". "Ich kann mir so etwas ganz und gar nicht vorstellen. Jede einzelne Regierung im Euro-Raum hat bereits deutlich gemacht, dass sie dies für kein geeignetes Mittel hält, um die gegenwärtigen Probleme zu lösen", so Trichet weiter.
Überlegungen, durch höhere Inflation die Verschuldung von EU-Staaten abzubauen und Wachstum zu gerieren, lehne er ab. "Vielmehr wird die Solidität des Wirtschaftswachstums durch eine zu hohe Inflationsrate unterminiert. Nur Wachstum in Zusammenhang mit Preisstabilität hilft uns langfristig weiter."
"Wachstum und Jobs"
"Unser Gebot ist, Wachstum und Jobs zu schaffen", schrieben die G8 ist ihrer Erklärung. Sie machten sich damit Kernforderungen Obamas zu Eigen, der für seine Wiederwahl im November kämpft. Allerdings setzen auch europäische Regierungen wie die des neuen französischen Präsidenten François Hollande verstärkt auf Wachstumsimpulse.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die G8 sei sich einig gewesen, dass in der Euro-Zone sowohl Wachstum als auch Haushaltskonsolidierung nötig sei. Sie stellte dies als Teil der von ihr in Europa gepredigten Sparpolitik dar. "Konsolidierung und Wachstum sind zwei Seiten einer und derselben Medaille", so Merkel. An dieser Stelle gebe es auch Einigkeit zwischen Frankreich und Deutschland.
Hollande pochte in den USA wie bereits im heimischen Wahlkampf und beim Besuch in Berlin auf mehr Wirtschaftswachstum. "Es gibt kein Wachstum ohne Vertrauen und es wird kein Vertrauen ohne Wachstum geben." Hollande machte sich bei seinem ersten Gipfel dafür stark, das rezesssionsgeplagte Griechenland zusätzlich zu unterstützen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Bei einem Sondergipfel an diesem Mittwoch wollen die Europäer über Maßnahmen für mehr Wachstum beraten.
Obama befürchtet Energiekrise
Schließlich beschlossen die G8-Staaten eine Freigabe strategischer Ölreserven offen zu h alten, falls die Versorgung knapp wird und die Preise wieder steigen sollten. Notfalls soll die Internationale Energieagentur IEA eingeschaltet werden. Obama befürchtet laut Diplomaten, dass eine neue Energiekrise seine Wiederwahl gefährden könnte.
In der Erklärung der G8 hieß es: "Wir überwachen die Entwicklung genau und sind bereit, die Internationale Energieagentur anzurufen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine rechtzeitige und vollständige Versorgung der Märkte sicherzustellen." Die G8 sprachen von einer drohenden Unterbrechung der Ölversorgung und einer steigenden Nachfrage in den kommenden Monaten. Hintergrund der Befürchtungen sind Spannungen mit dem Iran.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts/DJ