Dossier

Verbotsverfahren AKP aufs Schlimmste eingestellt

Die in der Türkei von einem Verbot bedrohte islamisch-konservative Regierungspartei AKP sucht fieberhaft nach einem Ausweg. Von Plänen, schnell die Verfassung zum eigenen Vorteil zu ändern, hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Abstand genommen. Nun werden Möglichkeiten für die Gründung einer Nachfolgepartei diskutiert, wie türkische Medien berichten. Auch Erdogan selber werde keinesfalls aufgeben. Bei Neuwahlen wolle der 54-Jährige als unabhängiger Kandidat antreten.

Bei einem Verbot der AKP durch das Verfassungsgericht und einem Betätigungsverbot für mindestens 28 AKP-Politiker werde es binnen 90 Tagen Neuwahlen geben, sagte der Leiter der Wahlkommission, Muammer Aydin. Sollte das Gericht zu einem frühen Urteil kommen, könnten solche Neuwahlen im März 2009 mit den Kommunalwahlen abgehalten werden

Vorwurf zurückgewiesen

Die AKP hat den Vorwurf des Generalstaatsanwaltes, sie hege islamistische Pläne für die Türkei, in einer Verteidigungsschrift zurückgewiesen. Der Ankläger hatte erklärt, die AKP sei ein "Zentrum von Aktivitäten gegen den säkularen Staat".

Die Regierungspartei, die bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr 47 Prozent der Stimmen bekommen hatte, erklärte das Vorgehen zu einem politisch motivierten Schachzug. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn vertrat die Ansicht, jeder wisse, dass die AKP nicht den Islamismus unterstütze. In der Türkei stünden sich extrem-säkulare Kräfte und muslimische Demokraten gegenüber. Mit dieser Unterscheidung in Gut und Böse zog er heftige Kritik nicht nur des türkischen Militärs auf sich.

Der Chefredakteur der Zeitung "Hürriyet", Ertugrul Özkök, schrieb in einem wütenden Kommentar, wohin Rehn denn die Millionen von Menschen stecken wolle, die nicht für die AKP gestimmt hätten. "In die Schublade für säkulare Faschisten?", schrieb er und forderte, den Blick auf Vetternwirtschaft der AKP, das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten am 1. Mai in Istanbul und Strafen für Geschäftsleute zu richten, die der Regierung unliebsam seien.

Pläne für Nachfolgepartei

Die Reaktionen zeigen, dass internationale Unterstützung für die AKP ein zweischneidiges Schwert ist und zu viel auch schaden kann. Die AKP selber stellt sich mit Plänen für eine Nachfolgepartei bereits auf das Schlimmste ein. Dabei ist es in dem Machtkampf zuletzt gar nicht so schlecht für Erdogan und seine Partei gelaufen.

So hat der Berichterstatter des Verfassungsgerichts in einem unabhängig von dem Verbotsantrag laufenden Verfahren um die Aufhebung des Kopftuchverbots an türkischen Hochschulen geraten, die Klage gegen eine entsprechende Verfassungsänderung zurückzuweisen. Die Politik der AKP in diesem Punkt kann demnach nicht als schwerer Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung eingestuft werden. Der Streit um das Kopftuch und die Verfassungsänderung galten aber als Zündfunken für den Verbotsantrag gegen die AKP.

Von Carsten Hoffmann, dpa

Quelle: ntv.de

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